Graz: Urteil im Dschihadistenprozess für heute erwartet
Heute Abend dürfte in Graz ein Urteil im Prozess gegen mehrere mutmaßliche Dschihadisten fallen.
Graz. – Am Mittwoch dürfte im Grazer Straflandesgericht der Prozess gegen elf mutmaßliche Dschihadisten, der im November 2019 begonnen hatte zu Ende gehen. Die Angeklagten, darunter drei Frauen, müssen sich wegen der Verbrechen der terroristischen Vereinigung, der kriminellen Organisation und der staatsfeindlichen Verbindung verantworten. Mit einem Urteil der Geschworenen wird nich vor dem späten Abend gerechnet.
IS prägend für Grazer Verein
Am Dienstag war noch einmal der Islamismusexperte Guido Steinberg, der bereits im November 2019 seine Einschätzung der Schriften und Predigten der Beschuldigten dargelegt hatte, am Wort. Der Ankläger hatte den Erstangeklagten jedenfalls als Takfiristen bezeichnet – diese Gruppe bezeichne sich als „die einzig wahren Muslime. Sie halten selbst Dschihadisten für ungläubig“, so der Gutachter. Der Staatsanwalt prangerte anschließend in seinem Schlussplädoyer einmal mehr die „faschistische Ideologie des IS“ an. Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sei auch prägend für den Grazer Taqwa-Verein gewesen. „Ein weltweites Kalifat, basierend auf der Scharia, war auch Ziel des Taqwa-Vereins“, sagte der Ankläger.
„Brauchen wir diesen ideologischen Mist?“
„Islamistische Zellen in Österreich“ wie der Taqwa-Verein hätten auf Kinder eingewirkt: „Sie bekommen hier eine Ideologie vermittelt, die sie zu Terroristen macht“, war der Staatsanwalt überzeugt. „Wenn Kinder in die Fänge solcher Leute kommen, sind sie machtlos“, verwies er auf jene Eltern, die als Zeugen vor Gericht mehrfach angegeben hatten, nichts über den Verbleib ihrer Söhne zu wissen. Im Verein sei es nur darum gegangen, „Kinder für den Krieg zu erziehen“, ist sich der Staatsanwalt sicher. Es sei nie ein normaler Glaubensverein gewesen. Dort sei „faschistische Ideologie des IS verbreitet“ worden. „Brauchen wir diesen ideologischen Mist?“, fragte der Staatsanwalt.
Urteil am Abend erwartet
Der Verteidiger des angeklagten Predigers übte am Mittwoch in seinem Plädoyer scharfe Kritik an Anklage und Schlussplädoyer des Staatsanwalts, die er „Demagogie“ nannte. Die Fakten der Anklage ließ er großteils nicht gelten. Sein Resümee des Beweisverfahrens: „Alle Vorwürfe haben sich in keiner Weise verdichtet.“ Der Erstangeklagte habe nie in der Taqwa-Moschee gepredigt und habe keinen Einfluss auf diesen Grazer Glaubensverein genommen. Auch der zweite Verteidiger betonte: „Die Anklage ist eine Hypothese“. Seiner Meinung nach hätten sich die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft nicht belegen lassen. Der dritte Verteidiger schlug in dieselbe Kerbe: „Der Staatsanwaltschaft ist der Schuldbeweis nicht gelungen“.
Mit einem Urteil wird nicht vor dem späten Abend gerechnet, weil die Beratungen länger dauern dürften. Die Geschworenen müssen über elf Angeklagte entscheiden.