Importierter Konflikt: Wie Antifa und PKK zusammenarbeiten
Seit Jahrzehnten kämpft die kurdische Untergrundorganisation PKK gegen den türkischen Staat. Unterstützung erhält sie dabei auch aus Europa – vor allem aus der linken Szene.
Vor etwas mehr als zwei Wochen ereignete sich in der türkischen Hauptstadt Ankara in der Nähe des Parlaments ein Terroranschlag. Nach Regierungsangaben versuchten zwei mit Gewehren bewaffnete Männer erfolglos, in das Innenministerium einzudringen. Einer der beiden habe sich daraufhin in die Luft gesprengt, der andere Angreifer sei von Wachleuten erschossen worden. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete den Angriff als „letztes Zucken des Terrorismus“. Medienberichten zufolge bekannte sich die HPG, der militärische Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, zu dem Selbstmordanschlag. Die Aktion sei genau nach Plan verlaufen und eine Reaktion auf das Vorgehen der Türkei in den Kurdengebieten, zitierte die PKK-nahe Nachrichtenagentur ANF aus einem mutmaßlichen Bekennerschreiben.
Der Konflikt zwischen der Türkei und militanten kurdischen Gruppen besteht bereits seit mehreren Jahrzehnten und hat bisher mehrere zehntausend Opfer gefordert. Die sozialistische PKK wurde 1978 als Reaktion auf die kurdenfeindliche Politik der türkischen Regierung gegründet und hat sich ursprünglich dem Kampf einen unabhängigen kurdischen Staat verschrieben. Mittlerweile fordert sie offiziell aber nur noch einen Autonomie unter Wahrung bestehender Staatsgrenzen. Die türkische Regierung sieht in der PKK hingegen eine terroristische Gefahr für die nationale Sicherheit und Einheit. Die Kurdenorganisation unterhält auch Schwesterorganisationen bzw. Ableger in Syrien, im Irak und im Iran. Als Dachorganisation fungiert die „Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans“ (Koma Civakên Kurdistan, kurz: KCK), deren Kommandozentrale sich im im Kandil-Gebirge im Nordosten des Irak befindet. Die PKK wird von der Türkei, den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft.
Der Konflikt reicht bis nach Europa
Da in den letzten Jahrzehnten viele Türken und Kurden in verschiedene europäische Länder ausgewandert sind, hat sich der Konflikt auch ins Ausland verlagert. Auch hierzulande gibt es deshalb immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Türken und Kurden (wobei auch türkische Kommunisten häufig auf der Seite der PKK stehen). Zwei Beispiele: 2019 kam es in Herne (Nordrhein-Westfalen) zunächst zu Ausschreitungen bei einer Demonstration, wenige Tage später prügelten sich 60 Türken und Kurden und setzten dabei laut Polizei auch Knüppel und Latten ein. Im Juni 2020 sorgten in Österreich Krawalle in Wien-Favoriten für mediales Aufsehen. Damals trafen Sympathisanten der türkisch-nationalistischen Grauen Wölfe und Anhänger der türkischen Regierungspartei AKP auf linke Kurden und österreichische Antifa-Aktivisten und lieferten sich an mehreren Tagen Straßenschlachten. Neben handfesten Auseinandersetzungen auf der Straße kommt es in diesem Konflikt auch immer wieder zu Sachbeschädigungen auf türkische und kurdische Einrichtungen. Ein weiteres Beispiel: Im Vorjahr verübten mutmaßliche PKK-Anhänger einen Anschlag auf die Zentrale der Türkisch-Islamischen Union (ATIB) in Wien. Auf Bildern einer Überwachungskamera ist zu sehen, wie zwei vermummte Männer mit einem Notfallhammer zehn Fensterscheiben einschlagen und die Aktion mit einem Handy filmen. Laut einem Bericht des türkischen Fernsehsenders TRT schmierten die Täter auch die Schriftzüge „PKK“ und „YPS“ (Jugendgruppe der PKK) an die Wände.
