Der neue Tatort: Softporno gegen Rechts?
„Warum liegt hier überhaupt Stroh rum?“ – „Und warum hast du ne Maske auf?“ – „Na, dann blas mir doch einen?“ So oder so ähnlich könnte man die Handlung des neuesten Tatortes auch zusammenfassen, wenn man das Politikum außer Acht lassen würde.
Kommentar von Tino Taffanek
Das fortwährende Geturtel sämtlicher Haupt- und Nebenfiguren inklusive lesbischer Professorin-Studentin-Beziehung, spätabendlichen Dates bei Rotwein zwischen Ermittlerin und Verdächtiger und einem Liebesdreieck im Polizeikommissariat legen den Eindruck nahe, dass es sich bei dieser Produktion, nicht wie oft kolportiert um einen ausgeklügelten ideologischen Indoktrinationsversuch des linksliberalen Establishments handelt, sondern um den ganz privaten Schmuddelfilm der Drehbauchautoren, die ihre feuchten Träume auf die Mattscheiben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gebannt sehen wollten.
Gesellschaftlicher Voyeurismus bis zum Höhepunkt
Als gewissenhafter Filmkritiker sehe ich mich dennoch gezwungen, die zahlreichen erzählerischen Tricks und Kniffe zu würdigen, mit denen die Handlung zum Höhepunkt getrieben wird. Dieser Höhepunkt ist wie die Ejakulation in einem echten Pornofilm genauso vorhersehbar wie unvermeidlich. Und zwar, dass die Rechten die Bösen, die Bösen die Rechten und natürlich auch für den Mörder in ihren Reihen verantwortlich sind.
Fangen wir mit dem offensichtlichsten Trick an. Dem Nachbau der Identitären Bewegung, die der Tatort nicht zum ersten Mal betreibt. Und die sich diesmal, mit dem klingenden Namen Junge Bewegung, von einigen Scherzbolden getrieben, noch vor Ausstrahlung des Tatorts verselbstständigt hat. Auch die Figuren des zerfahrenen Alt-68ers und der lesbischen Rechtsliberalen, können als gelungene Abbildungen der gesellschaftlichen Realität betrachtet werden.
Linke und farbige Hausfreunde retten den Akt?
Um die Balance zu wahren gibt es natürlich auch einen linken Gewalttäter. Hier passierte den Drehbuchautoren aber ein kleiner Ausrutscher. Der Linke wirft nicht wie in der Realität eiskalt Steine von einem Hausdach auf friedliche Demonstranten oder greift systematisch Büros von missliebigen Politikern an. Nein er sticht aus hehren Zielen und nur von seinen Gefühlen geleitet zu und wird als sympathischer Wuschelkopf porträtiert.
Die taffe schwarze Ermittlerin ist jedoch wieder ein Gustostück der Filmkunst. In den Vernehmungen bleibt sie stets cool und gelassen. Einer der Rechten wird, obwohl er mit dem Mord nichts zu tun hat, unglaublich emotional und wünscht die Ermittlerin mit einem schmissigem „Afrika braucht dich“ in ihre augenscheinliche Heimat zurück. Nach so einem Anschlag auf ihre Identität als Afrodeutsche darf auch die stärkste Frau einmal Gefühle zeigen.
Ein Fehlgriff in allen Stellungen
Das Sahnehäubchen ist jedoch zweifellos die Aussteigerin aus der rechten Szene, die mit dem linken Wuschelkopf ins Ausland durchbrennen wollte. Soweit kam es aber nicht. Ihr heimlicher Verehrer und Anführer der Jungen Bewegung konnte wohl weder den Korb noch den Ausstieg aus der Bewegung verwinden und beging deshalb den Mord an ihr. Ein klassisches Eifersuchtsmotiv.
Praktischerweise spielt es sich in der rechten Szene ab und so konnte man ihrem patriarchalischen Gesellschaftsbild geschickt die Schuld zuschanzen. Ein erzählerischer Kunstgriff erster Klasse, der den vorhersehbaren Höhepunkt nicht nur abrundet, sondern ihm auch noch einen schalen Beigeschmack verleiht.