Inside „Reconquista Internet“: Die Heuchelei der Gutmenschen

Die von Jan Böhmermann ins Leben gerufene Aktion Reconquista Internet wurde schon vielfach für ihre Blocklisten kritisiert. Außerdem fiel sie durch das wahllose Spammen von Herzen und Liebesbekundungen auf. Sie geben sich nach außen betont demokratisch, unpolitisch und meinungsoffen, während intern streng hierarchisch organisiert gegen die AfD geschossen und Kritiker dieser Aktionen ausgeschlossen werden.
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28.5.2018
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5 Minuten Lesezeit
Inside „Reconquista Internet“: Die Heuchelei der Gutmenschen

Die Initiative von ZDF-Haussatiriker Jan Böhmermann wird vom Establishment teilweise frenetisch gefeiert, hier auf der wichtigen Digitalmesse re:publica in Berlin. Symbolbild: Jan Michalko / re: publica via Twitter [CC BY-SA 2.0]

Die von Jan Böhmermann ins Leben gerufene Aktion Reconquista Internet wurde schon vielfach für ihre Blocklisten kritisiert. Außerdem fiel sie durch das wahllose Spammen von Herzen und Liebesbekundungen auf. Sie geben sich nach außen betont demokratisch, unpolitisch und meinungsoffen, während intern streng hierarchisch organisiert gegen die AfD geschossen und Kritiker dieser Aktionen ausgeschlossen werden.

Ein Kommentar von Martin Mair

Erste Berichte über den rechten Server Reconquista Germanica und dessen Struktur und vorgehen wurden beim Faktenfinder veröffentlicht. Dann erschien Ende April nach groß angelegter Recherche auf dem YouTube-Kanal von Rayk Anders die Dokumentation „Lösch dich! So organisiert ist der Hate im Netz“.

In der Sendung „Neo Magazin Royale“ kündigte Jan Böhmermann anschließend an, eine Gegenbewegung zu Reconquista Germanica zu gründen. Er wollte nach eigener Aussage dem Hass im Netz mit Liebe und Verständnis begegnen.

Interne Struktur

Das Ergebnis hingegen war, dass zunächst auf allen sozialen Netzwerken haufenweise Accounts und Fake-Accounts erstellt wurden, die patriotische Artikel, Videos, Kommentare und Tweets mit Herzen und „Liebe“ belästigten sowie Videos „downvoteten“. Obwohl Fake-Accounts gegen die Regeln der meisten Communitys verstoßen, werden intern auf Reconquista Internet Anleitungen erstellt und verbreitet, wie man das tut und verwaltet. Man macht also genau das, was man zunächst der anderen Seite vorgeworfen hat, aber diesmal sind es eben die „Guten“.

Screenshot aus dem internen Leitfaden

Screenshot aus dem internen Discord: Hier fordert Jan Böhmermann selbst dazu auf mehrere Twitteraccounts zu nutzen.

Intern sieht die Struktur folgendermaßen aus: Es gibt mittlerweile unterschiedliche AGs, die sich um verschiedene Bereiche des Internets kümmern: Facebook, Twitter, YouTube, Twitch und eine Security AG. Innerhalb dieser AGs werden unter anderem koordinierte Aktionen auf den jeweiligen Plattformen geplant und ausgeführt.

Reconquista-„Flauschangriffe“ gegen rechts

Außerdem gibt es die sogenannten „Flauschangriffe“: Dort geben Jan Böhmermann und seine Admins Aufgaben, mit denen die anderen dann in den sozialen Netzwerken agieren. Zum Beispiel gab es zum Eurovision Song Contest die folgende Aufgabe:

Dabei versuchte man unter anderem, den Hashtag #DefendEurope zu kapern, welcher landläufig eher mit den aufsehenerregenden Kampagnen der Identitären Bewegung im Mittelmeer und den Alpen verbunden wird. Beim „Kapern“ eines Hashtags geht es darum, diesen so zu beeinflussen, dass bei einer Suche nach den entsprechenden Themen dem Nutzer die entsprechenden Tweets zuerst angezeigt werden.

