Zivilgesellschaft von rechts

Gründet Vereine, startet Initiativen und Projekte! Wir brauchen eine Zivilgesellschaft von rechts.

Kommentar von
11.2.2023
/
6 Minuten Lesezeit
Zivilgesellschaft von rechts

Florian Sander

Die Zivilgesellschaft ist in aller Munde. Sie steht dabei im allgemeinen linksliberalen Narrativ zumeist für etwas Gutes: „Zivil“ klingt eben nicht nur nach dem Gegenteil von „militärisch“ oder „uniformiert“, sondern es steht vor allem auch für etwas, was vom Bürger, also von „unten“ kommt und nicht hierarchisch aufoktroyiert ist. Im linken Weltbild sind derlei „Graswurzel“-Elemente zunächst zu bejahen und zu feiern – erst wenn man dann merkt, dass gerade vieles, was von unten und eben nicht von Staat, Wirtschaft, Medien und Eliten kommt, eher rechts ist, muss man schnell umsteuern. So ist denn auch die von linker Seite zelebrierte sogenannte „Zivilgesellschaft“ eher etwas, was ohne Staat und staatliche beziehungsweise kommunale Zuschüsse kaum eigenständig überleben könnte. Prominentestes Beispiel ist hier das in konservativen Kreisen inzwischen schon berühmt-berüchtigte Programm „Demokratie leben!“, mit dem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend allerlei Antifa-Gruppen und -Projekte im „Kampf gegen Rechtsextremismus“ millionenschwer gefördert werden.

Ähnliches spielt sich mittlerweile auch auf der kommunalen Ebene in kleinerem Rahmen ab, wie der Autor dieser Zeilen aus seiner Praxis als Mitglied des Rates der Stadt Bielefeld exemplarisch zu berichten weiß. So fördert die Stadt Bielefeld für circa 50.000 Euro nun Projekte für das „demokratische Zusammenleben“, die buchstäblich ausnahmslos linke Volkserziehungsprojekte oder Klientelgruppen-Bespaßung darstellen („Queeres Leben in Bielefeld“, „Migrant*innen stärken!“, „Zelt der Vielfalt“ etc.). Sie dürfte damit im Bundesgebiet keinen Einzelfall darstellen, zumal die einzige Gegenstimme zu diesem Förderprojekt vom Autor beziehungsweise der AfD kam – auch CDU und FDP, die manche absurderweise immer noch zum Hoffnungsträger einer „bürgerlichen Koalition“ projizieren, tragen es also mit. Im Bund sieht es nicht anders aus, lediglich in der Dimension gibt es noch graduelle Unterschiede zwischen den Systemparteien. So möchten etwa die Grünen gleich ein ganzes „Demokratiefördergesetz“ schaffen, welches „Demokratie leben!“ verstetigt und noch weiter ausbaut. Ein Vorgeschmack dessen, was mit Grün-Schwarz – und dank der Umfallerpartei Union – gewiss auch bei Schwarz-Grün auf uns zukommt.

Das Thema wird immer wichtiger werden

Doch auch unabhängig davon wird in Berlin dem Thema Engagement / Zivilgesellschaft / Ehrenamt immer mehr Bedeutung beigemessen. Das liegt einerseits auch daran, dass sich neu gegründete, damit befasste Institutionen wie etwa die „Deutsche Stiftung Engagement und Ehrenamt“ und ähnliche Fördereinrichtungen hervorragend als Auffangbecken für arbeitslos gewordene linksgrüne Partei- beziehungsweise Fraktionsfunktionäre eignen und diese dann dort einen Daumen darauf haben können, wer wo wie in welcher Weise gefördert und unterstützt wird. Andererseits liegt dies aber auch an den Folgen von Lockdown und Corona, die nicht nur eine Krise der Wirtschaft, sondern eben auch eine der Kultur, des Sports und sonstiger ehrenamtlich getragener gesellschaftlicher Systeme verursacht haben. Es wird nun für alle spürbar, wie sehr die Gesellschaft vor allem in „handfesten“, tatsächlich gemeinnützigen Bereichen wie etwa Sportvereinen und Feuerwehr auf ehrenamtliche Arbeit und bürgerschaftliches Engagement angewiesen ist. Der Bundestagsunterausschuss Bürgerschaftliches Engagement, der bisher lediglich eine Untergliederung des ordentlichen Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend darstellt, soll daher nach dem Willen aller Fraktionen einschließlich der AfD in der neuen Legislaturperiode zu einem eigenen ordentlichen Ausschuss ausgebaut werden, der sich mit Engagementpolitik ebenso befasst wie mit Demokratiepolitik und eben Zivilgesellschaft.

Nun ist es nichts neues, dass die Altparteien sich mehr direkte Demokratie und Partizipation allenfalls rhetorisch auf die Fahnen geschrieben, diesbezüglich aber in Jahrzehnten so gut wie nichts bewirkt haben, da sie genau wissen, dass echte direkte Demokratie eher der volksnahen Programmatik von rechts dienlich wäre. Es ist insofern auch aus konservativer Sicht durchaus zu befürworten, dem Thema durch institutionelle Veränderungen mehr Relevanz zu verschaffen, da es AfD-Kernthemen in den Mittelpunkt rückt. Doch hier darf nicht bei der Demokratiepolitik Halt gemacht werden. Eine der wichtigsten und drängendsten Lektionen für uns alle sollte angesichts der oben beschriebenen Entwicklungen auch sein: Wir brauchen eine Zivilgesellschaft von rechts!

