Freilich #32: Süchtig nach dem Kick

Meinl-Reisinger: Die Loyalitäten der neuen Außenministerin

Beate Meinl-Reisinger bricht mit der traditionellen Außenpolitik und führt ihren ersten Außenministerbesuch nicht in die neutrale Schweiz, sondern in die Ukraine. Damit stellt die NEOS-Politikerin ihre EU- und NATO-Orientierung über die Neutralität Österreichs, meint Fabian Walch.

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18.3.2025
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5 Minuten Lesezeit
Meinl-Reisinger: Die Loyalitäten der neuen Außenministerin

Meinl-Reisingers erste Auslandsreise als neue Außenministerin führte sie in die Ukraine.

© IMAGO / Andreas Stroh

In Saudi-Arabien haben erste Gespräche zwischen den USA und der Ukraine begonnen, die zu einem Waffenstillstand und in weiterer Folge zum lang ersehnten Frieden in Europa führen könnten. Währenddessen reiste die neue österreichische Außenministerin, deren offizielle Amtsbezeichnung Bundesministerin für Europäische und internationale Angelegenheiten lautet, in die Ukraine. Dass ihre Amtsbezeichnung „Europäische Angelegenheiten“ separat anführt und nicht zu den internationalen zählt, ist dabei bewusst gewählt. Die Frontfrau der NEOS, Beat Meinl-Reisinger, hat nämlich ein ganz besonderes Amtsverständnis und will ihre pinke Weltsicht ohne Kompromisse vertreten. „Ich bin Politikerin und keine Diplomatin“, sagte sie selbst.

Abschied von einer Tradition

Ihre erste Reise als neue Außenministerin führte sie nach Brüssel. Dazu meinte sie: „Ich habe bewusst Brüssel als Ziel meiner ersten Auslandsreise gewählt. Wir sind mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, die wir nur gemeinsam als Europäische Union bewältigen können.“ Im Zentrum des Besuchs stand ein Treffen mit der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas (ALDE-Fraktion). Mit der ehemaligen estnischen Premierministerin wurde der Krieg in der Ukraine besprochen. Kein Zufall also, dass Meinl-Reisinger als nächstes Land die Ukraine besuchte.

Obwohl es auf der offiziellen Seite des Außenministeriums hieß, dass die erste Auslandsreise der neuen Bundesministerin nach Brüssel ging, meinte Meinl-Reisinger selbst, dass nach Brüssel zu fahren keine Auslandsreise sei. Somit sieht sie selbst ihren Ukrainebesuch als erste Auslandsreise an. So oder so brach sie mit einer bewährten Nachkriegsusance, nämlich den Erstbesuch in die Schweiz. Die Schweiz selbst bezeichnete die sogenannte „Erstbesuchstradition“ als „Ausdruck der traditionell ausgezeichneten Beziehungen zwischen den beiden Ländern.“

Das ist Meinl-Reisinger offenbar einerlei. Lieber reist sie als Vertreterin eines neutralen Landes zuerst in eine Kriegsregion. Dass Meinl-Reisinger kein Schweiz-Fan ist, verwundert dabei nicht. Sie steht nämlich nicht nur mit unserer Neutralität, zu der wir uns ja nach Schweizer Vorbild verpflichtet haben, auf Kriegsfuß, sondern nimmt der Schweiz auch übel, dass sie nicht der Europäischen Union beigetreten ist. Für eine überzeugte EU-Zentralistin stellt die Schweiz ein Dorn im Fleisch, der Mitten im Kontinent der Europäischen Einigung im Weg steht, dar.

Mit Geschenken nach Kiew

Aber zurück in die Ukraine. Dort versicherte Meinl-Reisinger als Vertreterin des einzigen neutralen EU-Landes „volle Solidarität“. Wolodymyr Selenskyj zu treffen sei jedenfalls eine große Ehre für sie. Und der freute sich naturgemäß über den Besuch Meinl-Reisingers. Aber wohl weniger wegen der moralischen Unterstützung, sondern vielmehr über die finanziellen Zusagen, die Frau Außenministerin als Geschenk dabei hatte.

Zuvorderst kündigte Meinl-Reisinger an, weitere zwei Millionen Euro Österreichs für die Initiative „Grain from Ukraine“ bereit zu stellen. Zudem bestätigte sie die Auszahlung der im Herbst angekündigten fünf Millionen Euro für Entminungshilfen. Weiters versprach sie, dass Österreich seinen Beitrag zum Investitionsbedarf von 500 bis 700 Milliarden Euro zum Wiederaufbau des kriegsversehrten Landes leisten werde. Dazu kündigte sie an, dass die Bundesregierung einen Sonderbeauftragten für den Wiederaufbau in der Ukraine ernennen wolle. Außerdem forderte sie schon Anfang des Monats, dass russisches Vermögen der Ukraine zugute kommen soll. Dass dies rechtlich höchst umstritten ist, stört sie wenig. Die Moral siegt schließlich über alles.

