‚Die Tagesstimme‘: Eine Gefahr für Demokratiefeinde

Mit Spannung wurde die letztlich gescheiterte Abstimmung über einen JETZT-Entschließungsantrag zur Verbotsprüfung vermeintlich Identitären-naher Vereine erwartet. Als die Details dann publik wurden, stellte sich heraus wie unfassbar dessen Inhalt eigentlich ist.
Julian Schernthaner
Kommentar von
26.9.2019
/
5 Minuten Lesezeit
‚Die Tagesstimme‘: Eine Gefahr für Demokratiefeinde

Bild Stift/Block: Pixnio [CC0] / Header „Die Tagesstimme & Komposition: Die Tagesstimme.

Kommentar von Julian Schernthaner.

Was ich auf meiner abendlichen Twitter-Runde sehen sollte, ließ mich schlucken. Eine JETZT-Abgeordnete teilte ein Bild des Antrages, welcher drei Vereine listete, welche von einer Bundesregierung idealerweise per Bescheid zu verbieten seien. Im Rundumschlag gegen vermeintliche Identitäre befand sich auch der „Verein für unabhängige Medien- und Informationsarbeit“ Das ist der rechtliche Name für den Arbeitskreis Nautilus, dem auch die Tagesstimme angehört.

Unabhängiger Medienverein im Fokus

Man weiß nicht wo man anfangen soll. Ist es die kognitive Dissonanz, einen Verein als angeblichen „Tarnverein“ verbieten zu wollen, dessen Onlinezeitung tagesaktuell berichtet und dessen Rechercheteam mehrere Studien publizierte? Oder die mangelnde Nachvollziehbarkeit, woher Peter Pilz und Konsorten die Behauptung haben, es handle sich dabei um einen von der Identitären Bewegung gegründeten Verein.

Eine entsprechende schriftliche Anfrage an seine Liste wurde zwar gelesen, bleibt aber vorerst unbeantwortet. So viel ist klar: Bislang war immer die Rede von drei Vereinen – von denen einer bereits aufgelöst wurde. Nun landen wir plötzlich als vierter Verein mitten im Fokus. Tatsächlich sind wir aber von allen Parteien, Unternehmen und Organisationen unabhängig. Zum Mitschreiben: ‚Alle Organisationen‘ meint auch die Identitären.

Sellner bestätigt: Kein Identitären-Verein

Nun soll es vorkommen, dass Medien mit patriotischer Blattlinie eine nicht-linke und programmatisch gewaltfreie Protestgruppe zwischendurch weniger ablehnend behandeln, als dies linke Journalisten bei etablierten Medien tun. Auch mag es im überschaubaren außerparlamentarischen patriotischen Spektrum die ein oder andere bessere Bekanntschaft, ja vielleicht sogar vereinzelte Freundschaft geben. Die pflege ich allerdings auch zu mehreren Sozialdemokraten, ich selektiere nicht nach Gesinnung.

Ein ‚Identitären-Verein‘ wird man dadurch ebenso wenig, wie Urlaubsreisen von Tarek Leitner mit Christian Kern den ORF zu einem SPÖ-Sender machten. Sogar die Denunziations-Plattform „Stoppt die Rechten“, welche sich im Vorjahr etwa mit Falschinfos über vermeintliche Regierungsinserate bei der Tagesstimme blamierte, hat den Anstand uns nur zu unterstellen, bestenfalls „im Vorfeld“ der Gruppe zu agieren. Auch Identitären-Leiter Sellner bestätigte am Mittwoch: Wir sind kein IB-Verein.

Erfundene Vorwürfe in Entschließungsantrag

Aber es wäre geschenkt, wenn es bei diesen Behauptungen bliebe. Denn an einem anderen Punkt behauptet der Antrag vollmundig, es gäbe Verfahren gegen Funktionäre sämtlicher drei gelisteter Vereine sowie gegen die Vereine selbst. Diese fänden nach dem Finanzstrafrecht sowie nach den Straftatbeständen der terroristischen Vereinigung (§283 StGB) und der Verhetzung (§278 StGB) statt.

Uns sind derartige Vorwürfe ebenso neu wie für das Innenministerium. Dieses bestätigt auf Nachfrage der Tagesstimme, dass unser Verein „nicht Gegenstand von strafprozessualen Ermittlungen“ sei. Trotzdem sollte mit diesen offensichtlich erfundenen Anwürfen wohl ein Verbot angestrebt werden. Weil jemand, den wir dreimal interviewt haben, vor 20 Monaten eine Spende eines damals unbescholtenen und geheimdienstlich unauffälligen Mannes bekam.

Unbescholten und ohne Aufschrei zum Handkuss?

Das Tragische daran ist aber nicht nur, dass man in Österreich als völlig unbescholtener Journalist und Funktionär eines ein Medium betreibenden Vereins ohne Überprüfung der Behauptungen quasi zum Gegenstand einer parlamentarischen Abstimmung werden kann, komplett mit der mittelbaren Unterstellung schwerster, rein fiktiver Straftaten. Im ‚Kampf gegen Rechts‘ sind möglichst steile Behauptungen wohl dienlicher als nüchterne Faktentreue.

