Poensgen empfiehlt fünf Werke: „Ich weiß noch, wie ich im Wohnzimmer meines Großvaters saß und las“
Für viele gilt das Buch immer noch als Allheilmittel für alle Lebenslagen und Gemütszustände. FREILICH-Redakteur Mike Gutsing sagt: Mehr davon! Deshalb sammelt er für FREILICH in einer Sonderreihe die Lieblingsbücher verschiedener konservativer und rechter Akteure und lässt sie vorstellen. Heute stellt der Publizist Johannes K. Poensgen fünf Bücher vor.
Frank Thiess – Die griechischen Kaiser
Um ein Geschichtsbuch wie einen Roman lesen zu können, darf man nicht wissen, wie die Geschichte ausgeht. Dafür muss man normalerweise über irgendetwas völlig Unbedeutendes lesen, die Geschichte Liechtensteins etwa, oder etwas weit Abgelegenes, wie die Geschichte des alten Chinas oder Indiens, das uns nicht unmittelbar betrifft.
Die Blindheit unseres Bildungskanons für das byzantinische Reich schafft hierfür die einzige wirkliche Ausnahme, auch wenn ich heute nicht mehr glaube, dass Byzanz tatsächlich die „Geburt Europas“ war.
Die griechischen Kaiser handelt tatsächlich von den Herrschern von Byzanz in jener Schicksalszeit von dem Tod Justinians I. bis zum Eroberungszug des Islams. Es ist eine Geschichtsschreibung der großen Männer: Des sparsamen, aber starrköpfigen Justin II., des zu jung gestorbenen Tiberios I., des tragischen Maurikios, des proletenhaften Usurpators Phokas, des schwachen, Konstans II., des jung auf den Thron gekommenen Konstantin IV., des Despoten Justinian II. und natürlich des großen Kaisers Herakleios, der Byzanz vor den Persern rettete und starb, als die Araber Syrien genommen hatten.
Thiess erzählt die Geschichte von Byzanz als Geschichte dieser Kaiser in ihrer Größe und Schwäche. Dem Historiker mögen die Charakterinterpretation wohl manches Mal über das Quellenmaterial hinausgehen, dem jugendlichen Leser, als der ich dieses Buch mehrmals verschlungen habe, hat es nicht nur die Leidenschaft für die Geschichte gefestigt, sondern auch gezeigt, was Politik wirklich ist und was ein Staatsmann sein kann.
Vor allem aber: Frank Thiess konnte schreiben.
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Oswald Spengler – Der Untergang des Abendlandes
Wenn es überhaupt ein einzelnes Buch gibt, das mein Weltbild über den Haufen geworfen hat, dann ist es dieses. Ich weiß bis heute, wie ich im Wohnzimmer meines Großvaters saß, Beethovens Symphonien aus dem CD-Spieler erklangen und ich die Ausgabe des Untergangs des Abendlandes las, die ich mir damals aus der Universitätsbibliothek ausgeliehen hatte.
Es war nicht das zyklische Geschichtsbild, nicht die großen Kulturen, was mich seither nicht von Spengler loskommen ließ, sondern dass Spengler darüber nachdachte, wie man eigentlich geschichtlich denkt, dass er über die Frage nachdachte, wie wir überhaupt diese Wirklichkeit, nicht berechnen, aber verstehen können. Über den physiognomischen Takt habe ich mir seither immer wieder den Kopf zerbrochen. Spengler ist einer der ganz Wenigen, die tatsächlich lehren zu denken und nicht, was man zu denken habe.
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Dan Abentt – Eisenhorn
Über den Großteil der Sänger, denen wir die europäische Mythenwelt verdanken, sagte Joachim Fernau einmal, sie seien wie das deutsche Fernsehen gewesen; man habe halt zwei Stunden totgeschlagen. Dasselbe gilt für den Großteil der Autoren, die die Mythenwelt von Warhammer 40.000 geschaffen haben. Doch ist hier eine tatsächliche moderne Mythenwelt entstanden und von all diesen Versuchen, die seit Tolkien unternommen wurden, reicht das 41. Jahrtausend mit Abstand am tiefsten.
Dan Abnett ist der größte Schriftsteller, der dieses Universum über die zwei Jahrzehnte getragen hat. Kein andere hätte die Schlussbände der Horushäresie schreiben dürfen. Doch keine seiner Figuren ist so ikonisch geworden; in keiner hat sich so ein moderner Mythos verdichtet, wie in Inquisitor Eisenhorn. Wenn ich sage, dass Eisenhorn moderner Mythos ist, dann meine ich damit, dass er eben kein Abglanz der Ritterromane durch den heutigen Schriftsteller ist; er stammt auch nicht aus dem archaischen Griechenland oder der Völkerwanderungszeit.
