Wiener Zeitung macht Stimmung gegen rechts
Am Sonntag wählt Europa seine Abgeordneten zum Europäischen Parlament – damit geht der Wahlkampf auch in Österreich in den Endspurt. Doch nicht nur die einzelnen Parteien rühren in den letzten Tagen vor der Wahl noch einmal kräftig die Werbetrommel für ihre Spitzenkandidaten, auch in den Medien rufen Kommentatoren zur Wahl beziehungsweise zur Nichtwahl bestimmter Parteien auf. Ein Beispiel dafür ist die Wiener Zeitung.
Wien. – Die Wiener Zeitung, seit 1857 im Besitz des österreichischen Staates, ruft ihre Leser in einem aktuellen Newsletter dazu auf, bei der Europawahl am kommenden Sonntag keine rechte Partei zu wählen. Denn glaubt man den Prognosen, steht der EU „ein massiver Rechtsruck bevor, und zwar mit einer Stärkung des rechten Randes“, wird gewarnt. Natürlich würden die meisten nicht aus Überzeugung nach rechts tendieren, ist sich der Verfasser des Newsletter-Textes sicher, sondern es „denen“ zeigen wollen, die nichts zustande gebracht hätten. Weiter heißt es: „Wollen wir eine EU mit ultrarechten Tendenzen?“
„In der Not muss man vernünftig wählen“
Im Folgenden wird der Leser zunächst ein wenig beruhigt, denn „es besteht zwar keine Gefahr, dass ultrarechte Kräfte die EU übernehmen“, aber es bestehe die Gefahr, „dass es in Zukunft zu Kompromissen kommt, bei denen ultrarechte Kräfte ihre Interessen mehr als bisher durchgesetzt haben“. Dies könne beispielsweise zu einer Ungleichbehandlung von Bevölkerungsgruppen führen, so die Warnung. Die Geschichte lehre, „wie schnell einzelne Gruppen benützt werden, um politische Wahnsinnsprogramme durchzusetzen“.
Weiter heißt es, dass Gruppenbildungen die Gesellschaft spalten würden. Deshalb wolle die EU die Gesellschaft vereinheitlichen, „um einer Vorstellung von Frieden und Chancengleichheit zumindest näher zu kommen“. „Ultrarechte“, so der Text, hätten ein gegenteiliges Vorhaben, nämlich Gruppen zu bilden und diese gegeneinander auszuspielen. So aber könne die EU nicht erfolgreich sein. Deshalb, so der Autor des Textes abschließend, könne es am kommenden Sonntag wirklich notwendig sein, die Zähne zusammenzubeißen. Damit spielt er auf die Ansicht des verstorbenen russischen Oppositionspolitikers Alexei Nawalny an, dass man in der Not vernünftig wählen müsse. Gemeint ist damit, dass man unter Umständen auch eine Person oder Partei wählen müsse, die einem nicht gefalle, die aber verhindern könne, dass Kräfte gewinnen, „die eine Gefahr für die Demokratie bedeuten würden“.