Gespräch mit Ex-Förster und AfD-Politiker: „Es wird Jahrhunderte dauern, bis der Harz wieder ein Mischwald ist“

Der Borkenkäfer hat große Teile des Harzwaldes zerstört. Der Nationalpark Harz macht den Klimawandel dafür verantwortlich. Acht ehemalige Förster hingegen sehen die Schuld bei der woken Nationalparkverwaltung. Der AfD-Politiker Marcel Queckemeyer und der pensionierte Förster Rainer Oebike plädieren für eine differenzierte Sichtweise.

Interview von
22.1.2024
/
6 Minuten Lesezeit
Gespräch mit Ex-Förster und AfD-Politiker: „Es wird Jahrhunderte dauern, bis der Harz wieder ein Mischwald ist“

Rainer Oebike (Forstbeamter a.D.) und Marcel Queckemeyer (AfD-Landtagsabgeordneter in Niedersachsen, Sprecher für Umwelt und Tourismus)

© FREILICH

FREILICH: Herr Oebike, erleben wir im Harz gerade das größte Waldsterben der deutschen Nachkriegsgeschichte?

Rainer Oebike: Nein. Wir hatten zu meiner Zeit im Studium schon mal erhebliche Probleme mit „neuartigem Waldsterben“ aufgrund von Luftschadstoffen im Fichtelgebirge. Bei den Schadstoffen, die wir weltweit von uns geben, setzen wir Pflanzen und Tieren einen erheblichen Stress aus. Das hatten wir um 1800 noch nicht. Bäume wie die Fichte mit dem hohen Auffangvermögen über die Nadeln nehmen viel mehr Schadstoffe auf als Laubbäume. Auch haben wir in Niedersachsen erhebliche Schäden durch Brände gehabt. Jetzt beobachten wir, dass aufgrund von Wetterveränderungen wie Dürrephasen Bäume unter Stress leiden und auch absterben. Das ist nicht nur bei der Fichte zu beobachten, sondern betrifft auch andere Holzarten.

Der Nationalpark umfasst etwa zehn Prozent des gesamten Harzes. Wie viel Fichtenwald ist im Nationalpark und im Restharz vom Waldsterben betroffen?

Marcel Queckemeyer: Man spricht davon, dass im Nationalpark fast die komplette Fläche von um die 20.000 Hektar weg ist. Im Harz ohne den Nationalpark sind etwa 21.000 bis 22.000 Hektar betroffen.

Im Jahr 2014 hatten wir in Deutschland erstmals eine Durchschnittstemperatur von über zehn Grad. Gleichwohl hatten wir 1911, 1921, 1929 und 1953 extrem trockene Jahre, die mit Durchschnittstemperaturen von etwa neun Grad nicht sehr weit von den aktuellen Höchsttemperaturen entfernt sind. Was sagen Sie zur Auffassung, dass die Ausbreitung des Borkenkäfers mit dem sogenannten Klimawandel zu tun habe?

RO: Eine Fichte, die gut mit Feuchtigkeit, mit Nährstoffen versorgt ist, verfügt auch über die notwendigen Abwehrkräfte. Wenn sich dort der Borkenkäfer einbohrt, wird er sofort durch den Harzfluss gekillt. Findet der Harzfluss aber nicht statt, kann der Borkenkäfer sein für uns zerstörerisches Werk beginnen. Dies ist ein natürlicher und normaler Prozess. Der Begriff Klimawandel ist aktuell sehr in Mode gekommen. Wir hatten 2003 einen sehr trockenen Sommer. Was die Klimaveränderung betrifft, so befinden sich in den letzten 30, 40 Jahren wesentlich mehr Menschen auf der Erde. Dadurch erhöhte sich die CO₂-Produktion um ein Vielfaches.

Wetter ändert sich, gewohnte Prozesse wie Jahreszeiten werden anders erlebt. Stürme, Dürren und Niederschlagsmengen nehmen zu. Die Geschwindigkeit ist beängstigend. Kann diese Geschwindigkeit wirklich gebremst werden? Ich bin da pessimistisch. Doch insgesamt macht mir das Artensterben wesentlich mehr Sorge! Flurbereinigung und der hohe Druck, dem die Landwirtschaft ausgesetzt ist, haben in den letzten Jahren zu erheblichen Problemen in der Tier- und Pflanzenwelt geführt. Hier ist ein sofortiges Umdenken erforderlich. Mischwaldflächen, Hecken und Flurgehölze, Streuobstflächen und Blühstreifen können das Artensterben bei uns mindern.

MQ: Die Fichte ist in Trockenperioden sehr stressanfällig. Meines Erachtens ist das ein völlig normaler Wetterzyklus. Solche Phasen hatten wir schon immer. Jetzt wird hier aber gerade ein riesengroßer Klimahype gemacht. Man muss ehrlicherweise auch sagen: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde hier der Mischwald von den Engländern komplett abgeholzt und als Reparationszahlung mitgenommen. Danach hat man den Fehler gemacht, nur mit Fichte wieder aufzuforsten. Man sieht das immer so schön an den 50-Pfennig-Stücken, wo eine Pflanzfrau mit einer jungen Eiche abgebildet ist. So wurde das im Harz aber leider nicht gemacht.

