Das Wahl-Dilemma: Was macht uns die Wahlentscheidung so schwer?

Die deutsche Parteienlandschaft erscheint vielfältig. Neben den altgedienten Klassikern entstanden in den letzten Jahren Newcomer wie das BSW oder die Werteunion. Die AfD wurde schon 2013 gegründet. Doch trotz einer relativ großen Parteienanzahl gibt es viele Menschen, die zwischen den Stühlen stehen und sich von keiner Partei vertreten fühlen. Woran liegt das? Warum fällt die Wahlentscheidung so schwer?

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29.1.2025
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4 Minuten Lesezeit
Das Wahl-Dilemma: Was macht uns die Wahlentscheidung so schwer?

In Deutschland hängen bereits die Wahlplakate der Parteien für die kommende Bundestagswahl im Februar.

© IMAGO / Arnulf Hettrich

In Deutschland stehen Neuwahlen an. Die Prognosen sehen die CDU zwar klar an der Spitze, doch ist das Vertrauen in die Altparteien stark gesunken. Menschen sind enttäuscht von der Politik der letzten Jahre, kämpfen mit steigenden Lebenshaltungskosten, sehen Unternehmen abwandern und die Wirtschaft schrumpfen. Der Wille zur Veränderung scheint in der breiten Bevölkerung vorhanden. Doch wie ist sie zu erreichen? Was ist von den verschiedenen Parteien zu erwarten?

Für Rüstungs- und Klimalobby

Mit der CDU verbindet der Wähler Sicherheit und Stabilität. Doch hat die starke Zuwanderung, die Corona- und Klimapolitik, die sie mit verantwortet, zu größerer Unsicherheit und Instabilität geführt. Friedrich Merz fordert außerdem wie auch Robert Habeck die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Der Krieg würde in Folge eskalieren.

Wie die CDU stehen ebenso SPD, Grüne und FDP für eine Industriepolitik, die Klima-, Pharma- und Rüstungslobby bedient, statt die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft im Allgemeinen zu verbessern. Die Liberalen haben gezeigt, dass sie ihren Prinzipien unter entsprechenden Bedingungen urplötzlich untreu werden können. Sie dünken sich zwar liberal, haben jedoch die illiberale Politik der letzten Jahre mit getragen.

Einschränkung der Meinungsfreiheit

Politiker der Grünen und der SPD zeigen gegenwärtig in großem Stil Menschen an, die sich kritisch äußern, wenngleich das in einer Demokratie völlig legitim ist. Die Befugnisse des Verfassungsschutzes wurden zugunsten des Staates und zuungunsten des Bürgers erweitert. Die Freiheit, seine Meinung offen sagen zu dürfen steht nun in unmittelbarer Verbindung zur Befürchtung, am nächsten Morgen um 6 Uhr von der Polizei zur Hausdurchsuchung geweckt zu werden.

Die Lebensqualität der Mehrheit der Bevölkerung sinkt, während parallel die Diäten der Parlamentarier steigen. Die Industrie der erneuerbaren Energie macht enorme Gewinne auf Kosten der Verbraucher. Die hohen Energiepreise treiben die Inflation und zerstören die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft.

Der Krieg rückt näher und die Gewinne der Rüstungskonzerne sprudeln. Von Diplomatie ist keine Spur. Die Bundeswehr wirbt stattdessen mit riesigen Kampagnen um die bei einer Geburtenrate von 1,35 immer weniger werdenden jungen Menschen, die doch eigentlich die Wirtschaft am Laufen halten müssten.

Von Ideologien und Ängsten getrieben

Diese  Situation ist nicht von allein entstanden. CDU, SPD, Grüne und FDP haben sie verursacht. Statt in einer freiheitlichen, offenen und demokratischen Gesellschaft, leben wir nun in einem Land, das tief gespalten, von Ideologien geleitet und von Ängsten getrieben ist. Wir haben scheinbar unseren Anstand, unsere Aufrichtigkeit, unsere Grundsätze und unsere Vernunft verloren.

Wen kann ich wählen, wenn ich das verändern will? Wenn ich für eine diplomatische Lösung des Ukrainekonfliktes bin? Wenn ich für Umwelt- und Naturschutz stehe, aber eine Klima-Ideologie ablehne? Wenn ich meine gezahlten Steuergelder in der Bildung, der Kultur und der Infrastruktur wiederfinden will, statt in der Pharma-, Klima- und Rüstungsindustrie? Wenn ich mir meine eigene Meinung bilde und diese ohne Angst frei äußern möchte? Wenn ich die vollständige Aufarbeitung der Coronazeit wichtig finde? Wenn mir die Menschenrechte, Humanität und Ethik etwas bedeuten? Wenn ich für Vielfalt und Toleranz bin, aber die Gefahren einer unkontrollierten Zuwanderung sehe? Wenn mir Kinder wichtig sind und ich ihnen ein positives Zukunftsbild mitgeben möchte? Wenn ich von der Regierung erwarte, dass sie lediglich gute Rahmenbedingungen schafft, ohne in mein persönliches Leben einzugreifen?

