Schwere Vorwürfe gegen Thüringens Verfassungsschutz-Chef Kramer
Falsche Angaben, unklare externe Zuarbeiter, Nichteinbindung von Referaten – die Vorwürfe gegen Stephan Kramer aus einer geleakten E-Mail sind weitreichend.
Erfurt. – Wie die Thüringer Allgemeine (TA) am Mittwoch berichtete, ist ein brisantes E-Mail eines Referatsleiters für Rechtsextremismus ans Tageslicht geraten. In diesem unterstellt ein Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV), dessen Leiter Stephan Kramer insbesondere in einem Prüfverfahren gegen die patriotische AfD falsche Angaben gemacht zu haben.
Vorwurf: „falsche und ungenaue“ Infos gegen AfD verwendet
Der Hintergrund: Im September 2018, kurze Zeit nach den Demonstrationen in Chemnitz, erklärte der Thüringische Verfassungsschutz die AfD zum Prüffall. Laut dem Insider soll sich Kramer dabei auf „falsche und ungenaue Informationen“ berufen haben. Außerdem habe er für seine Einstufung auch einen Artikel einer linksextremistischen Zeitschrift hergenommen, davon wäre allerdings „dringend abzuraten gewesen“.
Weiters beschwert sich der damalige Referatsleiter, dass seine Abteilung nicht ausreichend in das Verfahren eingebunden, mehrmals übergangen worden sei. Zu den mitauslösenden Kundgebungen in Chemnitz nach der Tötung eines deutsch-kubanischen Familienvaters durch einen ausreisepflichtigen Asylwerber gäbe es außerdem etwa falsche Zahlen. Die Rede sei von „2.500 Rechtsextremisten“, was dem Ex-Referatsleiter zufolge „nicht stimmen kann“.
Höcke-Buch: „Gravierende Unzulänglichkeiten“ bei Analyse
Die E-Mail stammt zwar bereits von 10. Jänner, an Presse und Parteien durchgestochen wurde sie aber erst diese Woche. Hintergrund dafür ist auch ein Gerichtsverfahren, in welchem sich die AfD mit einer Verfassungsklage gegen eine drohende Beobachtung in Thüringen wehren will – Die Tagesstimme berichtete im vergangenen Dezember darüber. Der Verfasser der Nachricht soll laut TA-Angaben mittlerweile versetzt worden sein.
In einem Twitter-Thread ließ Torben Braga, Pressesprecher der AfD Thüringen, einige der ärgsten Vorwürfe durchblitzen: So verfüge etwa die interne Analyse des Höcke-Buches („Nie zweimal in denselben Fluss“) über „gravierende Unzulänglichkeiten“. Es kam dabei angeblich zur Verletzung „grundlegende Regeln wissenschaftlichen Arbeitens“. Dessen Analyse sei dabei außerdem an eine „amtsfremde Person“ zur „wissenschaftlichen Ergänzung übermittelt worden.
(Zum Lesen des ganzen Threads klicken Sie bitte auf das Twitter-Logo in der oberen rechten Ecke)
Brisante E-Mail des früheren Referatsleiters für Rechtsextremismus im Amt für Verfassungsschutz #Thüringen, über die heute @TAOnline berichtet. Auch uns @AfD_Thueringen wurde die Mail zugeschickt. Einige Anmerkungen dazu: (Thread)https://t.co/sKPeZt2Dsb
— Torben Braga (@torben_braga) September 11, 2019
AfD-Braga: Einstufung als Prüffall „politisch motiviert“
Dem nicht genug, nach Ansicht des Ex-Referatsleiters sei dies nämlich in vollem Kenntnis des Innenministeriums geschehen sein. Braga unterstellt in seinen Ausführungen, dass man bereits mit der Berufung Kramers zum LfV-Präsidenten „den Bock zum Gärtner“ gemacht habe. Er ist sich sicher: dies Einstufung als Prüffall sei „politisch motiviert“.
Um dies zu unterlegen, weist das Mitglied des AfD-Landesvorstandes auf Kramers Position im Stiftungsrat der umstrittenen Amadeu-Antonio-Stiftung. Auch die externe Zuarbeitung vermutet er deshalb im Umfeld der linken Einrichtung. Kramer wolle offenbar das umsetzen, was eine Handreichung der Stiftung zuletzt forderte: eine „gesellschaftliche Ächtung der AfD“.
EinProzent: Kramer ist „inkompetente Polit-Marionette“
Auch die Bürgerinitiative EinProzent übte außerordentlich scharfe Kritik an Kramer. Die patriotische Plattform bezeichnet diesen im Zusammenhang gar als „inkompetente Polit-Marionette“. Neben den Ausführungen von TA und Braga thematisieren sie auch dessen ihrer Ansicht nach fehlende fachliche Eignung Kramers für das Amt des Verfassungsschutzpräsidenten.
Denn die Landesverfassung selbst schreibe eigentlich vor, dass der Chef der Behörde die Befähigung zum Richteramt besitzen soll. Kramer hingegen verfüge lediglich über ein abgebrochenes Jurastudium sowie ein fertiges Studium des Sozialwissenschaft. Obwohl sich das Landesinnenministerium auf die Soll-Formulierung berufe, sei dessen Bestellung fragwürdig.
„Politisches Machtinstrument der Altparteien“
Denn es sei bislang „völlig unklar“, welche „möglicherweise besser geeignete“ Konkurrenz Kramer bei der Besetzung ausstach. Es stelle sich die Frage, ob ein „fachfremder Nichtjurist ohne entsprechende Berufserfahrung ausreichend gute Arbeitsergebnisse“ für eine Zusage vorweisen könne. Die nun vorliegende Korrespondenz zeige nämlich vielmehr, dass Kramer „ganz offensichtlich“ an Überforderung leide.
Eine „bewusste Missachtung rechtlicher Vorgaben“ ließe sich einzig durch anderweitige herausragende Qualifikationen rechtfertigen. Dessen „politische Korrektheit“ stelle hingegen keine solche dar. Es zeige sich, so EinProzent weiter, dass der Verfassungsschutz ein „politisches Machtinstrument der Altparteien“ sei, um „alternative und patriotische Parteien und Bürger“ zu bekämpfen und überwachen.
Weiterlesen:
Amadeu‐Antonio‐Stiftung verlangt gesellschaftliche Ächtung der AfD (13.8.2019)
AfD Thüringen reicht wegen drohender Beobachtung Verfassungsklage ein (11.12.2018)