Habeck und das „Rollkommando“: Wer Nazi ist, bestimme immer noch ich!

Wenn Björn Höcke „alles für Deutschland“ sagt, dann ist er ein Nazi. Doch wenn Robert Habeck die Polizei mit „Rollkommandos“ aus der NS-Zeit vergleicht, dann ist das in Ordnung. In seinem Kommentar für FREILICH erklärt Julian Marius Plutz die Logik dahinter.

Kommentar von
20.6.2023
/
3 Minuten Lesezeit
Habeck und das „Rollkommando“: Wer Nazi ist, bestimme immer noch ich!

Julian Marius Plutz

Wie oft haben Sie den Satz: „Aus Worte werden Taten“ gehört und gelesen? Ich kann es nicht mehr zählen. Meist geht es um die AfD, die mal wieder „den Raum des Sagbaren verlassen hat.“ Gut, ich weiß zwar nicht, wo der „Raum des Sagbaren“ zu finden ist, vielleicht in der Nähe des Bernsteinzimmers, aber das ist auch gar nicht so wichtig. Denn was sagbar ist, bestimme immer noch ich!

Gerade der letzte Satz ist nicht nur problematisch, sondern macht mich auch zum Nazi. Denn diesen wird Joseph Goebbels zugeschrieben, der einst gesagt haben soll: „Wer Jude ist und wer nicht – bestimme immer noch ich!“. Dadurch bin ich leider ein waschechter Nationalsozialist. Denn aus Worte werden ja Taten. Das heißt, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis ich mir eine braune Uniform überstreife, um nach Dachau zu fahren, um ... Naja, Sie wissen schon.

Das Nazometer springt an

Manchmal geht es fürchterlich schnell. So hat Björn Höcke in einer Rede es gewagt, die drei Worte „Alles für Deutschland“ zu sagen. Diese Unverzeihlichkeit bemerkte der geschichtlich bewanderte Grünen-Chef von Sachsen-Anhalt, Sebastian Striegel, und zeigte den AfD-Politiker an. Denn bei diesem Satz handelt es sich, wie wir alle wissen, um den Leitspruch der Sturmabteilung (SA) in der Zeit des Nationalsozialismus. Wie, wussten Sie nicht? Dann sind Sie leider auch noch ein ungebildeter Nazi.

Dieser handfeste Skandal wird Ihnen von den Grünen präsentiert. Spätestens mit dieser Aussage ist Björn Höcke endgültig zum Super-Nazi aufgestiegen. Heutzutage muss man aber auch aufpassen. So kann der Satz eines Abteilungsleiters: „In meiner Abteilung braucht sich ein Sturm zusammen!“ ihn bereits zum Nazi machen. Auch der in letzter Zeit recht frequentierte Satz „Meine Gasrechnung ist sehr hoch!“ macht den Sprecher damit zum Nazi. In der ersten Folge haben Schmidt & Pocher hierfür das passende Gerät präsentiert: Das Nazometer. Dieses Wunderwerk der Technik nutzen nun die Grünen.

„Rollkommando“ von Habeck ist in Ordnung

Wobei, auch hier gilt der altbekannte Satz von Juristen: „Es kommt drauf an.“ Ja, nämlich, wer die Naziwörter sagt. Wenn Björn Höcke sich der vermeintlichen NS-Vokabeln bedient, dann ist er natürlich auch ein NS-Sympathisant. Gleiches gilt für den Abteilungsleiter Heiner Frentzen, zumal dieser eh schon mit kernig-rechten Sprüchen aufgefallen ist. Ganz anders verhält es sich, wenn diese Vokabeln die guten Menschen benutzen. Einer dieser schöpferischen Wunder in Sachen Moral und Anstand ist Robert Habeck.

So sagte der Wirtschaftsminister am 14. Juni 2023 bei einer Veranstaltung des Bundes Umwelt und Naturschutz: „Die Kriminalisierung, wie sie es genannt haben, also Rollkommandos brechen in Wohnungen von Aktivisten ein, das ist natürlich völlig absurd.“. Mit „Rollkommandos“ meint Habeck allen ernstes die von ordentlichen Gerichten angeordneten Durchsuchen in Wohnungen und Büros der Klimaterroristen der „Letzten Generation“.

„Hitler hat auch 'Guten Morgen' gesagt! – Aber das brauchen wir ja noch“

Nun ist es so, dass man mit Rollkommandos die Schlägertruppen der SA und der SS bezeichnet hat, die systematisch die Bevölkerung unterdrückten. Das heißt, „Rollkommando“ ist ein Naziwort und macht jeden, der es sagt, zum Nazi. Außer, wenn es ein Grüner sagt. Da hat Robert Habeck Glück gehabt. Man stelle sich vor, Björn Höcke hätte das gesagt! Hat er aber nicht, dafür „Alles für Deutschland!“. Und wieder schlägt das Nazometer an.

Mein lieber Bekannter, der Comedian Kay Ray, meinte hierzu einmal: „Lügenpresse darf man nicht sagen, weil das ja auch Adolf Hitler gesagt hat. Wer Lügenpresse sagt ist selber ein Nazi. Adolf Hitler hat bestimmt auch einmal 'Guten Morgen' gesagt, aber das brauchen wir ja noch.“ Diese Überspitzung zeigt ganz klar die intellektuelle Einfältigkeit derer, die sich wieder einmal als Sittenwächter einer politischen Korrektheit aufspielen, die in Wahrheit zensorisch, machtgeil und unfrei ist.

Ich bin doch kein Nazi

Neben Gasrechnung sind nun auch die Worte „Autobahnen“, weil die hat ja Hitler gebaut, „blond“, weil der Hund „Blondie“ hieß, „braun“, weil er aus „Braunau“ kam, „Wolf“, wegen der „Wolfsschanze“, „Schrank“, weil Himmler einen Schrank hatte und viele Dinge mehr leider verboten. Vielleicht bringen die Grünen demnächst einen Führer, ich meine natürlich ein Handbuch, heraus, damit sich die Menschen, die nicht links sind, orientieren können, was man sagen darf und was nicht. Es ist aber auch eine komplizierte Angelegenheit.

Wenigstens bin ich noch einmal davongekommen. Denn der Satz „Wer Jud’ ist, bestimme immer noch ich“ stammt gar nicht von Joseph Goebbels, sondern vom ehemaligen Bürgermeister von Wien, Karl Lueger. Und der war, gottlob, kein Nazi, sondern Mitglieder der christlichsozialen Partei (CS). Zwar war der Politiker ein lupenreiner Judenhasser, aber immerhin eben kein Nationalsozialist. Welch Glück!


 Zur Person:

Julian Marius Plutz, 1987 geboren, ist freier Journalist und schreibt unter anderem für die Achse des Guten, TheGermanZ und die Jüdische Rundschau.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
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