Wen kann ich da wählen? AfD, Werteunion, BSW? Die AfD steht für einen national-liberalen Kapitalismus nach dem Motto „Deutschland first“. Migrations-, Wirtschafts- und Klimapolitik würden reformiert, soziale Leistungen jedoch gekürzt. Ein Zurück zur Tradition, zum traditionellen Familienbild wäre zu erwarten. Die AfD will den Staat verschlanken und die Bürokratie abbauen. Sie setzt auf die Eigenverantwortung des Bürgers. Ihr Kapitalismus ist jedoch ebenso alt wie der linksliberale Kapitalismus der alten SPD oder CDU. Wäre also eher ein Zurück zu erwarten als ein Aufbruch ins Neue?

Anleihen beim alten Kommunismus

WerteUnion und das Bündnis Deutschland stehen links der AfD für freiheitliche und konservative Werte und eine liberale Wirtschaftspolitik. Hans-Georg Maaßen bezeichnete Kanzlerkandidat Merz als Kriegskanzler. Für den Frieden setzt sich ebenfalls das BSW ein, das die Sozialpolitik stärken will, dafür jedoch möglicherweise Anleihen beim alten Kommunismus genommen hat. Beide Parteien haben laut aktuellen Umfragen kaum Chancen auf große Wahlerfolge. Was also wählen? Wieder das kleinere Übel? Die vermeintliche Sicherheit? Selbst ein kleines Übel bleibt ein Übel. Sollte ich einer Regierung vertrauen, die ihre Befugnisse in den letzten Jahren beständig erweitert hat? Ist die Hoffnung gerechtfertigt, dass sie die von ihr selbst geschaffenen Probleme löst?

Keine der alten Parteien steht explizit für eine positive Zukunft. Vielmehr versprechen sie die Rettung vor dystopischen Zukunftsszenarien, wollen den Klimawandel besiegen, Europa vor einem imperialistischen Russland schützen und die Rechten im Inneren bekämpfen. Sie arbeiten mit dem Aufbau von Feindbildern und dem Schüren von Ängsten, um ihre Macht zu erhalten. Aber wer stellt und beantwortet die Frage, wie wir in Zukunft zusammenleben wollen? Wie wir unser Leben gestalten und unsere Kultur weiterentwickeln können? An welchen Werten wir uns dabei orientieren? Wer hat den Mut voranzugehen? Wer verteidigt die Freiheit und schafft die Grundlage für einen Neuanfang?

Die große Lücke

Da klafft eine große Lücke. Da fehlt es an Phantasie, Kreativität und positivem Denken. Wo ist die Partei, die sich – ohne einer Ideologie zu folgen – der Suche nach der Wahrheit verschrieben hat? Die es schafft, Menschen einen Halt zu geben, indem ihre Protagonisten selbst als Vorbild wirken? Die tatsächliche Veränderung, Verbesserung und eine menschlichere Kultur mit neuen, tragbaren und gut begründeten Wertzielen schaffen will? Ist das in einer ökonomisierten Welt, in der der Profit auf dem Thron sitzt, überhaupt möglich? Ist das Parteiensystem dafür vielleicht vollkommen ungeeignet, weil Parteien unterwandert werden und letztendlich doch immer dem Kapital dienen?

Vielleicht macht diese Lücke, diese unbesetzte Stelle die Wahlentscheidung so schwer. Vielleicht spüren wir, dass das Alte mittlerweile zu alt geworden ist. Es taugt nicht mehr für die Gestaltung der Zukunft. Je größer der Staat, je mächtiger die Regierung, desto kleiner die Freiheit des Einzelnen. Eine positive und nachhaltige Veränderung entsteht immer von unten, aus der Bevölkerung heraus. Sie wird nicht autoritär von oben oktroyiert.

Die alten großen Parteien streben jedoch genau in diese autoritäre Richtung und es ist nicht unwahrscheinlich, dass viele Menschen in ihrer Zukunftsangst und Ungewissheit ihr Heil beim Staat oder gar bei einer ideologischen und medial glorifizierten Führerfigur suchen werden. Diese reale Gefahr muss uns bewusst werden und wir sollten sie bei unserer Wahlentscheidung berücksichtigen. Wir sind der Souverän. Wir haben es in der Hand. 

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Tom Reimer

Tom Reimer ist promovierter Neurobiologe, studierte Biologie, Germanistik und Philosophie. 2018 gründete er die königsblau-Denkfabrik. Weitere Informationen unter königsblau-denkfabrik.de.

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