Ersetzen uns Maschinen? Wie KI den Arbeitsmarkt verändert
Künstliche Intelligenz wird unseren Alltag und unser Berufsleben in Zukunft noch mehr verändern. So könnten einer Studie zufolge bald über 80 Millionen Jobs wegfallen. Für einen flächendeckenden Durchbruch der KI in der Arbeitswelt sieht ein Experte aber Hindernisse.
In den nächsten Jahren soll es auf dem globalen Arbeitsmarkt laut dem aktuellen „The Future of Jobs“-Report zu gewaltigen Umwälzungen kommen. Bis 2027 werden demnach weltweit voraussichtlich 83 Millionen Stellen abgebaut und nur 69 Millionen Stellen neu geschaffen. Das entspräche einem Nettoverlust von 14 Millionen Arbeitsplätzen, rund zwei Prozent aller derzeitigen Stellen, die im Datensatz des Weltwirtschaftsforums (WEF) erfasst werden. Als Grund für diese düstere Prognose nennt das WEF zum einen das langsamere Wachstum und die hohe Inflation, aber auch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Dieser werde sich positiv und negativ auf den Arbeitsmarkt auswirken.
Durch den Einsatz von KI werden Unternehmen neue Arbeitskräfte benötigen, um KI-Tools zu implementieren und zu verwalten. Andererseits werden durch den Einsatz manche Jobs überflüssig. Allein in der Buchhaltung und Verwaltung könnten 26 Millionen Arbeitsplätze bis 2027 wegfallen, heißt es in dem Bericht, für den Daten in 803 Unternehmen mit mehr als elf Millionen Angestellten aus 45 Ländern erhoben wurden. Vor allem Stellen von Sekretären, Ticketverkäufern und Kassierern seien gefährdet. „Regierungen und Unternehmen müssen die Veränderungen hin zu den Jobs der Zukunft durch Investitionen in Bildung, Umschulung und Strukturen für soziale Hilfen unterstützen“, erklärte etwa Saadia Zahidi, Geschäftsführerin des WEF.
Siemens will sich nicht an Spekulationen beteiligen
Anfang der Woche wurde auch bekannt, dass der große Computerkonzern IBM in einigen Bereichen weniger Arbeitskräfte einstellen will, weil ihre Tätigkeiten von Software auf Basis Künstlicher Intelligenz (KI) übernommen werden können. Der IBM-Vorstandsvorsitzende Arvind Krishna rechne damit, dass etwa in der Personalverwaltung in fünf Jahren rund ein Drittel der Stellen durch KI und Automatisierung ersetzt werden könne, wie er gegenüber dem Finanzdienst Bloomberg erklärte. Deshalb würden die Einstellungen für solche Bürotätigkeiten ausgesetzt oder gebremst. Betroffen wären etwa 7.800 Arbeitsplätze.
Auf FREILICH-Anfrage, ob von diesen Entwicklungen auch Stellen in Büros in Deutschland betroffen sein würden, hieß es von IBM-Sprecherin, Dagmar Domke, dass es keinen generellen Einstellungsstopp gäbe. Das Unternehmen stelle „bewusst und überlegt“ ein und konzentriere sich dabei auf „umsatzwirksame“ Positionen. Bei der Besetzung von Stellen, die nicht direkt mit Kunden oder der Technologie zu tun haben, sei IBM aber sehr selektiv. Dennoch stelle man derzeit aktiv für Tausende von Positionen ein, so die Sprecherin.
Ob es bei anderen großen deutschen IT-Unternehmen, etwa bei Siemens, ähnliche Bestrebungen gibt, einen Teil der Arbeitsplätze durch KI zu ersetzen, wurde auf Anfrage von FREILICH nicht beantwortet. Man gebe grundsätzlich keine Prognosen über künftige Entwicklungen von Personenzahlen ab und beteilige sich auch nicht an Spekulationen, so ein Siemens-Sprecher. Zur Bedeutung der Technologie in den Tätigkeitsfeldern verwies man lediglich auf das White Paper des Unternehmens zu dem Thema.
