Warum Deutschland ein großer Verlierer des Ukrainekrieges ist

Deutschland ist mit fast 70 Milliarden Euro das Land, das am meisten für und wegen des Ukrainekrieges zahlt. In seinem Kommentar für FREILICH fordert Jurij Kofner als ersten Schritt die Unterstützung von Friedensverhandlungen und den Stopp deutscher Waffenlieferungen in die Ukraine.

Jurij Kofner
Kommentar von
30.9.2023
/
6 Minuten Lesezeit
Warum Deutschland ein großer Verlierer des Ukrainekrieges ist

Jurij Kofner

In einem kürzlich veröffentlichten Werbespot feiern die US-Neocons den Krieg in der Ukraine offen als lukrativen Stellvertreterkrieg. Tatsache ist: Neben den beiden direkten Kriegsparteien trägt Deutschland den größten Schaden aus diesem Konflikt, während die USA die größten Kriegsgewinner sind. Es liegt im deutschen Interesse, die Beziehungen zu Russland zu verbessern. Mit fast 85 Milliarden Euro ist die europäische humanitäre, finanzielle und militärische Hilfe für die Ukraine um 15 Milliarden Euro (21 Prozent) höher als die der USA, wie aus einem regelmäßig aktualisierten Bericht des Kieler Instituts hervorgeht.

Deutschland ist mit fast 70 Milliarden Euro das Land, das am meisten für und wegen des Krieges zahlt. Die bilaterale Hilfe beläuft sich auf 20,9 Milliarden Euro, davon sind 17,1 Milliarden (vier Fünftel!) Waffenlieferungen. Weitere 35,1 Milliarden Euro sind in deutschen Bürgschaften für EU-Hilfen an die Ukraine versteckt. Und die Sozialleistungen für die über 1,1 Millionen ukrainischen Flüchtlinge, die seit Kriegsbeginn nach Deutschland gekommen sind, haben den deutschen Steuerzahler weitere 13,1 Milliarden Euro gekostet.

Zahlmeister für den Krieg

Während Deutschland seine verbliebenen Waffensysteme in die Ukraine schickt, kauft es neue von der US-Rüstungsindustrie: Zwischen 2021 und 2022 hat diese laut SIPRI ihre Exporte in die BRD fast verdoppelt. Ein lukratives Geschäftsmodell.

Die Ampelregierung gibt Steuergelder für den Krieg in der Ukraine aus, während es für die eigene Bevölkerung an allen Ecken und Enden fehlt. Zur Größenordnung: 70 Milliarden Euro sind so viel wie die Bundesausgaben für Forschung und Bildung, Gesundheit, Familie, Wirtschaft und Wohnen zusammen. Oder anders ausgedrückt: Mit 70 Milliarden Euro könnte der Staat zehn Jahre lang alle KiTa-Beiträge bezahlen, fünf Jahre lang den Eigenanteil für alle Pflegebedürftigen übernehmen oder drei Jahresgehälter für eine halbe Million Grenzpolizisten zahlen.

Ein Schuss ins eigene Knie

Neben den direkten Zahlungen für die Aufrechterhaltung des Krieges in der Ukraine und die Versorgung der ukrainischen Flüchtlinge trägt die deutsche Wirtschaft die höchsten Kosten durch die Beteiligung an den westlichen Sanktionen und dem Energieembargo gegen Russland. Schon vor dem Ausbruch des heißen Krieges in der Ukraine haben die westlichen Sanktionen deutsche Unternehmen seit 2014 jährlich 5,4 Milliarden Euro (0,16 Prozent des BIP) gekostet, wie eine Studie des ifo Instituts zeigt. Die extraterritorialen Sanktionen des US-Finanzministeriums haben vor allem europäischen Unternehmen geschadet: Gegen sie wurden im vergangenen Jahrzehnt 83 Prozent der Strafen verhängt, gegen amerikanische nur drei Prozent.

