PISA-Schock 2023: Der Elefant im Klassenzimmer
Ein neuer PISA-Schock rüttelt Lehrer, Eltern und Politiker wach: Das historisch schlechte deutsche Pisa-Ergebnis sorgt für heftige Diskussionen in der Gesellschaft. Der nordrhein-westfälische AfD-Landtagsabgeordnete Carlo Clemens sieht vor allem drei Probleme im derzeitigen Bildungssystem, die unbedingt geändert werden müssen, wie er in seinem Kommentar für FREILICH schreibt.
Nach dem berühmten PISA-Schock im Jahr 2000 erleben wir dieser Tage einen neuen PISA-Schock. Die Ergebnisse von Schülern im Alter von 15 Jahren in den getesteten Kompetenzbereichen Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften waren in Deutschland noch nie so schlecht wie heute. Damit ist PISA nach IGLU und IQB-Bildungstrend die dritte Bildungsstudie innerhalb weniger Monate, die Schülern in Deutschland einen enormen Leistungsrückgang bescheinigt.
Die schlechten Ergebnisse haben sich abgezeichnet. Ein Viertel der Schüler verfehlen beim Lesen das Mindestkompetenzniveau. In Naturwissenschaften sind es 23 Prozent, in Mathematik ganze 30 Prozent. Der deutliche Abwärtstrend setzt sich also fort. Besonders groß ist der Anteil der leistungsschwachen Schüler mit 30 Prozent – dieser Wert hat seit 2018 um acht Prozent zugenommen. Gleichzeitig ist die Zahl der leistungsstarken Schüler auf neun Prozent geschrumpft – 2012 waren es noch 17 Prozent.
Allein die Differenz zwischen den Durchschnittsergebnissen von 2018 und 2022 in Mathematik und Lesen entspricht dem Lernfortschritt eines ganzen Schuljahres. Wenn wir uns ins Gewissen rufen, dass viele der getesteten Schüler nahezu am Ende ihrer Schullaufbahn stehen, dann wird deutlich, was droht: dass wir eine ganze Schülergeneration verlieren. Dies in Zeiten des allgemeinen Fachkräftemangels.
Die Lehrerausbildung ist unzureichend
Die Erklärungsansätze sind weder neu noch überraschend: es wird auf die Folgen der Corona-Schulschließungen verwiesen (wobei sich der Leistungsabfall schon deutlich vor Corona abzeichnete), auf die wachsende Heterogenität in den Klassenzimmern und auf den Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozioökonomischem Hintergrund des Elternhauses.
Bemerkenswert ist, dass auch die Unterrichtsqualität mit für das schlechte Abschneiden verantwortlich gemacht wird. Schüler geben an, dass sie den Mathematik-Unterricht oft als langweilig empfinden, dass Lehrkräfte oft nicht für ihr Fach motivieren können und Schüler nicht ausreichend unterstützen. Dieser Befund ist ein Hinweis darauf, dass sich Lehrkräfte zu wenig mit ihrem Kerngeschäft, dem Unterricht, auseinandersetzen können, weil sie zu sehr mit zusätzlichen Aufgaben abseits des Unterrichtens belastet werden.
Die Länder blicken verzweifelt und mit unrealistisch hohen Erwartungen auf den Start des Startchancen-Programmes ab dem nächsten Schuljahr. Rund 20 Milliarden Euro will der Bund über zehn Jahre an bundesweit etwa 4.000 Schulen im sozialen Brennpunkt auszahlen. Mit Schulbaumaßnahmen, mehr Personal und Extra-Budgets für Schulen will die Bundesregierung erklärtermaßen Bildungserfolg von der sozialen Herkunft entkoppeln.
Doch längst nicht alle Probleme im Schulbereich wird man mit Geld lösen können. So problematisieren weder Altparteien noch die einflussreichen Bildungsverbände und Bildungsforscher die Auswirkungen der seit Jahren ungebremsten Massenzuwanderung auf das Lerngeschehen und die Zusammensetzung der Klassen. Fast die Hälfte der Jugendlichen mit Migrationshintergrund spricht zuhause kaum oder kein Deutsch.
Beherrschung der deutschen Sprache Voraussetzung für Lernerfolg
Die AfD-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen hat sich für eine verbindliche Deutschsprachförderung im vorschulischen Bereich ausgesprochen. Ich spreche hier bewusst von der deutschen Sprache und nicht allgemein von Sprachförderung und Mehrsprachigkeit, denn ohne deutsche Sprachkenntnisse läuft es nun mal nicht im Unterricht und der Anteil an Schülern, die ohne jegliche Sprachkenntnisse an die Schulen kommen, steigt immer weiter. Allein diese banale Feststellung sorgt bei den anderen Parteien für Wutwallungen.
Statt mit unerfüllbaren Wunschträumen nach immer mehr Personal, Geld, Räumlichkeiten aufzuwarten und den Druck auf die Praktiker im Schulalltag immer weiter zu erhöhen, die den Mangel tapfer, aber zunehmend erschöpft verwalten, müssen wir an entscheidenden Stellen Druck aus dem Kessel nehmen! Systemische Dauerstressfaktoren im Rahmen der Umsetzung von Ganztag, Einheitsschule, Inklusion und Integration müssen auf den Prüfstand. Statt bei immer weniger Ressourcen immer höhere Anforderungen zu stellen, muss an entscheidenden Hebeln in der Bildungspolitik umgekehrt werden.
Einsparungen bei gescheiterten ideologischen Projekten können genutzt werden, um mit Priorität den allgemeinen Sanierungsstau an Schulen und die absehbar steigenden Personalkosten abzudecken und endlich eine umfassende Ausbildungsoffensive für Lehrer und Erzieher anzugehen, die auch die zu praxisferne Lehrerausbildung miteinbezieht.
Wende in der Bildungspolitik
Wir brauchen eine deutliche Begrenzung der Zuwanderung. Schulen platzen aus allen Nähten. Viele Kommunen pfeifen aus dem letzten Loch. Wir brauchen starke Haupt- und Realschulen und eine Abkehr von der politisch gewollten Überakademisierung, um dem Fachkräftemangel wirksam mit eigenen Kräften zu begegnen. Wir brauchen mehr starke Förderschulen – nicht weniger Förderschulen zu Gunsten einer politisch gewollten, doch dogmatischen Inklusion an Regelschulen.
Unabhängig davon, dass man die Bildungsindikatoren von OECD und Co. mit Hinblick auf die eigenen Bildungstraditionen infrage stellen muss: PISA muss uns dennoch alarmieren. Der Bildungsverfall ist im vollen Gange. Er hängt hauptsächlich mit den Folgen egalitärer linksideologischer Bildungsreformen der Vergangenheit sowie der Massenmigration zusammen. Doch auch die soziale Spaltung ist real und wird durch die aktuelle Entwicklung weiter angeschürt. Es droht eine Bildungslandschaft, in der Besserverdiener ihre Kinder in Privatschulen schicken und die besten Lehrer abgeworben werden, während das öffentliche Schulsystem weiter verkommt. Wir müssen den Elefanten im Raum – oder: im Klassenzimmer – klar benennen.
Zur Person:
Carlo Clemens, geboren 1989, studierte Deutsch, Geschichte und Erziehungswissenschaften auf Lehramt und ist bildungspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen sowie Mitglied des AfD-Bundesvorstands.