Man brauchte Fichte, schnell nachwachsendes Bauholz für den Bergbau. Wenn ich einen gesunden Mischwald mit Buche habe, wo die Fichte untergepflanzt ist, dann hält sich das Wasser viel, viel länger im Boden. Dann ist die Fichte wesentlich stressfreier. Oben am Brocken ist die Fichte ja zum Teil noch da, weil sie dort durch die höheren Niederschläge genug Wasser hat. In diesen Höhen war die Fichte auch ursprünglich immer schon heimisch. Nur hier in den unteren Lagen war es ursprünglich ein Mischwald. Hauptsächlich Buche.

Besteht ein Zusammenhang zwischen den jüngsten Überschwemmungen im Harz? Ist es wegen des Waldsterbens vermehrt zu Erosionen gekommen?

MQ: Das ist schwer zu sagen. Grundsätzlich speichert ein gesunder Waldbestand das Wasser am besten. Wenn ich keine vernünftige Vegetation habe, läuft das Wasser viel schneller den Hang herunter. Ob das Hochwasser, von dem in den letzten Wochen die Medien berichten, wegen des Waldsterbens so extrem ist, finde ich fraglich. Ich habe letztens meinen Parteikollegen Alfred Dannenberg besucht. Seine Familie wohnt seit Jahrhunderten direkt an der Aller.

Dieses Hochwasser kommt circa alle zehn Jahre vor. Die Höhe des Wassers, die wir aktuell haben, ist völlig normal gewesen, kein Katastrophenfall. Als Erstes sollten wir Hanglagen wieder aufforsten, von oben nach unten. So vermeiden wir in den nächsten Jahren die Gefahr des Erdrutschs. Wenn dort nämlich keine vernünftige Verwurzelung stattfindet, keine Pflanzendecke da ist, dann greift der Regen, greift der Wind an und es kommt zu Erosionen.

Was bedeutet das Waldsterben für die Artenvielfalt?

MQ: Wenn wir die Tothölzer liegen lassen, kann Wasser auch nicht abfließen. Es bilden sich Pfützen, es bilden sich Feuchtgebiete. Das ist besonders gut für die Amphibien. Gerade in den Wirtschaftsforsten wird aber nichts liegengelassen. Wir haben ja mittlerweile für unsere Insekten, für unsere Vögel gar keine Tothölzer mehr. Es wird alles sauber gemacht. Jeder hat einen Kamin zu Hause. Der Forst muss Geld machen, das ist auch richtig so. Das ist ein flächendeckendes Problem in Niedersachsen. Hier im Nationalpark ist es richtig, dass wir eine Menge liegen lassen, dass sich dadurch Flora und Fauna wieder entwickeln.

Welche Auswirkungen hat das Waldsterben auf die Wirtschaft?

MQ: Der Harz ist sehr stark vom Tourismus geprägt. Im privaten Umfeld wurde mir gesagt: „Ich bin letztes Jahr noch im Harz im Urlaub gewesen, sieht ja schrecklich aus. Die nächsten Jahre brauchen wir da nicht hinzufahren.“ Ich denke, dass die Probleme für die Tourismusbranche in den nächsten zwei, drei Jahren erstmal richtig kommen.

Der ehemalige Leiter des Nationalparks Harz, Wolf-Eberhard Barth, und sieben weitere Förster erheben in der Welt schwere Vorwürfe gegen die Nationalparkverwaltung. Diese sei wegen ideologischer Verblendung und Nichtbekämpfung des Borkenkäfers für das Waldsterben verantwortlich. Wie sehen Sie das?

MQ: Man kann nicht zu 100 Prozent verhindern, dass es ein Waldsterben gibt. Wenn man in diesem Nationalpark aber in den letzten Jahrzehnten vernünftig mit Laubbäumen untergebaut hätte, dann wäre das Ausmaß nicht so extrem wie jetzt gewesen. Die Forstgebiete in meinem Landkreis Osnabrück bestehen hauptsächlich aus Buche mit vereinzelten Fichten. Bei uns hat die Trockenheit keine großen Auswirkungen. Das Phänomen dieser riesengroßen Todflächen, das ist meine persönliche Meinung, liegt an der Monokultur von Fichtenwäldern im Harz. Wenn wir in den 50er-Jahren darauf geachtet hätten, dass es ein Mischwald wird, hätten wir diese Probleme definitiv nicht.

RO: Das Fichtensterben ist durch die genannten Probleme schwerlich zu bremsen. Bei geschwächten Beständen kann der Borkenkäfer nur gewinnen. Es macht Sinn, Problemstandorte möglichst schnell mit anderen Baumarten in Form von Mischbeständen zu stabilisieren, wenn nicht bereits die Sukzession von Gehölzen erkennbar ist.

Wäre die Situation im Harz ohne den Nationalpark besser?