Linksextremisten verüben brutale Anschläge auf politische Gegner. Trotzdem wird das Problem in der öffentlichen Debatte noch immer verharmlost. In dieser FREILICH-Ausgabe zeigen wir, wie sich die Antifa-Szene radikalisiert und wie groß die Gefahr wirklich ist, die von ihr ausgeht.
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Während die PKK und befreundete kommunistische Organisationen in der Türkei und Syrien den bewaffneten Kampf führen, widmen sich die Unterstützer in Europa ansonsten vor allem der politischen Agitation, der Organisation von Veranstaltungen/Demonstrationen, der Mitgliederwerbung und dem Sammeln von Spenden. Vor allem in Deutschland gab es in den vergangenen Jahren zahlreiche Verfahren gegen mutmaßliche PKK-Mitglieder. Aktuell läuft ein Prozess gegen den mutmaßlichen PKK-Kader Abdullah Ö. Laut Anklage soll er Propagandaveranstaltungen organisiert und zwischen Juni 2020 und April 2021 mehr als 900.000 Euro an Spendengeldern für die PKK gesammelt haben. Laut Europol arbeitet der PKK-Apparat in Europa „hauptsächlich unter dem Deckmantel legal anerkannter Organisationen, wie kurdischer Vereinigungen“. Allerdings versucht die PKK, auch auf illegale Weise an Gelder zu kommen: Europol nennt hier unter anderem Erpressung und organisierte Kriminalität.
PKK und linke Szene
Aufgrund der ideologischen Nähe kooperieren viele linke Gruppen mit PKK-nahen kurdischen Organisationen oder solidarisieren sich öffentlich mit ihnen (mehr dazu hier). So fordern linke Gruppen regelmäßig die Aufhebung des PKK-Verbots und organisieren gemeinsame Veranstaltungen (von Vortragsabenden bis zu Demonstrationen). Bei den Kurden- und Antifa-Protesten ist auch die „Antifa Enternasyonal“-Fahne mittlerweile ein fester Bestandteil. Die Fahne ist eine Abwandlung der kurdischen KCK-Fahne. Nur statt des roten Sterns in der Mitte prangt auf dieser Fahne (wohl auch aus rechtlichen Gründen) das Logo der linksextremen Antifa. Vor allem die autonome Kurdenregion Rojava in Nordostsyrien erfreut sich in der linken Szene großer Beliebtheit. Hier träumen europäische Linke vom Aufbau einer sozialistischen und feministischen Gesellschaft.
Interessant ist die Zusammenarbeit zwischen Antifa-Szene und PKK auch deshalb, weil es eine bisher kaum wahrgenommene Rotation von Antifa-Aktivisten in die Kampfeinheiten der Kurdenmiliz YPG gibt. Dort lernen sie den Umgang mit Waffen und Sprengstoff und werden an der Front eingesetzt. Von deutschen Linksextremisten ist bekannt, dass sie dabei sind. Laut Bericht der Welt war zum Beispiel Thomas J., ein mutmaßliches Mitglied der linksextremen „Hammerbande“, zwischenzeitlich nach Nordsyrien ausgereist, um sich der YPG anzuschließen. Dort soll er als Scharfschütze trainiert und eingesetzt worden sein. Im Zuge der Ermittlungen gegen die „Hammerbande“, die bisher zahlreiche brutale Angriffe auf politische Gegner verübt hat, tauchte J. unter, die Polizei fahndet nach ihm.
Nach Angaben des deutschen Verfassungsschutzes sind seit 2013 rund 295 Personen in die kurdischen Kampfgebiete ausgereist. 150 kehrten nach Deutschland zurück, mindestens 30 starben. Die meisten von ihnen rechnet der Verfassungsschutz dem linksextremen Spektrum zu. Ob auch österreichische Linksextremisten nach Rojava ausgereist sind, ist nicht bekannt. Unklar ist auch, ob und wie viele Kurden als Untergrundkämpfer zwischen Österreich und der Türkei bzw. Nordsyrien pendeln – und ob die heimischen Sicherheitsbehörden sie im Blick haben.
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