Nicht überbewerten, nicht kleinreden

Aber nicht nur österreichisches Geld ist im Spiel. Auch österreichische Soldaten, stellte Meinl-Reisinger in Aussicht. Einer Beteiligung Österreichs an einer möglichen Friedenstruppe sagt sie zwar nicht explizit zu, lässt es allerdings bewusst offen. Man kann aber davon ausgehen, dass die EU-anbetenden NEOS voll auf Linie der Kommission sind. Verkündete doch gerade eben Manfred Weber (EVP): „Wir müssen unser Denken in Europa jetzt auf Kriegswirtschaft umstellen.“ Vom schuldenfinanzierten „Verteidigungsfonds“ bis hin zur Diskussion rund um die Entsendung von sogenannten „Friedenssoldaten“ in die Ukraine. Die NEOS und mit ihnen Beate Meinl-Reisinger marschieren im Gleichschritt mit. Da passt es perfekt ins Bild, dass die erste Auslandsreise der neuen Ministerin über Brüssel nach Kiew führte und sie den Ukraine-Botschafter Arad Benkö zu ihrem Kabinettschef machte.

Man darf den Besuch Meinl-Reisingers in der Ukraine aber nicht überbewerten, zumindest für das Weltgeschehen. Sowohl Selenskyj als auch Trump, Putin oder anderen Akteuren wird reichlich egal sein, was die österreichische Außenministerin einer Neun-Prozent-Partei zu sagen hat. Natürlich sind die österreichischen Millionen in Kiew gerne gesehen, aber ansonsten wird Österreich keine weitere Rolle spielen. Es gibt jedoch aus österreichischer Sicht durchaus Grund zur Besorgnis, wie Meinl-Reisinger mit Rückendeckung der „Zuckerl“-Koalition Österreich positionieren wird. Insofern darf der Besuch nämlich nicht kleingeredet werden. Die Antwort auf die Frage „quo vadis, Österreich?“ lässt sich vielleicht mit der bisherigen Politik Meinl-Reisingers erörtern.

Zweifel an liberaler Haltung

Die NEOS haben als Kleinpartei den Vorteil, auf Mehrheitsmeinungen pfeifen zu können. So etwa auf die österreichische Neutralität, von der immerhin 78 Prozent der Österreicher sagen, dass sie für deren Beibehaltung sind. Es gibt wenige Politikfelder, in denen man solch überwältigende Mehrheiten vorfindet. Die Frage nach Fortführung oder gar Verschärfung der Sanktionen gegen den Aggressor Russland bejahen inzwischen nur mehr 47 Prozent der Österreicher und damit die Minderheit. Auf solche Umfragen müssen die NEOS aber nichts geben. Es genügt ihnen, wenn sie die Stimmen jener bekommen, die etwa die Neutralität abgeschafft wissen wollen. Das ist selbstredend legitim. Dass sie allerdings als Außenministerin nun alle Österreicher vertritt, scheint bei Meinl-Reisinger noch nicht angekommen zu sein.

Sieht sie doch jene, die nicht ihrer Meinung sind, als „Volksverräter“. Auch wenn sie gerne beteuert, das nie gesagt zu haben, so lügt das Videoarchiv nicht. Auch ihre Aussagen während Corona lassen sehr an ihrer „liberalen Haltung“ zweifeln. Etwa, dass „die Impfpflicht mit der Freiheit begründbar“ sei. Immerhin stand sie noch in ihrer Zeit bei der Volkspartei als erste Stellvertreterin dem „Verein zur Förderung einer Zusammenarbeit zwischen der österreichischen Volkspartei und den österreichischen Grünen“ vor. Die Verbindungen aus jener Zeit könnten ihren Sprung in die Regierung erleichtert haben. Bundespräsident Alexander van der Bellen ist jedenfalls sehr gut auf sie zu sprechen.

Der Traum von den Vereinigten Staate von Europa

Beate Meinl-Reisinger, die noch 2022 an einem Bilderberger-Treffen teilnahm, findet jedenfalls, dass „die Neutralität nicht schützt“ und deshalb überwunden werden sollte. Vielmehr erträumt sie sich den NATO-Beitritt Österreichs oder gar eine eigene EU-Armee. Skyshield findet sie großartig und dass die EU – natürlich nur zur Abschreckung versteht sich – auch ein eigenes Atomwaffenarsenal braucht, ist selbstredend. Meinl-Reisinger ist also voll auf Linie der EU-Zentralisten, welche die Union aufgerüstet und kriegstauglich sehen wollen, und kann mit Österreich als neutralem Nationalstaat wohl nur wenig anfangen, was abschließend die Frage nach ihren Loyalitäten aufwirft.

Deutsch scheint Meinl-Reisinger mit Amtsantritt jedenfalls bereits verlernt zu haben. Auf X (vormals Twitter) beispielsweise kommuniziert sie fast nur mehr auf Englisch. Ihre Botschaften müssen vom einfachen Österreicher ja auch nicht verstanden werden. Deutsch soll in den Vereinigten Staaten von Europa ohnehin nur eine untergeordnete Regionalsprache sein. Der Kosmopolit, der etwas auf sich hält, spricht natürlich Englisch und nicht die Sprache des „Tätervolkes“. Festzuhalten ist, dass NEOS und vor allem mit Beate-Meinl Reisinger an der Spitze, die verfassungsfeindlichste Partei Österreichs ist. Sie treten offen für die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa ein, was die Auflösung der Republik bedeuten würde, und sie wollen sich der in der Verfassung verbrieften Neutralität entledigen. Man kann sich also zurecht fragen, wo die Loyalitäten der Pinken liegen, bei Österreich jedenfalls nicht.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Fabian Walch

Fabian Walch ist Gemeinderat der FPÖ Innsbruck. Der studierte Historiker ist zudem Obmann des Freiheitlichen Akademikerverbands Tirol.

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