Solingen: Abschiebungen verhindern keine Anschläge, warnen Experten
Nach der Messerattacke in Solingen wird in Deutschland über eine Verschärfung der Abschieberegelungen diskutiert. Einige Kritiker äußern Bedenken, dass Abschiebungen islamistische Anschläge nicht verhindern und den Islamismus nicht bekämpfen können.
Berlin/Solingen. – Nach der tödlichen Messerattacke in Solingen ist in Deutschland eine Debatte über Abschiebungen und einen Aufnahmestopp für Migranten entbrannt. Die Bundesregierung plant bereits verschärfte Regelungen zur Rückführung abgelehnter Asylbewerber. Kritiker meinen jedoch, dass Abschiebungen und ein Aufnahmestopp nicht helfen würden, islamistische Anschläge zu verhindern.
„Abschiebungen keine Lösung“
So erklärte Klaus Blees vom Kompetenzzentrum Islamismus der Aktion 3. Welt Saar in einem Kommentar, dass der Islamismus in Deutschland nicht durch schärfere Einwanderungsgesetze und Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete bekämpft werden könne. „Zum Kampf gegen Islamismus gehört zwingend, dass man seinen Opfern beisteht und ihnen Asyl gewährt, anstatt ihnen die Tür vor der Nase zuzuschlagen“. Ohnehin würden die weitaus meisten und die höchsten Opferzahlen fordernden jihadistischen Anschläge nicht im Westen, sondern in den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens verübt, erklärt er. Und global betrachtet seien die Opfer der Islamisten vor allem andere Muslime.
Aber auch wenn es sich bei bestimmten Migranten tatsächlich um Islamisten handele, würden Abschiebungen keine Lösung bieten, ist sich Blees sicher. „Wenn jetzt gefragt wird, warum eine geplante Abschiebung des jetzt Verhafteten nach Bulgarien in der Vergangenheit nicht zustande kam, so geht dies an der Sache vorbei, denn dann hätte er einen solchen Anschlag eben in Bulgarien begehen können. Das Problem wird so also nicht gelöst, sondern weggeschoben – aus den Augen, aus dem Sinn.“
Kritik an Kriminalisierung der PKK
Gerade im Hinblick auf den IS und seine Zerschlagung werde ein wesentlicher Aspekt meist übersehen, beklagt Blees. „In Deutschland werden nach wie vor Organisationen kriminalisiert, die entscheidenden Anteil an der Zurückdrängung und weitgehenden Zerschlagung des IS im Irak und insbesondere in Nordsyrien hatten: Die Kurdische Arbeiterpartei PKK und ihre Gliederungen. Zum Thema Abschiebungen äußerte sich Blees auch in einem Interview mit Radio Dreyeckland. Auch hier erklärte er, dass Abschiebungen nicht das geeignete Mittel seien, um Anschläge wie zuletzt in Solingen zu verhindern. Er spricht von Symbolpolitik.
Auch der Nahostreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Kamal Sido, hält Abschiebungen und Aufnahmeprogramme für Migranten aus Afghanistan oder Syrien nicht für geeignet, um den Islamismus zu bekämpfen. Die Forderung von CDU-Chef Friedrich Merz nach einem Aufnahmestopp für Syrer und Afghanen bezeichnete er in einer Mitteilung als „unmenschlich populistisch“. „Reflexhafte Forderungen nach Abschiebungen und einem Aufnahmestopp für Asylbewerber aus Afghanistan oder Syrien bekämpfen den Islamismus nicht. Die Forderung von Friedrich Merz nach einem kompletten Aufnahmestopp sei mit dem Asylrecht nicht vereinbar. Sie lasse zudem völlig außer Acht, „dass ethnische und religiöse Minderheiten vom IS verfolgt werden. Ihnen muss Deutschland Schutz gewähren“, forderte er.
Islamismus global bekämpfen
Von der Regierung forderte der Menschenrechtler, sich endlich glaubhaft gegen Islamismus einzusetzen. „Dafür muss auch ein Umdenken in der deutschen Außenpolitik stattfinden. Solange islamistische Machthaber wichtige Partner Deutschlands und der NATO sind, sind Forderungen nach Abschiebungen als Islamismus-Bekämpfung unglaubwürdig und fahrlässig“. Islamismus könne nur global bekämpft werden. „Solange Islamisten in anderen Ländern weiterhin diplomatisch unterstützt werden, solange Erdogans Drohnenterror gegen die Kurden, die gerade im Nahen Osten gegen den IS kämpfen, nicht verurteilt, sondern unterstützt wird, wird der IS-Terror weder in Solingen noch in Berlin oder Paris wirklich verhindert werden können“, warnt Sido.