Trump, die Neocons und die Rückabwicklung des globalistischen Interventionsprojekts

Donald Trump ist dabei, die neokonservative Interventionspolitik zurückzudrehen, meint Frank-Christian Hansel in seinem Kommentar für FREILICH. Damit biete der US-Präsident Europa auch die Chance auf sicherheitspolitische Autonomie.

9.3.2025
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Trump, die Neocons und die Rückabwicklung des globalistischen Interventionsprojekts
© IMAGO / ZUMA Press Wire

Seit Jahren wird Donald Trump von europäischen Mainstream-Politikern und Medien als Gefahr für den Westen dargestellt. Seine Kritik an der NATO, sein Streben nach einer diplomatischen Lösung in der Ukraine und seine Ablehnung globalistischer Projekte werden als Belege für eine Zerstörung der westlichen Wertegemeinschaft interpretiert. Doch diese Darstellung verkennt den eigentlichen Kern seines politischen Programms im Sinne auch des amerikanischen Steuerzahlers. Trump betreibt keine Demontage des Westens, sondern die Rückabwicklung eines neokonservativen Interventionsprojekts, das die USA und Europa in diverse Kriege verstrickt hat. Sein Ziel ist nicht Isolationismus, sondern eine pragmatische Neuausrichtung der US-Politik, die auch Europa eine historische Chance auf Souveränität bietet.

Die Neocons und ihr geopolitisches Projekt

Die neokonservative Bewegung hat die US-Außenpolitik seit den 1990er-Jahren geprägt. Ihr Ziel war die unangefochtene Hegemonie der USA, durchgesetzt durch gezielte militärische Interventionen und Regimewechsel. Die Wolfowitz-Doktrin von 1992 legte das strategische Ziel fest, jede geopolitische Konkurrenz im Keim zu ersticken. Das Project for the New American Century (PNAC) forderte eine aggressive Interventionspolitik, die ihren Ausdruck in den Kriegen im Irak, Afghanistan und Libyen fand. Besonders die Ukraine spielte dabei eine entscheidende Rolle. Seit 2014 wurde sie systematisch in den westlichen Einflussbereich integriert, der Maidan-Umsturz wurde, wie jetzt durch die Musk-Behörde veröffentlichte Dokumente belegen, aktiv unterstützt und das Land als geopolitischer Puffer gegen Russland positioniert. Diese Strategie ist Ausdruck des „Heartland“-Narrativs Halford Mackinders, das die Kontrolle über Osteuropa als Schlüssel zur globalen Vorherrschaft betrachtet.

Diese Politik der permanenten Expansion und militärischen Machtdemonstration brachte jedoch keine Stabilität, sondern langfristige Destabilisierung mit sich- und war übrigens alles andere als „regelbasiert“! Die Folgen der Kriege im Nahen Osten und der Konfrontationspolitik mit Russland waren für Europa erheblich: Migrationsbewegungen, wirtschaftliche Verwerfungen und eine zunehmende militärische Abhängigkeit von den USA.

Trump als Gegenmodell: „America First“ statt globaler Interventionismus

Trump stellte sich von Beginn an gegen diesen Kurs. Während seiner Amtszeit verhinderte er eine weitere militärische Großintervention, zog US-Truppen aus Konfliktgebieten zurück und setzte auf Verhandlungen statt Eskalation. Seine Kritik an der NATO wurde oft als Schwächung des westlichen Bündnisses dargestellt, dabei zielte sie darauf ab, Europa aus seiner sicherheitspolitischen Abhängigkeit von den USA zu lösen. Sein Ansatz war klar: Die Vereinigten Staaten sollten sich auf ihre nationalen Interessen konzentrieren, anstatt endlose Stellvertreterkriege für eine globale Ordnung zu führen, die vor allem den Neocons dient.

Besonders auffällig war und ist sein abweichender Kurs in der Ukrainefrage. Anders als das außenpolitische Establishment, das den Konflikt als geopolitische Gelegenheit betrachtete, wollte Trump bereits 2019 eine diplomatische Lösung anstreben. Er erkannte, dass der Krieg nicht durch Sanktionen oder Waffenlieferungen beendet werden kann, sondern durch Verhandlungen, in denen auch russische Sicherheitsinteressen berücksichtigt werden. Dies bedeutete jedoch eine direkte Herausforderung der neokonservativen Strategie.

Der Ukrainekrieg als Testfall für geopolitische Interessen

Der Ukrainekrieg ist in diesem Kontext nicht einfach eine spontane geopolitische Eskalation, sondern das Resultat der langjährigen Neocon-Strategie. Bereits 2008 sorgte die NATO-Erweiterung um Georgien und die Ukraine für massive Spannungen mit Russland. Der Maidan-Umsturz 2014 war nicht nur ein innerukrainisches Ereignis, sondern das Produkt westlicher Einflussnahme, das Russland als existentielle Bedrohung wahrnahm. Der Krieg ab 2022 – ohne dass das etwa als Rechtfertigung gelesen werden könne – war dann die logische Konsequenz eines Stellvertreterkonflikts, der sich über Jahre aufgebaut hatte. Trump erkennt diesen Hintergrund und will den Krieg beenden, nicht aus Sympathie für Putin, sondern weil er die Eskalation als strategische Sackgasse betrachtet.