Mindestens ebenso tragisch ist aber auch, dass diejenigen Politiker und Mainstream-Journalisten, welche in jedem vermeintlich schiefen Satz eines blauen Ex-Ministers einen Anschlag auf die Pressefreiheit vermuteten, alle schweigen. Nun, da tatsächlich Vereinsfreiheit und Pressefreiheit für Patrioten auf dem Spiel stehen, hüllen sie sich in eisernes Schweigen. In Österreich wohlgemerkt, nicht in Ungarn, Polen oder der Türkei.

Unhaltbare Behauptungen gegen Patrioten

Vielleicht handelt es ja nur um einen unfassbar peinlichen Irrtum eines greisen Linkspolitikers wenige Tage vor seinem parlamentarischen Ruhestand. Aber die Anatomie der Sache lässt zumindest berechtigte Zweifel aufkommen, dass sich der Vorstoß an Tatsachen orientieren wollte. Denn selbst wenn unser Verein nur versehentlich im Konvolut wäre, strotzt der Antrag nur so von unbelegten und hanebüchenen Behauptungen.

So unterstellt das Pilz-Papier den Identitären, den österreichischen Verfassungsstaat abzulehnen und ein „nationalistisch-völkisches Weltbild“ zu pflegen. Außerdem behauptet der Antrag, die programmatisch gewaltfreie Gruppe lanciere angeblich „Gewaltaufrufe“ und „tatsächliche Gewalthandlungen“. Zwar gibt keine Schrift oder Aussage der patriotischen Gruppe oder ihrer Vertreter eine solche Deutung her, aber irgendwas wird schon hängen bleiben.

Wieder Ärger mit ominöser Liste

Als Beleg darf daher wieder einmal eine ominöse Liste dienen, von der die Gruppe bereits im April klarstellte, sie sei keine Mitgliederliste. Man stellte damals heraus, das die eigenen Aktivisten unbescholten seien. Gleichzeitig sei man natürlich nicht in der Lage, die Vita seiner Spender oder Rundbriefempfänger zu eruieren. Bis heute ist zudem unklar, wer diese hochsensible Liste damals an Medienhäusern durchstach.

Alles mit dem Unterschied, dass diesmal erstmals behauptet wird, dass die genannten Verurteilungen aufgrund von „im Dunstkreis der IBÖ gesetzten Aktionen“ stattgefunden hätten. Ein kurzer Abgleich mit Medienberichten der letzten sieben Jahre hätte locker herausgestellt: kein Identitärer wurde in diesem Zeitraum wegen genannter Delikte, geschweige denn im Zuge seines Aktivismus, rechtskräftig verurteilt. Und ja, bei der allgemeinen Hysterie um die Gruppe wüssten wir das bei jedem einzelnen Fall.

Dreiparteienangriff auf die Grundrechte

Der ÖVP, welche ein Identitären-Verbot zur Koalitionsbedingung machen wollen, obwohl beide sich inhaltlich mit ihnen in allen Punkten wo sie sich schneiden, kaum unterscheiden, war dies scheinbar egal. Auch die NEOS, welche sich als liberale Partei bezeichnen, nickten die Vorlage ab. Hätte sich nicht neben die Freiheitlichen auch die Sozialdemokratie gegen parlamentarische Verbotsfantasien verwehrt, wären wir nun Objekt einer Verbotsprüfung. Auch bei diesen Parteien blieb eine schriftliche Anfrage zu den Motiven für ihr Abstimmungsverhalten bis dato unbeantwortet.

Unfassbar entlarvend zeigte sich übrigens Peter Pilz auch am Tag danach. Er rügte in einem offenen Brief dieses Abstimmungsverhalten. Denn gegen die ÖVP-Idee mit der Abänderung des Vereinsrechts ist er, weil es „wieder Tierschützer und Umweltschützer, also die Falschen treffen“. Es ging ihm bei der Beschneidung von Grundrechten also nur darum, dass es ‚die Richtigen‘ trifft. Und dazu gehören dem Wortlaut seines Antrags auch unbotmäßige, patriotische Medienangebote wie die Tagesstimme.

Unabhängige Gegenöffentlichkeit unterstützen

Nun haben wir, in einem Wink des Schicksals, aber im Gegensatz zu Pilz auch am Montag noch eine Arbeit. Aber nur mit Eurer Mithilfe können wir dauerhaft ein Stachel im Rücken des verstaubten Blätterwaldes sein und die Lücken in der herkömmlichen Berichterstattung schließen. Auch dann, wenn die Urheber totalitären Bestrebungen wieder ausreiten, um die Gegenöffentlichkeit zu verhindern. Es wird nicht das letzte Mal sein.

Denn wir bei der Tagesstimme sind und bleiben unabhängig, da wir nur unseren Lesern, dem eigenen Gewissen und der Wahrheit verpflichtet sein wollen. Dabei bringen wir euch natürlich auch jene Sichtweisen, Gruppen und Entwicklungen näher, welche die Leitmedien verschweigen. Dafür scheuen wir keine Mühe und keine Opfer. Wer möchte, dass dies so bleibt, kann unsere wichtige Arbeit >>hier<< unterstützen.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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