Freilich #32: Süchtig nach dem Kick

Die Märzgesetze von 1848: Ein Wendepunkt in der Geschichte Österreichs

Die bürgerliche Revolution 1848 gilt häufig fälschlicherweise als rein deutsches Phänomen. Doch die Unruhen, die durch die französische Februarrevolution ausgelöst wurden, umfassten den gesamten Kontinent und störten die post-napoleonische Machtordnung der Fürsten empfindlich.

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Die Märzgesetze von 1848 stellen einen signifikanten Wendepunkt in der Geschichte Österreichs dar. Sie sind eingebettet in revolutionäre Unruhen, die das gesamte Habsburgerreich erfassten und den Staatsapparat in seinen Grundfesten erschütterten. Die Aufstände wurden durch soziale Missstände, wirtschaftliche Krisen und die weit verbreitete Forderung nach politischen Reformen angeheizt.

Im Vielvölkerstaat der Habsburger stieg die revolutionäre Stimmung der verschiedenen nicht-deutschen Völker auf ein existenzbedrohendes Maß an. Unter ihnen waren die Ungarn die glühendsten Vorkämpfer des nationalen Selbstbestimmungsrechts – besonders für sich selbst. Dies veranlasste Kaiser Ferdinand I. dazu, am 13. März 1848 Staatskanzler Metternich zum Rücktritt zu zwingen, da sich ein beachtlicher Teil der revolutionären Stimmung gegen Metternich und dessen Zensursystem richtete. Der 15. März 1848 markiert nicht nur den Beginn der ungarischen Revolution, der bis heute gefeiert wird, sondern auch die Einführung der sogenannten Märzgesetze, welche den Magyaren weitreichende Sonderrechte zusicherten und ihre Sonderrolle gegenüber den anderen nationalen Minderheiten weiter zementierten.

Jeder gegen Jeden

Bereits vor dem Ausbruch der Revolution waren der Regierung in Wien zahlreiche Forderungen hinsichtlich des Rechts auf Selbstbestimmung unterbreitet worden. Im Zuge der Ausschreitungen in der Hauptstadt Wien setzten sich auch ungarische Aufständische in Bewegung. In der Folge verabschiedete der ungarische Landtag das 12-Punkte-Programm der Revolutionäre, welches unter anderem die Pressefreiheit, die Gleichheit vor dem Gesetz, die Aufstellung einer ungarischen Nationalgarde sowie deren Verpflichtung auf die Verfassung umfasste. Diese und weitere Gesetze sowie die daraus resultierenden Rechte waren in der Mehrheit den Ungarn vorbehalten, die nicht-ungarischen Minderheiten, die rund 60 Prozent der Bevölkerung unter der Stephanskrone ausmachten, waren darin nicht berücksichtigt.

Die Eskalation der Situation, die letztlich in einem Konflikt zwischen Ungarn und Österreichern einerseits sowie Kroaten andererseits mündete, wurde durch die deutschen Österreicher und Ungarn vorangetrieben. Die kroatischen Aufständischen nutzten die Gunst der Stunde, um gegen die ungarische Herrschaft über ihr Stammland aufzubegehren. Die Wiener Regierung erklärte nach anfänglicher Akzeptanz der ungarischen Zustände ihre Unterstützung für die kroatischen Aufständischen und widerrief bereits im September die bestätigten Sonderrechte der Magyaren.

Dies führte zu einer komplexen Situation, in der die kroatische Nationalbewegung unter der Führung von Josip Jelačić in einen Konflikt mit der habsburgischen Monarchie geriet, der sich gegen die ungarische Nationalbewegung richtete. Die habsburgisch-kroatische Allianz wurde durch serbische, slowakische und rumänische Bevölkerungsteile erweitert, während die Ungarn auf die Verstärkung durch polnische, italienische, jüdische und sogar deutsch-österreichische Freiwillige zählen konnten. Noch im Frühsommer hatten ungarische Minister mit Wien über die Aufstellung einer eigenen ungarischen Armee zur Unterstützung der Österreicher in Norditalien verhandelt, um im Gegenzug Hilfe in der Unterdrückung der Kroaten zu erhalten.

Kein guter Ausblick

Bereits gut 60 Jahre vor dem Zerfall der Donaumonarchie aufgrund der multiethnischen Gemengelage, die von wechselhaften Feind- und Freundschaften innerhalb dieser Gruppen geprägt war, wurde deutlich, welche Gefahr von dieser für das gesamte Reich ausging. Die Märzgesetze und die ungarische Revolution von 1848 sind nicht nur ein Teil, sondern Sinnbild der Erhebungen in ganz Europa.

Die seit der Französischen Revolution umgreifenden Ideen der Volkssouveränität verbanden sich mit dem Nationalismus der europäischen Völker, die sich vom dynastischen Herrschaftssystem lösen wollten. Diese Entwicklung führte jedoch zu einer zunehmenden Legitimations- und Kontrollkrise, die das Antlitz Europas für den Zeitraum von annähernd 1000 Jahren maßgeblich prägte.

Die Aufstände in Ungarn, die Unruhen in Wien sowie die Forderungen der tschechischen Nationalbewegung verdeutlichten die innere Zerrissenheit des Habsburgerreiches. Trotz des Einsatzes des österreichischen Kaisers Franz Joseph I., der die Aufstände niederschlug, musste er im Ausgleich von 1866 den Ungarn einen großen Spielraum einräumen, den diese wiederum zur Unterdrückung der nationalen Minderheiten nutzten. Die Tatsache, dass Österreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einen wahren Feuertopf verwandelt wurde, ist gleichwohl als Verdienst der Deutsch-Österreicher sowie der Ungarn zu betrachten.

Über den Autor

Mike Gutsing

Mike Gutsing, Jahrgang 1999, hat Geschichte studiert und lebt in Mitteldeutschland. Das besondere Interesse des Korporierten gilt der deutschen Geschichte und Kultur.

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