Tanzen auf mehreren Hochzeiten

Gerade im liberalkonservativen Spektrum ist leider eine Tendenz sehr ausgeprägt, die aus theoriefernem, auf Praxis reduziertem Denken herrührt: Allzu viel Ignoranz gegenüber Metapolitik und dem sogenannten vorpolitischen Raum. Und damit ist an dieser Stelle nicht nur das gemeint, was wir darunter bereits verstehen und kennen, also metapolitische Denkfabriken wie das Institut für Staatspolitik oder vorpolitische Influencer wie etwa patriotische Musiker oder YouTuber. Mit dem vorpolitischen Raum sind an dieser Stelle auch Vereine und zivilgesellschaftliche Aktivitäten gemeint – denn erst diese verankern eine Partei, eine Strömung, eine Weltanschauung in der Gesellschaft und im Volk!

Oft genug fragen sich Leute gerade auch im Westen, wie es etwa einer Partei wie der SPD, die bundesweit in den Umfragen kaum noch stärker als AfD oder FDP ist, lokal und vor Ort oft immer noch gelingen kann, etwa Bürgermeister zu stellen, Direktmandate zu gewinnen, politisch massiv in der Bevölkerung verankert zu sein. Ähnliches gilt für die CSU in Bayern, Teile der Linken in Mitteldeutschland und inzwischen auch für die Grünen in besonders urban-bürgerlichen Gebieten. Die Antwort lautet: Über zivilgesellschaftliche Verankerung – etwas, was etwa die SPD als älteste Partei von allen am längsten praktiziert hat, über Vernetzungen zu Gewerkschaften, zur Arbeiterwohlfahrt (AWO), mit einem eigenen Medienimperium etc. Die Folge ist: Selbst obwohl sie schwächelt, selbst obwohl sie als Volkspartei bundesweit kollabiert, so ist sie in einzelnen Orten dennoch weiter dominant oder zumindest in den Strukturen (Verwaltung, Schulen und Hochschulen, Medien, Sozialverbände, Gewerkschaften, Kirchen, Vereine) massiv verankert. Betrachtet man die Biografien von Politikern der SPD und der Union, aber eben auch der Linken und mittlerweile der Grünen, so fällt ins Auge, dass diese in den seltensten Fällen „nur“ Politiker sind. Die ganz große Mehrheit besteht – typisch deutsch – aus „Vereinsmeiern“. Selbstverständlich mit Tendenzen in die eine oder andere Richtung: So mag der CDU-Mann auf dem Dorf vor allem in der Kirchengemeinde aktiv sein, der Sozi eher in Gewerkschaft oder AWO-Ortsverein und die Grüne bei einem ökologischen Verband. Doch: Aktiv und vernetzt sind sie alle, und sie tanzen nahezu allesamt auf mehreren Hochzeiten.

Verankerung, Vernetzung, Volksnähe, Mobilisierung

Und dies bedeutet nicht nur Vernetzung, Kontakte und „Vitamin B“, sondern letztlich auch eine ganz konkret und praktisch klingelnde Kasse für die jeweilige „Sache“. Denn die personelle Verquickung zwischen Zivilgesellschaft und Altparteien, besonders den linken Parteien bedeutet eben auch, wie auf Bundes-, Landes- bis hinunter zur kommunalen Ebene sichtbar ist, effektiv auch eine zuverlässige finanzielle Zuschussgarantie für eben jene Vereine und Initiativen. Unter den Antragstellern für manche Projekte finden sich dann etwa plötzlich frühere SPD-Landtagsabgeordnete oder andere „gute Bekannte“, die bei den von den Blockparteien dominierten Entscheidungsgremien einen automatischen Credibility-Vorteil haben. Moniert man dann als einzige echte Oppositionspartei, dass hier nur einseitig linke Projekte gefördert werden, wird in der Regel nicht nur erwidert, dass es ja um „universelle Werte“ und deren Förderung gehe, sondern auch, dass sich ja schließlich im Vorfeld „jeder hat bewerben können“. Da Konservative aber noch viel zu oft entweder gar nicht von derlei Möglichkeiten wissen, zu bürgerlich-brav gepolt sind oder aber kulturpessimistisch im eigenen Saft schmoren, gibt es zumindest nicht einmal andere Bewerbungen, auf die man dann als Oppositionspolitiker hätte verweisen können. Etwas, was umso tragischer ist, da das rechte Spektrum durchaus einige Ideen zur Förderung echter volksdemokratischer Elemente beizutragen hätte!