Gerade hier zeigt sich der zentrale Konflikt zwischen Trump und dem transatlantischen Establishment. Diejenigen, die seit Jahrzehnten auf eine militärische Konfrontation mit Russland hingearbeitet haben, sehen Trump als Bedrohung ihrer geopolitischen Ordnung. Seine Diplomatie wird als Verrat gebrandmarkt, seine Friedensbemühungen als Schwäche ausgelegt. Nicht umsonst besteht er darauf, dass dieser Krieg sich nie hätte entfesseln lassen dürfen und unter seiner Ägide so nicht stattgefunden hätte. Dabei geht es nicht um Werte, sondern um handfeste wirtschaftliche und strategische Interessen. Der militärisch-industrielle Komplex profitiert von einem dauerhaften Konflikt, und Europa wird als geopolitischer Vasall in eine Lage manövriert, die seine Souveränität untergräbt.

Die deutsche Position: Gefangen im transatlantischen Narrativ?

Besonders Deutschland offenbart in dieser Debatte eine strategische Orientierungslosigkeit. Die politische Elite in Berlin, insbesondere die westdeutsch geprägten Transatlantiker, stellvertretend von Merz bis Gabriel, hält letztlich – ob sich dessen bewusst oder nicht – weiterhin an den Konzepten der Neocon-Ära fest und interpretiert die aktuellen geopolitischen Umbrüche nicht als Chance zur Neuausrichtung, sondern als Bedrohung. Anstatt Trumps Kurs als Möglichkeit zur Emanzipation Europas zu begreifen, klammert sich die deutsche Außenpolitik an überholte Bündnistreue und eine blinde Gefolgschaft gegenüber Washington.

Darum sucht die Trump-Administration mit Figuren wie Vivek Ramaswamy und Elon Musk jedoch folgerichtig gezielt den Dialog mit oppositionellen Kräften gegenüber den EU-globalistischen Stakeholdern in Europa, insbesondere mit souveränistischen Bewegungen wie der AfD oder Victor Orban. Während die etablierte deutsche Politik in der alten transatlantischen Denkweise verhaftet bleibt, erkennt die AfD die Notwendigkeit einer echten Zeitenwende: Weg von militärischer Abhängigkeit und geopolitischer Fremdsteuerung, hin zu einer eigenständigen europäischen Sicherheits- und Wirtschaftspolitik.

Die geopolitische Chance für Europa: Emanzipation oder Vasallentreue?

Doch genau hier liegt die Chance. Trump zerstört nicht den Westen, sondern gibt Europa die Möglichkeit, sich aus der sicherheitspolitischen Bevormundung der USA zu lösen. Wenn die USA sich aus ihrer Rolle als globale Schutzmacht zurückziehen, bedeutet das nicht den Zusammenbruch des Westens, sondern die Notwendigkeit einer echten europäischen Eigenverantwortung. Europa könnte eine eigenständige Sicherheitspolitik entwickeln, statt sich weiterhin bedingungslos der US-Doktrin unterzuordnen.

Diese Emanzipation hätte mehrere Vorteile:

  • Mehr strategische Autonomie: Europa könnte eine eigene Verteidigungspolitik entwickeln, ohne permanent auf Washingtons Zustimmung angewiesen zu sein.

  • Diplomatische Vermittlerrolle: Ein unabhängiges Europa könnte zwischen den USA, Russland und China vermitteln, anstatt sich einseitig in geopolitische Konfrontationen hineinziehen zu lassen.

  • Wirtschaftliche Interessen vor Ideologie: Europa könnte eine pragmatische Wirtschaftspolitik verfolgen, die nicht durch Sanktionen und Handelskriege mit großen Akteuren wie China und Russland unterminiert wird.

Stattdessen verharren viele europäische Regierungen in einem Zustand der Vasallentreue, in dem jede strategische Eigeninitiative im Keim erstickt wird. Das zeigt sich besonders in der Ukrainefrage: Während Washington über ein mögliches Ende des Krieges verhandelt, fordern europäische Eliten weiterhin eine Eskalation um jeden Preis. Diese Kurzsichtigkeit könnte sich als fatal erweisen, wenn die USA tatsächlich einen Rückzug einleiten und Europa mit den Konsequenzen seiner eigenen Abhängigkeit konfrontiert wird.

Fazit: Trump als Korrektiv der Weltordnung

Trump beendet nicht den Westen – er gibt Europa die Gelegenheit, endlich eine eigene geopolitische Identität zu entwickeln. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob Europa die Zeichen der Zeit erkennt oder weiterhin in alten Abhängigkeitsstrukturen verharrt. Gleiches gilt unmittelbar auch für Deutschland, egal, wer künftig hier regiert.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Frank-Christian Hansel

Frank-Christian Hansel, Jahrgang 1964, ist seit 2016 für die AfD Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Der gebürtige Hesse studierte Politische Wissenschaften, Philosophie und Lateinamerikanistik.

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