Nach weiterer Panne: Leiter des LVT Wien abberufen
Seit Tagen wird darüber diskutiert, ob die Bluttat in Wien hätte verhindert werden können.
Wien. – Am Freitag hat Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) eine weitere Ermittlungspanne im Vorfeld des Terroranschlags von Wien eingestanden. Demnach hatte der spätere Attentäter im Sommer Kontakt zu Personen, die im Auftrag des deutsschen Verfassungsschutzes vom Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) überwacht wurden. Dennoch wurden damals keine Konsequenzen gezogen. Nun wurde der Leiter des LVT Wien abberufen, wie Polizeichef Gerhard Pürstl berichtete.
Weg frei für „geordnete Untersuchung“
Nehammer sprach von „offensichtlichen und aus unserer Sicht nicht tolerierbaren Fehlern“. Man habe daher „unverzüglich Konsequenzen“ gezogen. Auf die Frage seiner politischen Fehlleistungen sagte Nehammer, er sehe seine Verantwortung darin, zu handeln, wenn ihm Missstände zur Kenntnis gebracht werden.
Laut Pürstl hat sich der spätere Attentäter im Juli mit Personen getroffen, die unter Beobachtung des deutschen Verfassungsschutzes standen und sich in Österreich aufgehalten haben. Diese Tatsache und der später in der Slowakei gescheiterte Waffenkauf hätten laut Pürstl „bei der Einschätzung der Gefährlichkeit des Täters zu einem anderen Ergebnis führen können“. LVT-Leiter Erich Zwettler wurde den Angaben zufolge auf eigenen Wunsch abgezogen. Er wolle „einer geordneten Untersuchung und einer Aufklärung nicht im Wege stehen“. Die interimistische Führung übernimmt der Leiter des steirischen LVT Rupert Meixner.
Radikale Moschee muss schließen
Indes wurde heute bekannt, dass ein Moscheeverein und eine Moschee in Wien auf Anordnung geschlossen werden sollen. Der Attentäter war dort aktiv und dürfte sich dort auch radikalisiert haben. Das Kultusamt sei am Donnerstag vom Innenministerium darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass der Attentäter immer wieder zwei Gebetsräume in Wien besucht habe, berichtete Kultusministerin Susanne Raab (ÖVP). Eine davon, die Tewhid-Moschee in Meidling, sei 2016 von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) als Gemeinde eingerichtet worden. Die umgehende Schließung erfolge im Interesse der öffentlichen Sicherheit, da die im Islamgesetz geforderte „positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat“ nicht bestehe.
Eine weitere Einrichtung, die Melit-Ibrahim-Moschee in Wien-Ottakring, unterstehe nicht der IGGÖ, so Raab. In diesem Fall wurde ein Auflösungsverfahren nach dem Vereinsgesetz eingeleitet. Dieser Verein habe laut Verfassungschutz die Radikalisierung des Attentäters ebenfalls begünstigt.
Mehrere Männer wieder enthaftet
Von den mittlerweile 16 in Zusammenhang mit dem Terroranschlag in Wien festgenommenen Männern sind unterdessen sechs wieder enthaftet worden. Bei ihnen habe sich der Verdacht nicht erhärtet, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Nina Bussek. Für acht wurde Untersuchungshaft beantragt, eine Entscheidung werde es demnächst geben. Zwei Verdächtige wurden noch in keine Justizanstalt eingeliefert. Die Männer werden verdächtigt, Tatbeitrag zum Anschlag in Wien oder selbst das Verbrechen der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung beziehungsweise an einer kriminellen Organisation begangen zu haben.
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