Grooming-Gang-Skandal: Wikipedia-Titeländerung sorgt für Debatte

Die jüngste Änderung des Titels des englischsprachigen Wikipedia-Artikels zum Grooming-Gang-Skandal im Vereinigten Königreich in „Grooming gang moral panic“ sorgt für Empörung und wird von vielen als Verharmlosung der schwerwiegenden Vorfälle empfunden.

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Grooming-Gang-Skandal: Wikipedia-Titeländerung sorgt für Debatte

Der Titel des Artikels wurde Anfang der Woche geändert.

© IMAGO / photothek

Vor etwa 15 Jahren erschütterte der „Grooming Gang“-Skandal Großbritannien und die ganze Welt. Informationen dazu finden sich auch in der bekannten Online-Enzyklopädie Wikipedia. Doch Anfang dieser Woche sorgte eine Änderung des Eintrags für große Aufregung. Denn der Titel des englischsprachigen Wikipedia-Artikels über muslimische „Grooming Gangs“ im Vereinigten Königreich lautet nun nicht mehr wie bis vor kurzem „Muslim grooming gangs in the United Kingdom“, sondern enthält seit dem 7. Oktober den Zusatz „Moral Panic“ und lautet damit „Grooming gang moral panic in the United Kingdom“. Damit wird der Skandal im Sinne des Begriffs zu einer eingebildeten oder erfundenen Gefahr für die öffentliche Moral heruntergespielt.

Nicht alle mit Änderung einverstanden

Jeder Wikipedia-Artikel hat eine „Talk“-Funktion, die es Benutzern ermöglicht, Änderungen zu beantragen und zu diskutieren. Die besagten Änderung an dem „Grooming-Gang“-Artikel wurde von einem Benutzer namens „Sceptre“ bestätigt, der schrieb: „Es gibt einen Konsens darüber, dass, wenn der Artikel beibehalten werden soll (und im Moment wird er beibehalten), ‚moral panic‘ in den Artikeltitel aufgenommen werden sollte, um widerzuspiegeln, wie das Thema in zuverlässigen Quellen behandelt wird“.

Der Vorschlag, den Titel zu ändern, wurde angenommen, aber nicht einstimmig unterstützt. Ein Nutzer schrieb: „Ich habe den Eindruck, dass hier ‚ich mag das nicht oder es ist zu beleidigend für mich/andere‘ (d. h. der Versuch, politisch korrekt zu sein, um bestimmte Gruppen nicht zu beleidigen) im Spiel ist, und ich bitte die Community, sich davor zu hüten, den Titel des Artikels aus diesen Gründen zu ändern [...] Wenn es in den Quellen ‚Muslim/Asian grooming gangs‘ heißt, dann sollten wir es so lassen. Es ist irrelevant, was die rechtsextremen Gruppen sagen oder wie es in ihr Narrativ passt oder nicht.“

Wer ist „Sceptre“?

Aber wer ist der Nutzer, der hinter dieser Änderung steckt? Wirft man einen Blick auf die Editierhistorie des Artikels, so findet man in der Autorenbeschreibung von „Sceptre“ auch folgende Information: „Seit kurzem engagiere ich mich zunehmend in progressivem politischen Aktivismus, insbesondere in den Bereichen Transgender, LGB und feministischer Aktivismus als lesbische Trans-Person. Ich bin besonders daran interessiert, die unzureichende Abdeckung von Transgender-Themen in Wikipedia zu erweitern und dazu beizutragen, den Anteil an cisgeschlechtlichen, heterosexuellen und männlichen systemischen Vorurteilen in der Enzyklopädie zu verringern. Ich bin mir jedoch bewusst, wie wichtig es ist, dass meine politische Einstellung zu Queer-Themen nicht in die Quere kommt und die Neutralität unserer Berichterstattung über Queer-Themen gefährdet.“

Wie ein englischsprachiges Nachrichtenportal berichtet, handelt es sich bei „Sceptre“ demnach um Sarah Noble, geborene Will Noble, ehemaliges Mitglied der britischen Liberaldemokratischen Partei. Aufgrund von Nobles fragwürdigem Verhalten und der Forderung, alle Männer zu töten, bestehe die Mitgliedschaft jedoch nicht mehr. In der Autorenbeschreibung auf Wikipedia findet sich auch ein Verweis auf den X-Account von „Sceptre“ oder „Sarahlicity“, wie der Nutzer dort heißt. Wie Screenshots anderer Nutzer zeigen, war das Profil bis vor kurzem noch öffentlich einsehbar, wurde aber inzwischen auf privat gestellt, sodass Nutzer, die „Sarahlicity“ nicht folgen, keinen Zugriff mehr auf ihr Profil haben.

Skandal immer noch nicht vollständig aufgearbeitet

Der Grooming-Gang-Skandal, bei dem es um Gruppen überwiegend pakistanischstämmiger Männer geht, die in vielen Städten Großbritanniens junge Mädchen sexuell missbrauchen, oft ohne strafrechtlich verfolgt zu werden, wurde erstmals 2010 durch den Skandal um den sexuellen Missbrauch von Kindern in Rotherham öffentlich bekannt. Kurz darauf folgten Berichte über ähnliche weit verbreitete Netzwerke der sexuellen Ausbeutung von Kindern in Rochdale und Telford. Im Jahr 2014 kam der bahnbrechende Jay-Report zu dem Schluss, dass in Rotherham zwischen 1997 und 2013 1.400 Mädchen von überwiegend pakistanischen Männerbanden sexuell missbraucht wurden.

Fast 15 Jahre nach dem Skandal, der landesweit Schlagzeilen machte, ist die Strafverfolgung noch immer nicht abgeschlossen. Im vergangenen Monat wurden sieben Männer südasiatischer Herkunft, die in Rotherham zwei Mädchen im Teenageralter sexuell missbraucht hatten, zu insgesamt 106 Jahren Haft verurteilt.

Inzwischen hat auch der Skandal um die Änderungen auf der Wikipedia-Seite dazu geführt, dass diese teilweise wieder rückgängig gemacht wurden. Der Name des Artikels wurde jedoch nicht wieder geändert.

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