MQ: Wenn man sich für die Gründung eines Nationalparks entscheidet, sollte man eine Fläche bevorzugen, die noch möglichst nah an ihrem ursprünglichen Bewuchs ist. Das war beim Harz nicht der Fall. Der Harzwald ist als Reparationszahlung an die Briten durch die Aufforstung nach dem Kriege etwas völlig anderes als ursprünglich geworden. Da haben wir andere Flächen in Deutschland, die es vielleicht eher verdient hätten, Nationalpark zu sein. Wir sind hier sehr zersiedelt, haben viele Straßen. Das kann man nicht mit einem Nationalpark in Amerika vergleichen, wo es viel größere Flächen gibt.

Hier ist in den letzten Jahren diese grüne Ideologie umgesetzt worden, dass man in Deutschland unbedingt Nationalparks etablieren wollte. Früher hatten die Grünen wenigstens noch den Naturschutzgedanken gehabt. Heute sind die Grünen diejenigen, die die Natur mit den Windparks zerstören. Ohne den Nationalparkgedanken hätte man im Harz deutlich besser und eher eingreifen können.

Getreu dem Motto „Natur Natur sein lassen“ bekämpft der Nationalpark Harz den Borkenkäfer grundsätzlich nicht. Gleichzeitig wurden von 2008 bis 2022 im Nationalpark etwa 6,4 Millionen Rotbuchen angepflanzt. Ist das der Weg zum gesunden Mischwald?

RO: Die Flächen im Harz sind letztendlich so groß, dass eine vollständige Aufforstung mit Manpower gar nicht zu machen ist. Wenn die Fichte vor dem Waldsterben vorher noch ausgesamt hat, dann kommt teilweise Fichte wieder. Großflächige Aufforstung dürfte auch nicht das Ziel eines Nationalparks sein. Natürliche Sukzession durch Pionierbaumarten leistet hier einen wesentlichen Beitrag. Die Fichte verjüngt sich dort, wo sie heimisch ist, sich wohlfühlt.

MQ: Das sehe ich kritisch: Die Buche vermehrt sich beispielsweise nicht durch Weiterflug der Samen, der Bucheckern. Wir haben hier aber leider nicht mehr die Buchen. Wenn wir wieder naturnahen Wald mit den ursprünglichen Pflanzen haben wollen, ist es unumgänglich, dort eine Starthilfe zu geben und wieder aufzuforsten, mit den ursprünglich hier heimischen Baumarten. Unter den Laubbäumen sind das die Rotbuche und auch die Eberesche. Das Bekenntnis zum Mischwald steht ja auch im AfD-Umweltprogramm, das wir erst letztens in Bayern ausgearbeitet haben. Ein gesunder Mischwald, auch unterbaut mit der Fichte als Bauholz.

Wir wollen nicht alles aus Norwegen, Schweden, Kanada importieren müssen. Diese Entscheidung zu treffen, liegt in den Privatwäldern, aber bei den Eigentümern. Da dürfen wir einem forstwirtschaftlichen Betrieb in einer Demokratie keine Vorschriften machen. Man wird die Wiederaufforstung im Harz nicht komplett flächendeckend schaffen. Dazu fehlt einfach das Personal. Es wird Jahrhunderte dauern, bis der Harz wieder ein Mischwald ist. Wenn man das relativ schnell haben will, müssen wir im Nationalpark menschlich eingreifen.

Eine Abschlussfrage: Was bedeutet Wald?

RO: Gesundheit, Erleben. Wir sprechen im Waldgesetz von den gesetzlichen Funktionen: Nutzfunktion, Schutzfunktion und Erholungsfunktion. Das sind trockene Begriffe! Wälder leisten neben diesen Funktionen erhebliche Beiträge zur Gesundheit, Freude, Entspannung und sind Wohnort für viele Tiere. Wälder sind ein wesentlicher Teil unseres Landes und der Heimat.

MQ: Heimat, Erholung. Von diesem Bäume-Umarmen halte ich als Jäger nicht viel. Aber ich kann nur eins sagen: Nach einer längeren Zeit in der Stadt setze ich mich immer zuerst auf mein Fahrrad und fahre in mein Jagdrevier. Das Sitzen auf dem Hochsitz – ohne Gewehr, ohne alles, einfach mal nur den Geräuschen und der Stille im Wald lauschen und genießen –, das erdet ungemein und man merkt, wie schön es doch ist, auf dem Land zu leben. Naturschutz ist Heimatschutz und dafür spreche ich auch immer im Parlament, wenn ich die Möglichkeit dazu habe.

Vielen Dank für das Gespräch!


Zu den Personen:

Rainer Oebike ist Forstbeamter a. D., Marcel Queckemeyer ist AfD-Landtagsabgeordneter in Niedersachsen und Sprecher seiner Fraktion für Umwelt und Tourismus. In seiner Freizeit betätigt sich Queckemeyer in Osnabrück als Jäger.

Über den Autor

Jonas Greindberg

Jonas Greindberg studierte Geschichte und Sinologie in Süddeutschland. Seit Oktober 2022 schreibt er für FREILICH über Hamburger Lokalpolitik, Kriminalität und Einwanderungspolitik.
Stellenausschreibugn - AfD Sachsen

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