Identitäre als Ungeziefer: Kritik an umstrittener OÖN-Karikatur

Mit einer streitbaren Karikatur äußerte sich ein Cartoonist der Oberösterreichischen Nachrichten (OÖN) zum gegenwärtigen Vorgehen gegen die Identitäre Bewegung (IBÖ) im Bundesland.
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Identitäre als Ungeziefer: Kritik an umstrittener OÖN-Karikatur

Symbolbild IB-Fahnen: ehem. Facebook-Seite „Identitäre Bewegung Österreich“ / Screenshot Karikatur: Twitter / Collage: Die Tagesstimme.

Mit einer streitbaren Karikatur äußerte sich ein Cartoonist der Oberösterreichischen Nachrichten (OÖN) zum gegenwärtigen Vorgehen gegen die Identitäre Bewegung (IBÖ) im Bundesland.

Linz. – Das Sujet spielt darauf an, dass Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) neuerlich den Landessicherheitsrat wegen der patriotischen Protestbewegung einberufen ließ. Grund dafür – ihre federführende Beteiligung bei der geplanten Einrichtung eines patriotischen Zentrums in Linz. Stelzer äußerte bereits in der Vorwoche, „alle rechtlichen Möglichkeiten“ zu prüfen, da Identitäre „in einem weltoffenen Land wie Oberösterreich nicht willkommen“ seien – Die Tagesstimme berichtete.

Identitäre als mit Giftgas zu bekämpfendes Ungeziefer

Die Karikatur stellt den Landesvater als Kammerjäger in Schutzkleidung dar, an seinem ABC-Anzug befinden sich zahlreiche Giftgas-Flaschen. Er sprüht damit ganz offensichtlich auf erkenntlich identitäres ‚Ungeziefer‘ – welches daraufhin zu Boden fällt.

Verantwortlich für die Zeichnung ist ein freischaffender Cartoonist, der bereits für zahlreiche österreichische Zeitungen provokantes Bildmaterial lieferte. Das Bild erschien in der montäglichen Printausgabe sowie bereits am Sonntagabend in sozialen Medien.

Sogar linke Portale kritisieren Vergleich scharf

Menschen als Ungeziefer, die man mit Giftgas bekämpft – diese Bildsprache erinnert die Menschen unweigerlich an totalitäre Systeme des 20. Jahrhunderts. Sogar für die den Identitären gegenüber außerordentlich kritische Plattform FPÖ Fails ging dieser Vergleich dementsprechend zu weit – freilich nicht ohne die Identitären als vermeintliche „Rassistenbande“ verbal anzugreifen.

Einen ähnlichen Tenor schlug das linke Portal Stoppt die Rechten des ehemaligen Grünen-Nationalratsabgeordneten Karl Öllinger an. Dort hält man die Grafik für „sehr, sehr übel“. Man solle keinen Menschen als Ungeziefer darstellen oder bezeichnen. Dies gelte auch für eine Vernichtung mit Gift – „auch nicht im Spaß“.

OÖN entschuldigt sich für Karikatur

Am Dienstagmorgen reagierten schließlich auch die Oberösterreichischen Nachrichten in ihrer Printausgabe mit einer Klarstellung der Chefredaktion. Die abgebildete Zeichnung entspräche „nicht den Prinzipien der OÖN“ und „hätte daher nicht veröffentlicht werden dürfen“. Man bedauert das Versagen seiner „redaktionellen Sicherungsmaßnahmen“ und möchte sich entschuldigen.

Mit seinem Cartoonisten habe man „ein klärendes Gespräch“ gesucht, in welchem man ihm dargestellt habe, „was Karikatur darf und was nicht“. Trotz dieser Klarstellung war das umstrittene Sujet allerdings auch am Dienstagnachmittag (Stand: 15.00 Uhr) auf Facebook und Twitter noch verfügbar – ohne eine entsprechende Distanzierung. Unter beiden Beiträgen entzündete sich auch darüber eine rege Debatte. Erst um etwa 18 Uhr distanzierte man sich auch dort.

Wirbel um „Like“ von SPÖ-Gemeinderätin

Apropos Twitter: Für Aufregung bei Roland Moritz, Landesleiter der oberösterreichischen Identitären, sorgte dort unterdessen, dass ausgerechnet eine Historikerin diesen Beitrag mit „Gefällt mir“ markierte. Bei dieser soll es sich um eine SPÖ-Gemeinderätin aus Haslach an der Mühl handeln.

Die AHS-Lehrerin veranstaltete in der Vergangenheit zahlreiche Themenabende und Vorträge zur Erinnerung an die Verbrechen des Dritten Reichs in Oberösterreich. Nach eigenen Aussagen veranstaltet sie auch Führungen in der Gedächtnisstätte Mauthausen. Der SPÖ-Bürgermeister von Haslach, Bundesrat Dominik Reisinger, gab auf telefonische Anfrage der Tagesstimme an, die Karikatur und den Sachverhalt nicht genau zu kennen, und wollte daher vorerst nicht abschließend Stellung beziehen.

Bislang keine Stellungnahme von Stelzer

Manche Leute fühlen sich an die Aufregung rund um das Braunauer „Rattengedicht“ im April erinnert. Damals schrieb ein FPÖ-Vizebürgermeister seine Gedanken über die Veränderungen in der Stadt aus Sicht einer Stadtratte – naturgemäß waren alle übrigen Protagonisten ebenfalls Tiere. Am Ende stand der Rücktritt des blauen Politikers von allen Ämtern.

Landeshauptmann Stelzer bezeichnete jenes Machwerk dennoch binnen Stunden als „widerlich“, forderte umgehend Konsequenzen. Im Fall der Karikatur bleibt eine schriftliche Anfrage der Tagesstimme an den Landeshauptmann sowie seinen Pressesprecher trotz telefonischer Nachfrage auch am Folgetag zur Stunde unbeantwortet.

Lepuschitz: „Wie ist Euer eigener Morallevel?“

Überhaupt halten sich die Reaktionen aus der Politik bislang stark in Grenzen. Bislang sind kaum Stellungnahmen eines hochrangigen Politikers in Land oder Bund bekannt. Einzig die Salzburger FPÖ-Chefin Marlene Svazek äußerte sich auf Twitter kritisch:

Und auch Heimo Lepuschitz, einst Medienkoordinator der FPÖ-Regierungsmannschaft in der vor wenigen Wochen aufgelösten türkis-blauen Koalition, hinterfragte ein allfälliges Messen mit zweierlei Maß.


Weiterlesen:

„Nicht willkommen”: Stelzer will patriotisches Zentrum in Linz verhindern (28.6.2019)

Gute Ratten, schlechte Ratten: Österreich als groteske Seifenoper (Kolumne, 24.4.2019)


Aktualisierung (3.7.2019 14:39): In unserem ursprünglichen Artikel behaupteten wir, dass es keine Stellungnahme eines Spitzenpolitikers gäbe. Tatsächlich gab es bereits Kritik der Salzburger FPÖ-Chefin Marlene Svazek, Außerdem haben die OÖN nach Publikation unseres Artikels auch auf sozialen Medien entsprechende Maßnahmen gezogen – wir haben unsere Berichterstattung nachträglich an diese Neuerungen angepasst.

Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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