#wirsindmehr: Antikapitalisten mit multinationalen Konzernen gegen rechts?

Aktualisiert (07.09.2018 00:44): Wie sich mittlerweile herausstellte, wurden offenbar ca. 22.000 Euro an Spendengeldern lukriert, von denen ein Teil den Hinterbliebenen von Daniel H. zukommen soll. 
Julian Schernthaner
Kommentar von
3.9.2018
/
3 Minuten Lesezeit
#wirsindmehr: Antikapitalisten mit multinationalen Konzernen gegen rechts?

Bild (Jan „Monchi“ Gorchow 2017): Stefan Brending via Wikimedia Commons [CC BY-SA 3.0] (Bild zugeschnitten)

Aktualisiert (07.09.2018 00:44): Wie sich mittlerweile herausstellte, wurden offenbar ca. 22.000 Euro an Spendengeldern lukriert, von denen ein Teil den Hinterbliebenen von Daniel H. zukommen soll. 


Wir befinden uns im Jahre 2018 n. Chr. Ganz Sachsen ist von braunen Horden besetzt…ganz Sachsen? Nein! Eine von unbeugsamen Häuptlingen und aufrechten Barden getragene Zivilgesellschaft hört nicht auf, der Verrohung der Sitten Widerstand zu leisten. Und das Leben wird nicht leicht für die rechtsradikalen Stiefeltruppen, die als Besatzung in den befestigten Städten Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zwickau liegen…

Kommentar von Julian Schernthaner

Dieses Narrativ kommt Ihnen gallisch beziehungsweise spanisch vor? Damit sind Sie, lieber Leser, nicht alleine. So ähnlich beginnt jedes Abenteuer der liebsten Comic-Serie meiner Jugend, von der ich über 30 Bände und zwei Dutzend Sammelfiguren besitze. Und ungefähr derart, so versucht man uns weiszumachen, erhebt sich am heutigen Montag eine breite Front an Demokraten. Geschwängert von Lautenklängen, beseelt von bestem Zaubertrank, wollen sie heute zeigen, dass ‚rechte Hetze‘ keinen Platz in Sachsen habe.

Party statt Solidarität

Aber wie die glorreichen Asterix-Geschichten der beiden französischen Genies René Goscinny und Albert Uderzo eine reine Erfindung sind, so hält es sich mit dem Narrativ der #wirsindmehr-Bewegung. Denn selten zeigte die linksgerichtete Hegemonie in Kultur, Medien und Politik so deutlich ihr wahres Gesicht wie bei der heutigen Veranstaltung. Denn offenbar müssen Musikbegeisterte aus ganz Deutschland für ein Gratiskonzert angekarrt werden, um zu zeigen, wer angeblich das Sagen hat.

Das Ziel dabei ist nicht etwa, durch freiwillige Spenden seine sozialistische Solidarität darzulegen. Wäre ja durchaus möglich gewesen: Mit Sicherheit ließe sich der gewaltsame Tod eines mutmaßlich selbst die politische Linke bevorzugenden Familienvaters für die Sache an sich instrumentalisieren. Man könnte ein paar Euro Eintritt verlangen, welche zur Gänze dessen Hinterbliebenen zukäme. Oder: man könnte seiner würdevoll gedenken, anstatt für lau auf seinem Grab zu tanzen.

Mainstream-Musiker für Mainstream-Anliegen

Aber: vermutlich könnte man sich dann nicht mit Zigtausenden Menschen rühmen, welche nur dann nicht auf sich warten lassen, wenn es irgendwas „gratis“ gibt. Der unbezahlbar hohe Preis des Lebens, den ein linker Deutscher mit ausländischen Wurzeln bezahlen musste, gerät da in den Hintergrund. Die Täter sind die „Falschen“ – und es käme ja einem Eingeständnis der eigenen Irrwege gleich, müsste man zugeben, dass Trauer und Solidarität keine Ideologie kennt. Besser weglassen also…

Somit spannt man alles, was Rang und Namen hat vor den Karren, und lässt werbewirksam linke, linksradikale und linksextreme Musiker ‚gegen rechts‘ auftreten. Und weil diese klare Kante so unheimlich wichtig ist, teilt sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) den Aufruf. Wen stören da schon Sympathiebekundungen mit Terrorgruppen in den Texten einer auftretenden Kapelle? Wen stört die ehemalige Verfassungsschutz-Beobachtung einer weiteren? Es geht ja um die gute Sache, der Zweck heiligt da die Mittel.