Inquisitor Gregor Eisenhorn, der Willensmann, der tut, was notwendig ist, der alle Überzeugungen verliert und dabei treu bleibt, ist ein Ideal unserer Zeit. Man findet es nicht bei Homer und selbst Hagen wäre eine unvollkommene Entsprechung, obwohl der Tronjer unverkennbar der Urgroßvater Eisenhorns ist. Eisenhorn sieht einer Welt ins Auge, in der der Mensch nicht mehr Maß der Dinge ist; er senkt davor nicht den Blick und gerade deshalb bleibt er unter dem gelähmten Gesicht, das kein Gefühl mehr zeigen kann, wahrhaft menschlich.
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Carl Schmitt – Glossarium. Aufzeichnungen aus den Jahren 1947 bis 1958
Nachdem er aus der Gefangenschaft entlassen wurde, einige der von den Alliierten eingesetzten Entnazifizierer hatten es sehr persönlich auf seinen Kopf abgesehen, zog sich Carl Schmitt in die Sicherheit des Schweigens zurück. „L’obscurité protège le mieux“, wurde der Wahlspruch seiner Altersjahre. Die Aufzeichnungen seines Glossariums wurden erst nach seinem Tod 1991 zum ersten Mal veröffentlicht, doch selbst diese posthume Edition war bewusst unvollständig. Einige der Personen, die nicht immer so gut wegkommen, allen voran Ernst Jünger, lebten ja noch. Erst 2015 wurden (hoffentlich) die vollständigen Aufzeichnungen veröffentlicht.
Das Glossarium ist vielleicht der echteste Zugang zu diesem ebenso brillanten wie kryptischen Denker, dem es beliebte auf eine Art und Weise zwischen die Zeilen zu schreiben, deren Entschlüsselung einen sehr speziellen Bildungskanon voraussetzt, den außer dem inzwischen ebenfalls verstorbenen Günter Maschke meines Wissens nach Schmitts Tod niemand mehr beherrscht hat.
„04.04.1949: Ich suche für mich und mein Volk die Freisprechung vom Verbrechen, und um mich konstruiert und organisiert alles nur neue Verbrechen und neue Kriminalisierungen. Was treibt mich trotz tödlichster Müdigkeit zu dieser Phänomenologie des Geistes? [Hegel] Wenn ich keiner Regung fähig bin, kann ich dieses angeblich schwierige Buch lesen und meinen zerschlagenen Geist daran erheben. Wer lenkt mich von allem anderen ab, zu diesem Buche hin?
Schuld hatten wir, weil wir handelten, von selbst, eo ipso. Aber wer machte uns zu Verbrechern? [...]
Die Freisprechung vom Verbrechen, das ist es. Gleichgültig, ob diese Freisprechung die Verurteilung derjenigen bedeutet, die das neue Verbrechen erfunden haben.“
Darüber habe ich länger nachgedacht als über viele andere Bücher zusammen.
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Shakespeare – Julius Caesar
Das letzte Buch kann im engeren Sinne nur eine halbe Empfehlung sein, weswegen es mir am Herzen liegt; hat es auch mit den wunderbaren alten Ausgaben, noch in der Schlegelübersetzung zu tun, die ich geerbt habe.
Um Shakespeare zu lieben, muss man aber wohl irgendwie ein politischer Mensch sein; er war doch der politischste aller Dichter. Und nein, Macbeth, den man bevorzugt in der Schule liest, ist von diesem Standpunkt aus vielleicht sogar sein schlechtestes Stück. Der Caesar aber bringt uns wirklich vor die Größe, wie ihre Allzumenschlichkeit und stellt uns die Frage, ob wir denn zureichend sind.
Cassius:
„Why, man, he doth bestride the narrow world
Like a Colossus, and we petty men
Walk under his huge legs and peep about
To find ourselves dishonorable graves.
Men at some time are masters of their fates.
The fault, dear Brutus, is not in our stars,
But in ourselves, that we are underlings.“
Das bleibt weder in der Antike noch im 17. Jahrhundert und gilt für mehr als einen Toten, vielleicht auch schon für einen Lebenden.
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Zur Person:
Johannes K. Poensgen, geboren 1992 in Aachen, studierte zwei Semester Rechtswissenschaft in Bayreuth, später Politikwissenschaft und Geschichte in Trier. Erreichte den Abschluss Bachelor of Arts mit einer Arbeit über die Krise der Staatsdogmatik im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Befasste sich vor allem mit den Werken Oswald Spenglers und Carl Schmitts.
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