Migrationsforscherin erklärt: „Werden nicht überrannt“

Die Migrationsforscherin Ramona Rischke widerspricht in einem aktuellen Interview der Darstellung, Deutschland werde von Migranten „überrannt“. Zudem kritisiert sie die aktuelle „Abschottungspolitik“ und fordert den Ausbau langfristiger Strukturen sowie regulärer Migrationskanäle.

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Migrationsforscherin erklärt: „Werden nicht überrannt“

Laut einer Migrationsforscherin wird Deutschland nicht von Migranten „überrannt“.

© IMAGO / Michael Gstettenbauer

Die Migration ist eines der drängendsten politischen Themen in Deutschland. Der jüngst gescheiterte Migrationsgipfel verdeutlichte einmal mehr die Uneinigkeit zwischen der Ampelregierung und der Opposition. Im Kern sind sich jedoch alle Beteiligten einig, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Doch welche Ansätze sind tatsächlich zielführend? Dr. Ramona Rischke vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) kritisiert im Interview mit web.de die gegenwärtige „Abschottungspolitik“ und plädiert für differenziertere Ansätze.

Islamistische Gewalt als „Randphänomen“

Rischke sieht den aktuellen politischen Diskurs über Migration kritisch. Insbesondere die Fixierung auf Abwehr und Abschottung sei problematisch. „Es ist wenig zielführend, jetzt auf allgemeine Migrationsabwehr und Abschottungspolitik zu setzen“, betont sie. Besonders gefährlich sei es, Geflüchtete pauschal zum Sicherheitsproblem zu erklären. Die Forscherin warnt vor den Auswirkungen dieser Politik: „Damit werten wir Geflüchtete in Deutschland pauschal ab und senden auch anderen migrantischen Gruppen klare Abwehrsignale.“

Der Anlass des Gipfels – die islamistische Gewalt in Solingen – habe die Diskussionen stark geprägt. Rischke räumt ein, dass es notwendig sei, sich mit dieser Form der Gewalt auseinanderzusetzen. Gleichzeitig spricht sie jedoch davon, „dass solche schrecklichen Vorfälle ein Randphänomen sind“. Sie warnt davor, dass rechte Gewalt und Ideologien ebenfalls eine erhebliche Gefahr darstellen, die in der Diskussion oft übersehen werde.

„Pauschale Zurückweisungen an den Grenzen ist keine Lösung“

Die Forderung der Union, Migranten an den Landesgrenzen pauschal zurückzuweisen, sieht Rischke kritisch. „Menschen haben grundsätzlich das Recht, Asylanträge in Deutschland zu stellen“, betont sie und hält die Forderung für wenig sinnvoll. Sie verweist auf die hohen Anerkennungsquoten in Deutschland und Europa: „Ein beträchtlicher Anteil dieser Menschen wird einen berechtigten Schutzstatus zugesprochen bekommen.“ Pauschale Zurückweisungen würden das Problem also nicht lösen, sondern die Debatte weiter in Richtung einer undifferenzierten Abwehrpolitik drängen, meint sie.

Rischke kritisiert in dem Interview auch die Verwendung des Begriffs „illegale Migration“ und betont, dass kein Mensch illegal sei. „Wenn wir von irregulärer Migration sprechen, meinen wir oft nicht autorisierte Grenzübertritte“, erläutert sie. Diese Menschen würden oft aus Kapazitätsgründen nicht an den EU-Außengrenzen registriert und würden weiterreisen, um anderswo Asyl zu beantragen. Viele dieser Menschen würden später einen anerkannten Schutzstatus bekommen, erklärt sie und warnt davor, solche Fälle als „illegale Migration“ darzustellen.

„Werden nicht überrannt“

Ein weiteres Problem sieht die Forscherin in der Berichterstattung über Migration. „Wir verfallen in Deutschland schnell in Krisennarrative und werfen auch noch alle und alles in einen Topf“, kritisiert Rischke. Diese Art der Debatte sorge nicht nur für Verunsicherung, sondern könne auch zu Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen führen. Zudem hätten Studien gezeigt, dass sich viele Menschen in Deutschland aufgrund dieser Debatten abgewertet und nicht mehr willkommen fühlten.

Auch die Klagen der Kommunen, dass ihre Kapazitäten überschritten seien, bewertet Rischke differenziert. „Bei weitem nicht alle Kommunen sind überlastet“, stellt sie klar. Laut ihr „werden wir nicht überrannt“. Diese Vorstellung sei falsch. „Sicher gibt es immer wieder Spitzen in den Fluchtbewegungen wie 2022 mit der Eskalation des Ukraine-Kriegs. Aber es ist schon seit Jahren bekannt, dass globale Fluchtursachen anhalten und globale Flüchtlingszahlen stetig zunehmen“. Und die bestehenden Engpässe seien weniger eine Frage der Zahl an Geflüchteten, sondern vielmehr das Ergebnis fehlender langfristiger Strukturen. Die Eskalation des Ukrainekriegs habe im Jahr 2022 zu einem Anstieg der Migrationszahlen geführt, doch anstatt die Integrationsinfrastrukturen auszubauen, seien diese nach den Fluchtbewegungen von 2015 wieder zurückgebaut worden.

„Mehr reguläre Migrationskanäle öffnen“

Die Maßnahmen der Ampelregierung, wie die Bezahlkarte und verstärkte Grenzkontrollen, sowie die Abkommen mit Drittstaaten, bewertet Rischke als nicht ausreichend. Sie fordert stattdessen mehr reguläre Migrationswege: „Menschen wählen irreguläre Zugangswege, weil ihnen reguläre fehlen.“ Diese Kanäle müssten auf europäischer Ebene geöffnet werden, um die Migration besser zu ordnen und zu steuern.

In dem Interview äußerte sich Rischke auch zu den jüngsten AfD-Erfolgen in Ostdeutschland. „Das sind extrem besorgniserregende Wahlergebnisse von einer gesichert rechtsextremen Partei“, so die Forscherin. Dennoch sieht sie auch positive Signale: „Es gibt stabil hohe Zustimmungswerte zur Fachkräftezuwanderung, dazu, dass Geflüchtete schnell in Arbeit kommen.“ Sie fordert, die Bevölkerung nicht pauschal als migrationsfeindlich darzustellen und die Diskussion über Migration differenziert zu führen. Diese sei nämlich kein Problem, sondern eine Herausforderung, die mit den richtigen Maßnahmen und einer offenen Diskussion bewältigt werden könne.

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