Seit Februar 2022 haben Brüssel und Washington ihr multilaterales Sanktionsregime deutlich verschärft, worunter Deutschland vor allem durch die Exportverbote und das Energieembargo leidet. Vor allem wegen des EU-Exportverbots für Dual-Use-Technologien sanken die deutschen Warenexporte nach Russland 2022 gegenüber 2021 um zwölf Milliarden Euro (45 Prozent), die Dienstleistungsexporte um 30 Prozent, wie Daten der Bundesbank zeigen.

Negative Auswirkungen durch Energieembargo

Zehnmal drastischer waren die negativen Auswirkungen des Energieembargos. Im Frühjahr 2022 verhängte die EU ein Verbot für russische Kohle und Öl. Als Reaktion auf die europäischen Sanktionen, insbesondere auf jene gegen Finanztransaktionen, musste Russland im Sommer seine Gaslieferungen über die Jamal- und die Nord-Stream-1-Pipeline reduzieren.

Im September 2022 sollen die USA durch die Sprengung der Unterwasserstränge Nord Stream 1 und 2 einen Angriff auf die strategische Infrastruktur Deutschlands verübt haben. Diese Anschuldigung wird durch Aussagen des US-Präsidenten Joe Biden, des Enthüllungsjournalisten Seymour Hersh, des ehemaligen CIA-Analysten Raymond McGovern, des ehemaligen polnischen Verteidigungs- und Außenministers Radosław Tomasz und vieler anderer glaubwürdiger Quellen gestützt. Das Schlimmste an der Sache ist, dass die Ampel-Regierung seit über einem Jahr keinen Finger gerührt hat, um diesen Terroranschlag aufzuklären.

In der Folge war Deutschland gezwungen, von relativ billigem russischem Pipelinegas (durchschnittlich 12 bis 21 Euro pro MWh in den 2010er-Jahren) auf wesentlich teureres amerikanisches Flüssiggas umzusteigen, dessen Preis in Europa zwischen Februar und Dezember 2022 bei durchschnittlich 140 Euro pro MWh lag. Schon vor dem Krieg war Flüssiggas laut OMV rund 50 Prozent teurer als Erdgas.

Eigentliches Ziel bisher nicht erreicht

Das IW Köln beziffert den Wohlfahrtsverlust Deutschlands durch die Energiekrise auf rund 65 Mrd. Euro im Jahr 2022. Der DIHK schätzt die kombinierten Kosten aus Exportverboten und höheren Energiekosten auf rund 91,4 Mrd. Euro pro Jahr. Dies entspricht einer Verarmung von rund 1.500 bis 2.200 Euro pro Haushalt und Jahr. Die USA haben sich am Leid der deutschen Verbraucher und Produzenten eine goldene Nase verdient. Zwischen 2021 und 2022 stiegen die amerikanischen LNG-Exporte nach Deutschland um das 17-fache (!). Europaweit konnten die US-Flüssiggasexporteure 23,6 Milliarden Euro zusätzlich verdienen.

Während die Sanktionen und das Energieembargo den Deutschen erheblich geschadet und der amerikanischen Wirtschaft genutzt haben, haben sie ihr angebliches Ziel, die russischen Kriegsanstrengungen zu stoppen, bisher nicht erreicht. Es ist sogar das Gegenteil zu vermuten. Nach Angaben des russischen Finanzministeriums stiegen die Staatseinnahmen aus dem Öl- und Gassektor im Jahr 2022 gegenüber 2021 um 29 Milliarden Euro, also um mehr als ein Viertel.

