Tagebau Garzweiler: Umstrittene Besetzung polarisiert weiter
Am Wochenende besetzten wie in vergangenen Jahren großteils linksgerichtete Akteure den Tagebau Garzweiler im rheinischen Kohlerevier.
Erkelenz. – Diesmal konzentrierten sich die Aktionen, welche nach Ansicht der Beteiligten eine Form des „zivilen Ungehorsams“ darstellt, auf den Tagebau Garzweiler. Das Braunkohlerevier gehört zu den wichtigsten Abbaugebieten fossiler Brennstoffe in Deutschland . Insbesondere ein Scharmützel der Demonstranten mit der Polizei – aber auch politische Reaktionen – sorgen in sozialen Medien für Verwunderung und teils grobes Unverständnis.
Tausende besetzen Tagebau – langatmige Räumung
Bereits das fünfte Jahr in Folge organisierten sich die Proteste gegen den Braunkohleabbau im Rheinland. Im diesjährigen Aufruf greift man die Forderung auf „nicht nur den Kohleausstieg, sondern auch einen radikalen gesellschaftlichen Wandel“ zu brauchen. Man müsse „den Kapitalismus mit seinem Wachstumszwang und seinen Ausbeutungsmechanismen überwinden. Bereits bei den Protesten im Jahr 2017 hatte der Verfassungsschutz linksextremistische Beeinflussung festgestellt.
Dabei gelangten am Rande einer #FridaysForFuture-Demonstration mit etwa 40.000 Teilnehmern bis zu 6.000 Menschen auf der Höhe von Keyenberg (Stadt Erkelenz) auf das Gelände. Dafür mussten die Aktivisten eine Polizeiabsperrung durchbrechen, der Jungen Freiheit zufolge wurden dabei 15 Exekutivbeamte verletzt. Die Räumung beanspruchte insgesamt 48 Stunden – und die Diskussion sowohl über die Besetzung als auch über deren Beendigung hält an.
Polizei Aachen rät Landwirten zu Anzeige
So kritisierte einerseits Innenminister Herbert Reul (CDU) die Besetzung scharf und lobte die seiner Ansicht nach besonnene Vorgehensweise der Polizei. Die Demonstranten hingegen hätten in einem Aktionskonsens „hehre Ziele“ verkündet, sich anschließend aber nicht daran gehalten, dies sei „entlarvend“.
Die Polizei selbst bat auf Twitter, dass Landwirte, deren Ackergründe durch den Sturm beschädigt wurden, Anzeige erstatten mögen. Dies, so die Polizei Aachen, sei notwendig um Schadenersatzansprüche zu wahren. Zuvor hatte bereits EndeGelände eine Bereitschaft zu Entschädigungen in Aussicht gestellt.
Während der #EndeGelaende-Demonstrationen ist es zu zahlreichen Flurschäden auf Feldern ortsansässiger #Landwirt|e gekommen. Zur Wahrung von Schadensersatzansprüchen empfehlt die Polizei, Strafanzeige bei der #Polizei zu erstatten. #Aachen pic.twitter.com/Cl0xOj4LUi
— Polizei NRW AC (@Polizei_NRW_AC) 23. Juni 2019
Grüne Jugend: „Kohleausstieg bleibt Handarbeit“
Auf der anderen Seite stellten sich mehrere Politiker der Grünen hinter die Besetzer. So verteidigte die Grüne Jugend deren Vorgehen mit den Worten „Kohleausstieg bleibt Handarbeit“ – eine mögliche Anspielung auf den linksextremen Slogan „Antifa bleibt Handarbeit“.
? „We are unstoppable, another world is possible!“ ? Die letzten Tage waren ein riesiger Erfolg für das Klima: Gemeinsam mit @Ende__Gelaende haben wir die Bagger gestoppt und uns der Zerstörung entschlossen in den Weg gestellt ? #Kohleausstieg bleibt Handarbeit. #EndeGelaende pic.twitter.com/EwgnDuUZPq
— GRÜNE JUGEND (@gruene_jugend) 23. Juni 2019
Wirbel um Verpflegungssituation
Außerdem kritisierten einige Akteure aus der Reihe der Partei, darunter der Grünen-Abgeordnete im EU-Parlament, Erik Marquardt, das Vorgehen der Behörden. Sein Tweet, welcher das vermeintlich mangelhafte Ausmaß der Verpflegungssituation beklagte, erntete viel Gegenwind – woraufhin er seine Wortmeldung präzisieren musste.
Viele FDP-, CDU- und AfD-Accounts shitstormen mich momentan.
Niemand erwartet eine Luxusbehandlung für zivilen Ungehorsam, aber die, die fordern, dass Menschen durch Verprügeln oder Aushungern bestraft werden, sind ein größeres Problem als ein besetzter Tagebau. #EndeGelaende https://t.co/cH7kH7KiLW
— Erik Marquardt (@ErikMarquardt) 23. Juni 2019
„Deine Möhren sind nicht wichtiger als unser Klima“
Für Diskussionen sorgten außerdem zwei weitere Tweets von Grünpolitikern. Richarda Lang, Bundessprecherin der Grünen Jugend, outete sich als Antikapitalistin – und solidarisierte sich somit, ähnlich wie zuvor ihre Gesamtorganisation, mit den Besetzern:
Ziemlich krass, dass sich viele Menschen eher das Ende des Planeten als das Ende des Kapitalismus vorstellen können. #EndeGelaende
— Ricarda Lang (@Ricarda_Lang) 23. Juni 2019
Für Kopfschütteln sorgte außerdem eine Äußerung des Sprechers der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus für Klima- und Umweltschutz, Georg Kössler. Zuvor hatte der mecklenburgische FDP-Kreisvorsitzende von Büschow (Gemeinde Jesendorf), Daniel Bohl, aufgrund der Zerstörung von Agrarland den Demonstraten eine Unglaubwürdigkeit unterstellt.
Deine Möhren sind nicht wichtiger als unser Klima. Sorry.
— Georg P Kössler (@GYGeorg) 23. Juni 2019