#wirsindmehr: Ein Hauch von Gaukelei

Dass auch die Bands dabei Morgenluft wittern, ist klar. Denn Künstler leben von der Aufmerksamkeit, sie leben von ihrer Erwähnung in den Medien. Die kommenden Tourneen sind vermutlich ausgebucht, gleichzeitig kann man sich in Selbstverblendung auf die Fahnen schreiben: Man ist nicht vollends kommerziell, sondern noch ein klein wenig „Punkrock für die geilen Leute“.

Dass es mit der vermeintlichen Wurzeltreue mancher der auftretenden Bands allerdings nicht weit her sein kann, zeigte die ‚Wutrede‘ eines sächsischen Sozialarbeiters auf Facebook. Denn: dieselben Gruppen können sich offenbar nicht gleichzeitig zur Finanzierung tatsächlicher kleiner, linker Independent-Venues durchringen. Hat halt keine Breitenwirkung, und eine Revolution, die ihre Kinder nicht frisst, ist eben keine echte Revolution.

Groteske Werbeveranstaltung

So verwundert es auch kaum, dass die Unterstützung finanzstarker Marktführer aus der Wirtschaft gerade billig ist. Für einen Moment vergessen sind die harten Arbeitsbedingungen von Fernbusfahrern. Ebenso vergessen ist der ewige Feind der Globalisierung und des Großkapitals. So ist die Freude groß: Flixbus chauffiert die Leute gratis nach Chemnitz. Und Coca-Cola stellt Gratisgetränke bereit – für ein Konzert, das ursprünglich vor dem Riesenkopf von Karl Marx hätte stattfinden sollen.

Offenbar: Wer braucht schon Prinzipientreue, wenn es geile Mucke gibt? Für einen Moment geraten alle Umweltsünden des multinationalen Konzerns in den Hintergrund. Gerüchte über die Unterstützung von Diktatoren im südlichen Afrika – für einen Tag ebenso egal wie Menschenrechtsverletzungen in unzähligen Ländern. Wer am Samstag noch Memes gegen Mitbewerber Nestlé für seinen kuriosen Ansatz zu Trinkwasser teilte, trinkt am Montag Softdrinks einer Firma, die einst in Großbritannien industrieverschmutztes Flusswasser teuer verkaufte.

Linker Verrat – an sich selbst

Und so sonderbare Blüten dieses Spektakel treibt: Verwundern tut das im Jahr 2018 eigentlich keinen mehr. Eine Linke, welche einst quasi auf brennenden Barrikaden gegen die Springerpresse kämpfte, frisst dieser längst aus der Hand. Sie stellt heute sogar die Mehrzahl ihrer Journalisten. Dieselbe Linke, welche einst mit eigener Sub- und Gegenkultur das Lebensgefühl und den Protest einer Generation prägte, nutzt dieselben Akteure, um den Protest einer neuen Generation ersticken zu wollen. Der einfache Mann, aus dessen Bauernschläue man einst eine Bewegung baute, ist heute für diese Linke ungebildetes ‚Pack‘.

Heute mögt ihr tatsächlich mehr sein – aber eines ist ebenso gewiss: Dasselbe Schicksal, welche einst die konservative Deutungshoheit ereilte, wird auch euch einst ereilen. Die Leute merken zunehmend, dass der Anspruch eurer Rhetorik und die Realität der Politik eurer Gesinnung meilenweit auseinander klaffen. Das Recht auf Gratiskonzerte kann euch niemand nehmen – aber wenn ihr die Sorgen der Menschen nicht langsam ernst nehmt, sind sie nur ein Abgesang auf eure schwindende Bedeutung.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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