Freilich #32: Süchtig nach dem Kick

Höhen und Tiefen der FPÖ Wien: Rückkehr zu alter Stärke?

Ende April finden in Wien die Gemeinderatswahlen statt. Nach Jahren schwankender Wahlergebnisse steht die FPÖ Wien vor einem möglichen Comeback, wie Christoph Albert in seiner Analyse für FREILICH festhält.

Analyse von
12.3.2025
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3 Minuten Lesezeit
Höhen und Tiefen der FPÖ Wien: Rückkehr zu alter Stärke?

Dominik Nepp ist Spitzenkandidat der FPÖ bei den Wahlen in Wien.

© IMAGO / SEPA.Media

Die FPÖ Wien erlebte in den letzten Jahrzehnten starke Schwankungen in ihren Wahlergebnissen – von historischen Rekorden bis hin zu tiefen Einbrüchen. Aktuelle Umfragen deuten darauf hin, dass die Partei wieder an frühere Erfolge anknüpfen könnte. Welche Faktoren prägten diesen Weg, und wie könnte sich die politische Landschaft Wiens entwickeln?

Der Aufstieg 2010–2015

Die Wiener FPÖ konnte sich nach einer Wahlniederlage 2005 erholen und bei der Gemeinderatswahl 2010 deutlich zulegen: Mit einem Plus von 10,94 Prozentpunkten erreichte sie 25,77 Prozent und sicherte sich den zweiten Platz hinter der SPÖ. Damit knüpfte sie an die stabilen Ergebnisse der 1990er-Jahre an, als sie regelmäßig über 20 Prozent lag. Den Höhepunkt markierte die Wahl 2015: Vor dem Hintergrund hoher Zuwanderung und eines gestiegenen Zuspruchs in der Bevölkerung führte Heinz-Christian Strache die Partei zu einem Rekord von 30,79 Prozent. Zwar verfehlte die FPÖ das Ziel, stärkste Kraft zu werden, doch das Ergebnis war historisch. SPÖ und Grüne setzten ihre Koalition fort, während die FPÖ optimistisch in die Zukunft blickte.

Der Ibiza-Skandal und seine Folgen

Im Mai 2019 erschütterte die Ibiza-Affäre die Partei. Heimliche Aufnahmen aus dem Jahr 2017, die den damaligen Vizekanzler Strache gemeinsam mit dem damaligen FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus bei einem Treffen mit der angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen in einer Villa auf der spanischen Insel Ibiza zeigten, offenbarten unter anderem deren Bereitschaft zur Korruption. Der Skandal führte schließlich zum Bruch der Bundesregierung aus ÖVP und FPÖ unter Kanzler Sebastian Kurz, der zuvor mit einer restriktiven Asylpolitik auch FPÖ-Wähler angesprochen hatte. Die Zustimmungswerte der Freiheitlichen sanken drastisch. Bei der Wiener Wahl 2020 spaltete sich das sogenannte „dritte Lager“ – ein Begriff, der in Österreich traditionell für das nationalliberale Spektrum steht: Heinz-Christian Strache wurde aus der FPÖ ausgeschlossen und trat mit seiner neuen Liste „Team HC Strache“ an, während Dominik Nepp die FPÖ führte. Beide Seiten lieferten sich einen erbitterten Wahlkampf, doch das Ergebnis war ernüchternd: Die FPÖ fiel auf 7,1 Prozent, Straches Liste scheiterte mit 3,3 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde.

Neustart nach 2020

Nach der Wahl 2020 verlor die FPÖ über drei Viertel ihrer Mandate, was die Parteienfinanzierung traf – in Wien abhängig von der Mandatszahl. Aus einer im „Roten Wien“ – dem sozialdemokratisch geprägten Wien – gefürchteten Kraft wurde sie zur kleinsten im Landtag. Der ausbleibende Einzug von Straches Liste verschaffte ihr jedoch Spielraum. Die Partei setzte auf eine konsequente Oppositionspolitik, während die SPÖ-NEOS-Koalition unter Ludwig eine pragmatische Linie fuhr: Fokus auf Wohnbau und Wirtschaft, um breite Wählergruppen zu halten. Die ÖVP, geschwächt durch den Absturz 2020, versuchte sich unter Karl Nehammer als bürgerliche Kraft neu zu positionieren, blieb aber in Wien blass. Die FPÖ nutzte diesen Moment, um sich als einzige echte Alternative zum „Roten Wien“ zu präsentieren.

Opposition als Chance

In den folgenden fünf Jahren profilierte sich die FPÖ durch Kritik an der Stadtregierung. Sie thematisierte Skandale wie die Äußerung von SPÖ-Sozialstadtrat Peter Hacker 2022, der einen Heizkostenzuschuss als „fürstliche Einzelzuwendung“ bezeichnete. Dominik Nepp nutzte dies, um die SPÖ als abgehoben darzustellen – eine Strategie, die bei steigenden Lebenshaltungskosten Resonanz fand. Die SPÖ reagierte mit verstärkter Sozialpolitik, konnte den Eindruck von Distanz jedoch nicht voll entkräften. In der Bildungspolitik kritisierte FPÖ-Klubobmann Maximilian Krauss die „Container-Klassen“ – 84 Klassenräume für 14 Millionen Euro, errichtet 2023 wegen der starken Zuwanderung. Während die Stadt (SPÖ und NEOS) auf Funktionalität setzte, sahen Eltern und FPÖ darin ein Versagen. Die NEOS betonten Innovation in der Bildung, verloren aber an Glaubwürdigkeit, da sie Teil der Regierung waren. Die ÖVP blieb hier wenig sichtbar, was der FPÖ Raum gab, sich als Anwalt der Betroffenen zu positionieren.

Aktuelle Entwicklung und Ausblick

Die Oppositionspolitik zahlte sich aus: Im Juni 2023 sah eine Umfrage von IFDD/WH Media die FPÖ bei 20 Prozent, die ÖVP fiel auf sieben Prozent. 2024 schwankte die FPÖ zwischen 19 und 23 Prozent, mit 23 Prozent im Jänner (Unique Research). Sie ist zweitstärkste Kraft, liegt aber hinter der SPÖ. Ludwig schließt eine Koalition mit der FPÖ allerdings aus, setzt auf SPÖ-interne Stärke und mögliche Partner wie NEOS oder Grüne. Die ÖVP kämpft mit einer unklaren Strategie zwischen Mitte und Rechtsaußen, während NEOS und Grüne auf urbane, progressive Themen setzen – was in Wien funktioniert, aber die FPÖ-Wählerbasis nicht erreicht.

Die FPÖ hat mit mehr Mandaten und Budget bessere Chancen für die Zukunft. Ihr Erfolg hängt davon ab, ob sie den Oppositionsbonus in eine breitere Bewegung ummünzen kann. Die SPÖ stützt sich auf ihre historische Dominanz, die ÖVP sucht ihren Platz, und die NEOS sowie die Grünen bedienen Nischen. Ob die FPÖ das „Rote Wien“ langfristig herausfordern kann, wird von ihrer Strategie – und der ihrer Konkurrenten – abhängen.

Über den Autor

Christoph Albert

Christoph Albert, Jahrgang 2003, ist Student aus Wien.

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