Offener Appell der Brauwirtschaft: „Es ist 5 vor 12!“

In einem offenen Appell fordert die deutsche Brauwirtschaft die Politik zum Handeln auf. Der „Deutsche Brauer-Bund“ warnt vor einer existenzgefährdenden Lage durch die „völlig verfehlte Energiepolitik“. Die TAGESSTIMME dokumentiert den offenen Appell im Wortlaut:
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Offener Appell der Brauwirtschaft: „Es ist 5 vor 12!“

Symbolbild (CC0)

In einem offenen Appell fordert die deutsche Brauwirtschaft die Politik zum Handeln auf. Der „Deutsche Brauer-Bund“ warnt vor einer existenzgefährdenden Lage durch die „völlig verfehlte Energiepolitik“. Die TAGESSTIMME dokumentiert den offenen Appell im Wortlaut:

Es ist 5 vor 12!

Berlin, 28. September 2022. In weiten Teilen der mittelständisch geprägten deutschen Brauwirtschaft macht sich Existenzangst breit. Hunderte Betriebe, viele tausend Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel.

Sie drohen Opfer einer völlig verfehlten Energiepolitik inmitten der schwersten Krise der bundesdeutschen Wirtschaft seit dem Krieg zu werden.

Die massiven Einbußen, die die deutsche Brauwirtschaft, insbesondere der einst starke Mittelstand, in den zwei Jahren der Corona-Pandemie durch die Auswirkungen staatlicher Maßnahmen erlitten hat, sind noch lange nicht ausgeglichen. Rücklagen, durch deren Einsatz wirtschaftliche Durststrecken befristet überstanden werden könnten, sind durch die Folgen der Corona-Krise längst aufgezehrt.

Der Ukraine-Krieg und dessen Folgen stellen die Unternehmen nun vor neue, schier unüberwindliche Herausforderungen. Dies gilt zuvorderst für die Energieversorgung. Die durch den russischen Lieferstopp hervorgerufene Verknappung von Gas lässt dessen Preis wie auch in der Folge den für Strom in ungeahnte Höhen schnellen.

Die Beschaffungskosten für Gas ebenso wie die für Strom liegen heute bis zu 1.000 % gegenüber demselben Vorjahreszeitpunkt – eine nicht nur für Unternehmen der Brauwirtschaft nicht mehr zu stemmende Verzehnfachung ihrer Energiekosten!

Diese hohen Energiekosten lassen im Zusammenspiel mit gestörten Lieferketten auch die Preise für andere unbedingt notwendige Güter rasant steigen:
Für Malz, Glas, Kronkorken sowie Verpackungsmaterialien wie Folien, Dosen, Kartonagen liegt die derzeitige Teuerung für die Brauereien bei ca. 80 %. Paletten haben sich um 150 % verteuert usw.

Neben diesen Preissteigerungen hat die Brauwirtschaft damit zu kämpfen, dass die Verteuerung von Gas dazu geführt hat, dass auch CO2, ein weiteres für eine Brauerei unverzichtbares Produkt, trotz exorbitanter Preissteigerung so gut wie nicht mehr am Markt verfügbar ist, was zu Produktionsausfällen bis zur Schließung von Brauereien führt. Bundesweit haben bereits Brauereien aufgrund dieses Mangels ihre Produktion teilweise bzw. ganz einstellen müssen.

Der derzeitige CO2-Mangel ist dabei nicht nur für die Brau-, sondern für weite Teile der Ernährungswirtschaft zu einer existenzbedrohenden Gefahr geworden.

In dieser Situation hilft das vage Versprechen von „Hilfspaketen“, deren Umfang niemand kennt und von denen auch niemand weiß, wann Mittel fließen, nicht weiter.

Die Krise findet jetzt und hier statt. Und sie verlangt jetzt nach einer Lösung!

Was ist zu tun?

Entkoppelung des Strom- vom Gasmarkt / Preisdeckelung bei der Gasmenge
Von Seiten der Politik ist dafür Sorge zu tragen, dass die Gas- und Strompreise der Brauwirtschaft, aber auch anderen Wirtschaftszweigen „die Luft zum Atmen lassen!“ Frankreich und andere europäische Nachbarn machen dies vor! Eine Deckelung der Energiepreise hilft allen Beteiligten, ihre Produktion aufrecht zu erhalten und damit die Arbeitsplätze ihrer Beschäftigten zum gesamtgesellschaftlichen Wohl zu erhalten. Wenn es Frankreich gelingt, die Verteuerung des Gaspreises auf 4 % im Jahr 2022 gegenüber dem Jahr 2021 zu deckeln, stellt sich unmittelbar die Frage, warum dieser für alle Beteiligten in Industrie und Gesellschaft vernünftige Weg in Deutschland nicht beschritten wird.

