Österreich: Sieben von zehn Migranten können nicht richtig lesen und schreiben
Ausreichende Sprachkenntnisse sind für eine erfolgreiche Integration unerlässlich. Hier gibt es in Österreich ein grundsätzliches Problem, denn wie der aktuelle Integrationsbericht zeigt, können viele Migranten nicht lesen.
Wien. – Bei der Präsentation des aktuellen Integrationsberichts am Donnerstag hieß es, dass von den 2022 nach Österreich gekommenen Menschen sieben von zehn Alphabetisierungsbedarf hätten. Rund die Hälfte könne in keiner Sprache lesen und schreiben, der Rest seien Zweitschriftlernende, heißt es in dem Bericht. Am höchsten sei der Anteil mit 78 Prozent bei Syrern, was unter anderem auf den Zusammenbruch des Schulsystems in dem Bürgerkriegsland zurückzuführen sei.
Fokus auf Gruppe der Jugendlichen
Viele der primären Analphabeten haben laut Bericht keine Schule besucht oder nur eine Volksschule. Das System in Österreich sei zwar gut, so die Vorsitzende des Integrationsbeirats, Katharina Pabel, aber es sei klar, dass sie unter diesen Voraussetzungen bestimmte Deutschniveaus nur schwer erreichen könnten. Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) sagte, dass zudem über eine Leistungspflicht bei Deutschkursen nachgedacht werde, um die Integration von Zugewanderten in den Arbeitsmarkt zu forcieren. Derzeit gelte eine Teilnahmepflicht, um die Sozialhilfe nicht zu verlieren. Sie könne sich vorstellen, dass in einem bestimmten Zeitraum ein „gewisses Sprachniveau“ erreicht werden müsse, um die Sozialhilfe zu behalten, sagte Raab bei der Präsentation am Donnerstag. „Wir denken darüber nach, wie man das gesetzlich abbilden kann.“
Der Schwerpunkt des diesjährigen Berichts liege auf der Situation von Jugendlichen, so Pabel. Die Auswertung der Daten zeige, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund bei der Ausbildung und der Integration in den Arbeitsmarkt schlechter abschneiden als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Sie absolvieren deutlich seltener eine Lehre oder wechseln auf eine höhere Schule, so Pabel. Auch sei ihr Anteil in der Gruppe der „NEETs“, also jener Jugendlichen, die sich weder in Ausbildung noch in Arbeit oder Weiterbildung befinden, höher.
Jede vierte Person hat Migrationshintergrund
Mittlerweile hat jede vierte Person in Österreich einen Migrationshintergrund. Der Anteil jener, deren Eltern beide im Ausland geboren wurden, stieg im Jahresvergleich um ein Prozent auf nunmehr 26,4 Prozent der Gesamtbevölkerung, heißt es im Statistischen Jahrbuch 2023 von Statistik Austria und ÖIF. Im Jahr 2022 waren es in absoluten Zahlen (und im Durchschnitt) 2,35 Millionen Menschen, so Tobias Thomas, Generaldirektor der Statistik Austria. Damit ist der Anteil in den letzten zehn Jahren um 7,6 Prozentpunkte gestiegen.
Die Erwerbsquote der 15- bis 64-Jährigen mit Migrationshintergrund lag 2022 laut Jahrbuch bei 69 Prozent, jene der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund bei 76 Prozent. Dabei gab es deutliche Unterschiede nach Herkunftsländern: Personen aus den EU-Staaten vor 2004, den EFTA-Staaten und dem Vereinigten Königreich (GB) wiesen mit 79 Prozent höhere Erwerbstätigenquoten auf als Personen mit türkischem Migrationshintergrund (63 Prozent) oder aus sonstigen Drittstaaten (64 Prozent).
Jugendarbeitslosigkeit unter Migranten besonders hoch
Rund acht Prozent der 15- bis 24-Jährigen waren 2022 weder erwerbstätig noch in Aus- oder Weiterbildung. Jugendliche ohne Migrationshintergrund waren zu sechs Prozent betroffen, Jugendliche mit Migrationshintergrund zu zwölf Prozent. Auch bei der Jugendarbeitslosigkeit waren ausländische Jugendliche mit 7,4 Prozent stärker betroffen als inländische (4,8 Prozent), wobei Jugendliche aus Afghanistan, Syrien und dem Irak mit 20 Prozent am stärksten betroffen waren.
Zugenommen hat auch der Anteil der Kinder und Jugendlichen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist: Er stieg in den letzten zehn Jahren von 19 auf 27 Prozent. Rund zehn Prozent der Schüler mit nichtdeutscher Erstsprache, die zu Beginn des Schuljahres 2018/2019 14 Jahre alt waren, hatten zwei Schuljahre später noch keinen Pflichtschulabschluss. Bei ihren deutschsprachigen Mitschülern waren es drei Prozent. Sieben Prozent der nicht deutschsprachigen Mädchen und rund zwölf Prozent der Burschen beenden ihre Ausbildung ohne Pflichtschulabschluss.
Größter Zuwachs bei Einwanderung aus Rumänien
Die größte Gruppe der 1,7 Mio. in Österreich lebenden Menschen ohne österreichischen Pass bildeten zum Stichtag 1. Jänner deutsche Staatsbürger (225.000), gefolgt von 147.500 rumänischen sowie 121.900 serbischen und 119.700 türkischen Staatsangehörigen. Auf den Rängen fünf bis zehn folgen Kroatien, Ungarn, Bosnien und Herzegowina, Syrien sowie die Ukraine und Polen als Herkunftsländer. Die größten absoluten Zuwächse seit 2015 gab es bei Rumänen (plus 74.100), Ukrainern (plus 71.000), Syrern (plus 70.900) und Deutschen (plus 54.500). Im Jahr 2022 stieg die Nettozuwanderung nach Österreich - der Saldo aus Zu- und Abwanderung – im Vergleich zum Vorjahr um 161 Prozent (plus 137.000 Personen). Vor allem Vertriebene aus der Ukraine und Flüchtlinge aus Syrien trugen zu diesem starken Anstieg bei.
Die Opposition sparte im Anschluss an die Präsentation des Integrationsberichts nicht mit Kritik. So erklärte etwa FPÖ-Chef Herbert Kickl in einer Aussendung, dass Österreich „weder das Weltausbildungs- noch das Weltsozialamt“ sei. Er warf der ÖVP zudem vor, die klare Trennung zwischen Zuwanderung und Asyl immer mehr aufzulösen. „Asyl ist Schutz auf Zeit und nicht der Deckmantel für eine Masseneinwanderung, vornehmlich nur in unser Sozialsystem.“ Die Freiheitlichen seien die einzigen, die diese Trennlinie „nachweislich, nachhaltig und konsequent mit der ‚Festung Österreich‘“ ziehen, so Kickl. Dazu gehöre nicht nur ein Asylstopp und „ein Stopp des Zugriffs für Asylanten auf unser Sozialsystem“, sondern auch ein Ende der Verleihung der Staatsbürgerschaft für Asylanten.