Energiebedarf, Datenschutz, „Selbstreferenzierung“ als Problem
Abgesehen von der Angst, KI könnte Menschen ihre Arbeit stehlen, gibt es aber noch weitere Probleme, die Experten im Zusammenhang mit dem rasanten Fortschritt in der Entwicklung dieses Bereiches feststellen. Die gewaltigen Rechnerkapazitäten und riesigen Mengen an Energie, die KI benötigt, seien nicht nur ein Hindernis für den flächendeckenden Durchbruch der KI in der Arbeitswelt. Die erfolgreichen KI-Anwendungen basierten auf dem so genannten Deep Learning, also dem Training mit riesigen Datenmengen. „Und die verschlingen Unmengen an Energie.“ Eine breite Einführung wäre deshalb für das Klima und die Erreichung der Klimaziele fatal, erklärte der Potsdamer Informatik-Professor Christoph Meinel gegenüber dem ZDF. Außerdem erscheinen ihm viele Erwartungen an die KI auch überzogen und im Hinblick auf deren Energieverbrauch zudem unrealistisch.
Meinel meldet aber auch Bedenken an, was den Datenschutz angeht. „Wer im Internet neueste Anwendungen der Künstlichen Intelligenz ausprobiert, sollte mit der Preisgabe sensibler eigener Daten vorsichtig sein.“ Wenn etwa interne Finanzdaten hochgeladen werden, damit automatisch eine Präsentation daraus erstellt wird, müsse einem klar sein, dass dadurch möglicherweise auch Geschäftsgeheimnisse preisgegeben werden.
Auf FREILICH-Anfrage gab Meinel eine Empfehlung an die Politik ab und rät dazu, die Entwicklung von KIs „sehr aufmerksam und kritisch“ zu verfolgen. „Eine vorsichtige, die Innovation nicht abwürgende Regulierung ist notwendig, die in dem Bewusstsein, dass wir die KIs und den Umgang mit KI noch nicht gut verstehen, immer wieder der Entwicklung angepasst werden muss“, so der Informatik-Professor. Ein weiteres mögliches Problem sieht Meinel in der „Selbstreferenzierung“ von KIs. Denn die Qualität von KIs hängt stets von den Trainingsdaten ab, die ihr zur Verfügung stehen. Zurzeit bestehen diese Daten aus von Menschen erzeugten Texten. In Zukunft werden aber viele Texte von den KIs selbst erzeugt und werden damit Teil der Trainingsdaten für KIs, so der IT-Experte gegenüber FREILICH.
Automatisierung erfolgt langsamer als gedacht
Künstliche Intelligenz ist aus der heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Bereits seit Jahren begleitet uns ihr Einsatz in den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens, sei es privat oder aber beruflich. Wer im Internet recherchiert, bedient sich Künstlicher Intelligenz. Wer Produkte im Internet kauft, bedient sich Künstlicher Intelligenz. Wenn Nutzern online Produkte zum Kauf angeboten werden, steckt dahinter Künstliche Intelligenz. Die Weiterentwicklung dieser Technologie wird am Ende vor allem dazu führen, dass mit ihrer Hilfe Sachbearbeitung unterstützt beziehungsweise zur Gänze übernommen wird, erklärt Meinel. Darin sieht der Experte aber auch Chancen für Unternehmen. Denn durch den Einsatz von KI in Bereichen mit sich ständig wiederholenden Arbeiten würden Ressourcen für komplexere Tätigkeiten auf höherem Niveau frei.
Es bleibt jedoch abzuwarten, ob diese Veränderungen so schnell eintreffen werden, wie manche „befürchten“. Denn die Automatisierung kommt deutlich langsamer in Gang, als noch vor wenigen Jahren angenommen. So werden in den vom WEF befragten Unternehmen derzeit rund 34 Prozent aller geschäftsbezogenen Aufgaben von Maschinen erledigt. Das ist nur ein Prozent mehr als im Jahr 2020. Damals gingen die befragten Arbeitgeber davon aus, dass im Jahr 2025 schon 47 Prozent aller Aufgaben automatisiert sein würden. Die Schätzungen wurden nun dementsprechend nach unten korrigiert, und zwar auf 42 Prozent bis zum Jahr 2027.