Lösung kann und muss es daher sein, auch von rechter Seite aus eine stärkere Verankerung in der Zivilgesellschaft anzustreben – beziehungsweise selbst eine zu begründen und sie den linken Strukturen entgegenzustellen! Freilich geht es hier nicht gar so sehr um Geld – wir alle wissen, dass Altparteien und Verwaltungen sehr kreativ sind, wenn es darum geht, konservativen Projekten zunächst einmal die Bezuschussung zu verwehren. Es geht vielmehr um Verankerung, um Vernetzung, um Rekrutierung und auch um öffentliche Präsenz, ebenso wie um Volksnähe.

Das Beispiel linker Strukturen zeigt am eindrücklichsten, dass die Verankerung in Vereinen, Initiativen, Projekten und sozialen Strukturen es ermöglicht, in deutlich stärkerem Maße zu mobilisieren – sei es für Demos, sei es für Aktionen, sei es auf sonstige Weise themenbezogen oder sei es im Vorfeld von Wahlen. Es macht eben einen Unterschied, ob es die Partei Die LINKE ist, die zu einer Demo gegen zu hohe Mieten oder schlechte Bezahlung im Gesundheitswesen aufruft, oder ein „breites Bündnis gegen / für…“, welches für Aktivisten auch außerhalb einer Partei offen ist, diese einbindet, Kommunikation ermöglicht, Brücken baut, Klischees und Vorurteile gegenüber Parteimitgliedern abbaut und den (sei es nun richtigen oder falschen) Eindruck einer überparteilicheren und damit stärker legitimierten Institution erweckt. Die konkreten Beispiele zeigen oftmals, dass in derlei Bündnissen nicht selten personelle Überschneidungen mit linken Parteien vorherrschen: Das Bielefelder Bündnis gegen Rechts wird maßgeblich koordiniert durch Grünen-Funktionäre; in sozialpolitischen Initiativen findet man dann oftmals Funktionsträger der SPD oder der Linken wieder. Es besteht eine regelrecht schamlose Personalunion, im Zuge derer faktisch Parteifunktionäre unter anderem Label auftreten, sich dadurch aber eine breite „zivilgesellschaftliche“ Unterstützerschaft rekrutieren. Zugleich werden auf diese Weise stetig neue Mitglieder für die betreffenden Parteien gewonnen, in die der Einstieg im postmodern-individualistischen Zeitalter oft erst einmal durch lose, nicht allzu verbindliche Projekte und Aktionen zustande kommt. Lieber erstmal der gemeinsame Flashmob oder die Demo – danach, nach dem Kennenlernen, wird dann erst das Beitrittsformular der Partei ausgefüllt.

Ein neues Element in der Mosaik-Rechten

Was eigentlich spricht dagegen, es auf der rechten Seite ganz genauso zu machen? Was spricht dagegen, vor Ort ganz eigene Vereine und Initiativen zu gründen, die selbstverständlich Partei und Jugendorganisation ebenso wenig ersetzen sollen wie die rechten sozialen Bewegungen, die aber, im Rahmen einer schlagkräftigen Mosaik-Rechten, zusätzliche, medial unverbrannte Akteure vor Ort generieren, die unverbraucht auftreten und sowohl personalpolitisch-mobilisierend als auch inhaltlich-programmatisch und themenbezogen der Partei und der Sache zuarbeiten können? Manches mag sich dabei sogar überregional zu ganz neuen Akteuren von rechts ausdifferenzieren. Zunächst einmal ist es aber wichtig, neue rechte – und: neurechte – Angebote vor Ort zu schaffen; lokal, kommunal und regional. Angebote, die durch Begegnung potenziellen Interessenten den Schrecken des rechten Klischees nehmen, die Dialog zu anderen gesellschaftlichen Akteuren schaffen, vielleicht in traditionell verbündete Sphären hinein (zum Beispiel Heimatvereine, Polizei, Schützen, Sport…), aber vielleicht sogar auch in ursprünglich linke Milieus (Studenten, Ökologie, Soziales). Erst dadurch gelingt eine langfristige Verankerung auch als Partei vor Ort, erst dadurch gelingt echte Volksnähe und auch dadurch, auch durch die Unverbrauchtheit solcher Strukturen, gelingen etwa neue und zusätzliche Formen der Präsenz in alten und neuen Medien.

Die Zivilgesellschaft ist nicht irgendein fernes Territorium, das für unsereins unbetretbar und uns durchweg feindlich gesonnen ist. Die Zivilgesellschaft kann heterogen sein, sie ist in weiten Teilen von uns unerschlossen, sie liegt jedoch durchaus vielversprechend vor uns, mit vielen ganz neuen und alternativen Möglichkeiten, unsere Inhalte zu verbreiten, zu diskutieren und zu entwickeln, uns selbst an bestehenden Diskursen zu beteiligen oder gar eigene neue Projekte auf die Beine zu stellen. Es braucht hierfür lediglich Mut, Offenheit für vorpolitische Dynamiken und Kreativität.


Zur Person:

Dr. Florian Sander, geboren 1984, studierte Rechtswissenschaft, Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Bielefeld. Er publiziert in verschiedenen patriotischen Medien.

Hinweis: Dieser Kommentar wurde im Jahr 2022 erstmalig im Konflikt Magazin veröffentlicht.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
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