Im Jahr 2023 wird die Wirtschaft Russlands und der USA um zwei Prozent wachsen, während das deutsche BIP um 0,5 Prozent schrumpfen wird. Dies ist ein weiteres Zeichen dafür, wie das transatlantische Sanktionsregime die Russen kalt lässt, den Deutschen schadet und den Amerikanern nützt, was an das berühmte Zitat von Lord Hastings Ismay über die Rolle der NATO erinnert: „Die Russen draußen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen unten zu halten.“

Bloß keine zukünftigen AfD-Wähler

Neben deutschen Staatsbürgern leiden vor allem Deutschstämmige aus dem postsowjetischen Raum unter der aktuellen Haltung Berlins. Nicht nur, dass die Bundesregierung der Völkerverständigung zuwiderhandelt, indem sie die Erteilung von Schengen-Visa von Russland nach Deutschland im Jahr 2022 gegenüber 2021 um über 37 Prozent reduziert hat und sogar die Privatautos harmloser russischer Touristen beschlagnahmt.

Seit dem Frühjahr 2022 setzt die Ampel auch alles daran, tausende sogenannte Russlanddeutsche, also Spätaussiedler, an der Rückkehr nach Deutschland zu hindern. Laut BVA haben sich die entsprechenden Anträge im ersten Halbjahr 2023 gegenüber dem ersten Halbjahr 2021 fast halbiert, die Bewilligungen sind um fast 42 Prozent zurückgegangen.

Fast vier Fünftel dieser Spätaussiedler haben einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss und 92 Prozent verfügen über „gute“ bis „sehr gute“ Deutschkenntnisse. Es sind Deutsche, die in Deutschland leben, arbeiten und Steuern zahlen wollen, aber vom SPD-Innenministerium abgewiesen werden - trotz des viel beklagten Fachkräftemangels.

Vor dem Hintergrund der illegalen Masseneinwanderung und der linken Rassismushysterie ist der Paragraphenvorwand, mit dem diese Spätaussiedler abgewiesen werden, besonders perfide: Angeblich können sie ihre „Zugehörigkeit zum deutschen Volkstum“ (!) nicht ausreichend nachweisen. Der wahre Grund für die Ablehnungen ist jedoch viel machiavellistischer: Die Politiker der Ampelparteien haben erkannt, dass die überwiegend konservativen Russlanddeutschen, wenn sie den deutschen Pass erhalten, im Gegensatz zu den bald eingebürgerten Arabern und Afrikanern wahrscheinlich nicht sie, sondern die AfD wählen werden.

Ein Traum, den man nur flüstern kann

Fakt ist: Abgesehen von den direkt beteiligten Kriegsparteien zahlen die Deutschen am meisten für und durch den Krieg in der Ukraine: mit Schulden, Auslandsüberweisungen, Inflation, Deindustrialisierung und verweigerten Visa. Während die USA profitieren.

Doch es hätte auch ganz anders kommen können. Aus Otto von Bismarcks Vision einer strategischen Allianz zwischen Deutschland und Russland wurde der Traum eines „gemeinsamen Wirtschaftsraums von Lissabon bis Wladiwostok“. Modellrechnungen des ifo-Instituts zeigen, dass die Verwirklichung dieses Traums das Realeinkommen in Deutschland um 0,3 Prozent (11,6 Milliarden Euro) erhöht hätte. Vor allem die Automobil- und die Baubranche würden von einer solchen kontinentalen Freihandelszone profitieren. Langfristig hätte die Kombination von deutscher Technologie und Kapital mit russischen Ressourcen, Raum und Arbeitskräften enorme Perspektiven für Wohlstand, konservative Werte und geopolitische Unabhängigkeit eröffnen können.

Das ist derzeit eine unpopuläre Meinung, aber wir müssen zu diesem Traum zurückkehren. Erste Schritte müssen die Unterstützung von Friedensverhandlungen, der Stopp deutscher Waffenlieferungen in die Ukraine, die Aufhebung aller Sanktionen gegen Russland, die Wiederaufnahme günstiger russischer Gaslieferungen, gegenseitige Visaerleichterungen und die ungehinderte Einreise aller deutschen Spätaussiedler sein.


Zur Person:

Jurij Kofner ist gebürtiger Münchner und arbeitet als Ökonom beim Miwi Institut. Zudem ist er AfD-Landtagskandidat.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
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