Alle Energieträger ans Netz
Während unsere europäischen Partner bemüht sind, ihrer Industrie und ihren Bürgern bezahlbaren Strom in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen, schaltet Deutschland in dieser so energieprekären Situation wesentliche Energielieferanten im Grundlastbereich ab bzw. hält Kohlekraftwerke beispielsweise nur im Reservestatus. Der Sachverständigenrat der Bundesregierung (sog. „Wirtschaftsweise“) hat zuletzt deutlich gemacht, dass alle Energieträger in der aktuellen Situation auch für die Stromversorgung genutzt werden sollten, um durch das erhöhte Energieangebot zu einer Preissenkung zu gelangen.

Merit-Order Regelung aussetzen
Unter dem Diktat einer „Merit-Order-Regelung“ versteht niemand, dass man in Deutschland Quellen erschwinglicher elektrischer Energie vom Netz nimmt, während der unverminderte Einsatz des knappen und teuren Erdgases zur Stromerzeugung die Strompreise in unkontrollierbare Höhen treibt.
Hiervon profitieren große Akteure der Energiewirtschaft und die Staatskasse aufgrund stetig wachsender Einnahmen durch eine Vielzahl von Umlagen/Beiträgen/Abgaben und nicht zuletzt Steuern, z.B. der Mehrwertsteuer.
Die aktuell teuerste Art der Stromgewinnung ist die Erzeugung über Gaskraftwerke und das teuerste Kraftwerk bestimmt derzeit den Strompreis an der Börse in Leipzig. Hier kommen die fehlenden Gasmengen und deren teure Zukäufe auf dem Markt voll zum Tragen.

EU – Stromregelungen
Jedes EU-Land legt seine Energiepolitik national fest, während die Stromnetze und die Stromerzeugung direkt voneinander abhängen.
Am Beispiel des aktuell höheren Import-Strombedarfs Frankreichs u.a. aus Deutschland wird dies deutlich: Dortige Einbrüche in der Energieerzeugung wegen Kapazitätsausfällen bei den Kernkraftwerken führen zu höheren Importen. Die Verknappung der Energie wird dort aufgrund nationaler Regelungen (s.o.) aber eben nicht an die Konsumenten und Unternehmen weitergegeben. In Deutschland hingegen steigen die Strompreise auch infolge der hohen Nachfrage aus Frankreich. Hier bedarf es kurzfristig einer entsprechenden Anpassung durch die Bundespolitik.

Unsere Forderungen an die Politik lauten daher wie folgt:

1. Deckelung des Gas- und Strompreises auf einem Niveau, das den Betrieben (nicht nur) der Brauwirtschaft die Aufrechterhaltung ihrer Produktion erlaubt und so die Arbeitsplätze erhält.

2. Nutzung aller verfügbaren Energieträger zur Herstellung von Strom! Dies trägt dazu bei, dass unsere mittelständische Brauwirtschaft und alle am Markt tätigen Unternehmen und Bürger diese Energiekrise durchstehen.

3. Alle Bestandteile, die die Höhe des Gas- und Strompreises beeinflussen, müssen auf den Prüfstand. Die nachhaltige Reduktion bzw. zeitweilige Aussetzung von Steuern, Abgaben und Umlagen auf Strom und Gas bieten eine unmittelbare und schnelle Hilfe.

4. Aussetzung bzw. Korrektur der „Merit-Order-Regelung“ vor dem oben geschilderten Hintergrund.
Die Unternehmen der deutschen Brauwirtschaft stehen für jahrhundertealte Brautradition. Sie wollen auch zukünftig für ein Stück deutscher Genusskultur stehen, ihre weltweit geschätzten Bierspezialitäten brauen und vielen tausend hochmotivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze bieten.
Wir appellieren an Politikerinnen und Politiker in Bund und Ländern: Tun Sie endlich, was getan werden muss. Das wirksamste Hilfspaket für die deutsche Wirtschaft ist die schnellstmögliche nachhaltige Senkung der Energiekosten. Sie eröffnet den Weg zurück zur Produktion zu wettbewerbsfähigen Kosten, löst blockierte Lieferketten auch für wichtige Vorprodukte/Betriebsmittel wie CO2 oder AdBlue und leistet schließlich einen nachhaltigen Beitrag zur Senkung der Inflationsrate und zum Erhalt von Arbeitsplätzen.

Warten Sie nicht bis 5 nach 12!

Berlin, Düsseldorf, München, Stuttgart, Hamburg, Wiesbaden, Dresden den 28. September 2022

Dr. Jörg Lehmann
Deutscher Brauer-Bund e.V.

Michael Hollmann
Brauereiverband NRW e.V.

Georg Schneider
Bayerischer Brauerbund e.V.

Matthias Schürer
Baden-Württembergischer Brauerbund e.V.

Sebastian Holtz
Sozietät Norddeutscher Brauereiverbände e.V.

Stephan Fahrig
Brauerbund Hessen-Rheinland-Pfalz e.V.

Steffen Dittmar
Sächsischer Brauerbund e.V.

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