Weitere „Flauschangriffe“ berichteten von realen Aktionen, die auch wieder nur vom Adminteam durchgeführt und dem Rest dann zur Verbreitung vorgeworfen wurden. Zum Beispiel stellten sie vor der AfD-Zentrale Eisblöcke mit dem ausgedruckten Grundgesetz ab. Damit suggerierten sie, dass die AfD ein unterkühltes Verhältnis zum Grundgesetz habe und sich damit mal näher beschäftigen sollte.

„Demokratisches“ Führerprinzip

Hier zeigt sich auch die Heuchelei: Man schreibt sich selbst auf die Fahne, man sei demokratisch und nicht hierarchisch strukturiert, dennoch werden im Geheimen die Aktionen und „Flauschangriffe“ geplant und der Einzelne folgt dem Befehl. Diese Struktur macht den grotesken Eindruck, als würden quasi ein ‚Führer‘ in Person von Jan Böhmermann samt einer ‚Leibstandarte‘ in Form der Admins und Moderatoren beschließen, entscheiden und leiten. Der Rest hat lediglich bedingungslosen Gehorsam zu leisten.

Ein weiterer Punkt sind die sogenannten „Challenges“: Hier gibt es Aufgaben, die bei der Erfüllung eine Belohnung in Form einer „Brosche“ bereithalten. Diese Broschen haben keine weiteren Wirkungen, als eine Art Abzeichen darzustellen. Bei den Challenges geht es fast jedes Mal darum, die AfD bzw. deren Abgeordneten zu irgendeiner Reaktion zu bringen. Diese (auch private Schriftwechsel mit Abgeordneten der AfD) werden dann im Kanal „Challenge“ gepostet. Da auch die AfD mittlerweile mitbekommen hat, was dort abgeht, hat sie kürzlich eine kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt – Die Tagesstimme berichtete.

Völlig „unpolitisch“ gegen die AfD

Während auf dem Server intern immer wieder gegen die AfD geschossen wird, bekennt sich auch die Grünen-Abgeordnete Katrin Göring-Eckardt auf Twitter zu Reconquista Internet. Es engagiert sich hier also ein Mitglied des Bundestags bei einer Aktion, die sich gegen eine andere Partei und deren Abgeordnete richtet.

Screenshot von Twitter

Gleichzeitig behauptet Reconquista Internet, sich nicht politisch zu positionieren und völlig unpolitisch zu agieren. Dies wird auch immer wieder betont, wie hier von Jan Böhmermann (der seit kurzem seinen Account-Namen von Cdream141312 auf Morla141213 änderte) persönlich:

Screenshot aus dem Server von Reconquista Internet

Wer nicht auf Linie ist, der fliegt

In dem Zusammenhang ist außerdem interessant, dass Personen, die eine nicht gerade linke politische Meinung bzw. Mainstreammeinung vertreten, ausgeschlossen werden. Dies betrifft z.B. Personen, die im Chat die Meinung vertraten, sowohl „rechts“ als auch „links“ seien legitime politische Meinungen. Außerdem Leute, die einfach nur nach einer Definition von „rechts“ bzw. „rechtsradikal“ fragten. Denjenigen wird dann auch nicht erklärt, warum sie aus dem Server verwiesen wurden, sondern sie sind dann einfach nicht mehr da. Keine Vorwarnung, keine Erklärung – wie immer auf Reconquista Internet ein sehr ‚demokratischer‘ Ablauf.

In diesem Zusammenhang wäre es nicht verwunderlich, sollte sich Reconquista Internet zu einer linksradikalen Gruppierung entwickeln. Ich werde auf jeden Fall weiter ein wenig in der Höhle des Löwen recherchieren und der nächste Teil folgt bestimmt.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
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