Polnische Regierung unter Schleuser-Verdacht: 350.000 Arbeitsvisa verkauft?
Aktuell befindet sich Polen im Wahlkampf, am 15. Oktober stimmt die Bevölkerung über ein neues Parlament ab. Nun erschüttert ein Skandal um die illegale Vergabe von Visa durch polnische Konsulate außerhalb der EU das Land.
Seit etwa zwei Jahren kommen immer mehr Migranten aus dem Nahen Osten oder Afrika über die sogenannte Weißrussland-Route nach Polen und damit in die EU. Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko lässt sie nach Weißrussland einfliegen und drängt sie zum Teil gewaltsam über die Grenze nach Polen. Die meisten Migranten reisen dann weiter nach Westen, nach Deutschland oder in die Niederlande. Die deutsche Bundespolizei, die im Raum der polnischen Grenze stichprobenartige Kontrollen durchführt, aber auch die Behörden in anderen an Polen angrenzenden deutschen Bundesländern wundern sich seit Wochen über die steigende Zahl von Migranten, die über den Osten kommen. Denn Polen hat seine Grenze zu Weißrussland bereits im Jahr 2022 mit einer mehr als vier Meter hohen Mauer massiv gesichert. Trotz der Grenzmauer und des harten Durchgreifens der polnischen Grenzbeamten und der Armee kommen immer mehr Syrer oder Afghanen über Polen nach Deutschland, wie die WELT berichtet. Allein im ersten Halbjahr griff die Bundespolizei 12.000 illegal eingereiste Migranten auf. In Deutschland stellen sie dann meist einen Asylantrag.
Polnische Regierung als „Schleuser“
Die polnischen Sicherheitsbehörden erklärten den Anstieg der Migrantenzahlen bisher damit, dass Minsk, aber auch Moskau ihre Aktivitäten verstärkt hätten, Menschen nach Polen zu drängen. Doch das scheint nicht die ganze Wahrheit zu sein. Nun erschüttert ein Skandal um die illegale Vergabe von Visa durch polnische Konsulate außerhalb der EU Polen. Wie mehrere Medien berichten, deutet vieles darauf hin, dass die polnische Regierung selbst als „Schleuser“ von Migranten nach Europa tätig war.
Polnische Medien berichten von einem korrupten „Netzwerk“ oder einer „Mafia“ in polnischen Konsulaten etwa in afrikanischen Ländern, die zusammen mit privaten Unternehmern – konkret ist von einer Firma in Dubai die Rede – illegal Visa für Polen zu Tausenden oder gar Hunderttausenden ausgestellt haben sollen. 5.000 Euro sollen diese Einreisen in die EU für Menschen aus Afrika oder Südostasien gekostet haben. Im Internet und in Sozialen Medien finden sich Anleitungen in arabischer oder englischer Sprache, wie man auf einfache Weise an polnische Papiere kommt und damit gefahrlos per Flugzeug in die EU einreisen kann. Es sind Indizien, die darauf hindeuten, dass sich seit Monaten ein illegaler Handel etabliert hat, von dem korrupte polnische Beamte und sogar Politiker profitiert haben sollen. Die erteilten Arbeitsvisa gelten zwar nur für Polen. Da das Land aber zum Schengen-Raum gehört, können die Migranten damit problemlos nach Deutschland weiterreisen, dort ihre Papiere verschwinden lassen und Asyl beantragen.
Polen Spitzenreiter bei Verteilung von Visa
Es ist seit langem bekannt, dass kein anderes Land in Europa so viele Aufenthaltsgenehmigungen für Nicht-Europäer ausstellt wie Polen. Ein Drittel aller in der EU ausgestellten Aufenthaltsgenehmigungen für Nicht-Europäer, vor allem aus arabischen und afrikanischen Ländern, entfällt auf das Land. Dabei betont die polnische Regierungspartei regelmäßig, so gut wie keine Menschen aus muslimisch geprägten Ländern nach Polen zu lassen. Doch seit fünf Jahren in Folge ist ausgerechnet Polen Spitzenreiter bei der Erteilung von Papieren, 970.000 Genehmigungen sind es allein im Jahr 2021. Die Zahlen für 2022 hat Warschau noch gar nicht an die zuständigen europäischen Stellen übermittelt, nicht ohne Grund, wie Kritiker der Regierung nun vermuten. Das Ausmaß der Affäre ist noch nicht absehbar. Doch polnische Medien oder Politiker wie Marcin Kierwinski von der größten Oppositionspartei Bürgerplattform (PO) gehen davon aus, dass Polen allein in den vergangenen drei Jahren 350.000 Visa entgegen den geltenden Bestimmungen ausgestellt hat.