Poetry Slam: Dieses Gedicht sorgte in Speyer für Furore und Diskussionen

In Speyer wurde eine 14-Jährige Teilnehmerin von der Preisverleihung eines Poetry-Slam-Wettbewerbs ausgeschlossen, weil sie ein kritisches Gedicht zum Besten gab. Wir haben die Erlaubnis, es in ganzer Länge abzudrucken.
Julian Schernthaner
Kommentar von
28.9.2018
/
3 Minuten Lesezeit
Poetry Slam: Dieses Gedicht sorgte in Speyer für Furore und Diskussionen

Screenshot: YouTube.

In Speyer wurde eine 14-Jährige Teilnehmerin von der Preisverleihung eines Poetry-Slam-Wettbewerbs ausgeschlossen, weil sie ein kritisches Gedicht zum Besten gab. Wir haben die Erlaubnis, es in ganzer Länge abzudrucken.

Kommentar von Julian Schernthaner

Speyer. Nur wenige Gedichte und Schriften schafften es in den letzten Jahren die Öffentlichkeit zu spalten. Als solches sei etwa das Schmähgedicht des Satirikers Jan Böhmermann auf den türkischen Präsidenten zu nennen. Dieses sorgte sogar wochenlang für diplomatische Verstimmungen zwischen Deutschland und der Türkei. Auch damals war es für das tiefere Verständnis der Geschehnisse wichtig, dass sich mündige Bürger ein eigenes Bild des Volltextes machen konnten, bevor sie urteilen.

Explosive Kulturentscheidung

Nun könnte man freilich sagen, dass auch einzelne Textabschnitte diesen Zweck erfüllen würden. Allerdings erlaubt dies gerade in der Dichtkunst allzu oft, dass diese den Gesamteindruck eines Werkes abschwächen, verstärken oder verfälschen können. Dies gilt doppelt, wenn es sich bei der Methode des Vortrags um eine „Poetry Slam“ handelt. Denn es ist eine Vortragsweise, in welcher die Performance oft ausgeschmückt, der Inhalt oft gesellschaftskritisch ist.

Aus diesem Grund beabsichtigten wir ursprünglich, einen Facebook-Beitrag zu verlinken, welcher den vollen Wortlaut beinhaltete. Gleichzeitig empfinden wir, dass dies den Umständen nicht ausreichend Genüge tut. Für den Beobachter mag es den Anschein haben, es handelt sich nur um den Beitrag eines 14-jährigen Mädchens bei einem lokalen Redewettbewerb.

Die Entscheidungen der Veranstalter geben diesem aber eine kulturpolitische Wichtigkeit, die nicht unterschätzt werden darf. Gerade deshalb, weil das Motto des Slams jenes der „Zivilcourage“ war – und dazu gehört eben auch, die Stimme dann zu erheben, wenn andere dies nicht hören wollen.

Der mündige Bürger

Wir erlauben uns also, den verschmähten Beitrag, den offenbar niemand hätte hören dürfen, mit freundlicher Erlaubnis der Mutter der Urheberin, AfD-Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst, einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dies bedeutet gleichzeitig nicht, dass wir sämtliche oder einzelne Inhalte des Stückes teilen oder befördern wollen.

Aber wir glauben stark daran, dass mündige Bürger in der Lage sein sollten, selbst zu urteilen. Während der erste Redebeitrag in einem YouTube-Video eingesehen werden kann, wollen wir beim für den folgenden Eklat maßgeblichen zweiten Vortrag nun diese Lücke schließen. Genug meiner einführenden Worte – unter dem Strich ist das Original.


Das Problem mit der Zivilcourage

Poetry-Slam-Beitrag von Ida-Marie Müller

Der Neger ist kein Neger mehr / Zigeuner darf man auch nicht sagen.
Rassistisch ist das beides sehr / so hört man es an allen Tagen.
Wer´s trotzdem wagt wird ausgebuht / gefeuert und geächtet,
In Zeitungen und Talkshows mit viel Wut / denn so sind die ,,Gerechten“.
Das Kinderbuch prüft ein Zensor / Weiß ist jetzt Sarrotis Mohr.
Und das nennt sich dann Zivilcourage / Und wisst ihr was? – Das ist für‘n Arsch!

Aus fernen Ländern kam der Gast / Dank Menschenhändlerbanden.
Reist mit Handy, und ohne Pass / in den gelobten deutschen Landen.
Verbittert ist der junge Mann / Finanziell geht‘s ihm zwar besser.
Weil er aber kein Fräulein haben kann / hilft er schnell nach mit – einem Messer.
Ein Einzelfall, so sagen die Experten. / Kultursensibel sei das zu bewerten.
Wer wütend ist und‘s anders meint / Ist nur ein brauner Fremdenfeind.
Und das nennt sich dann Zivilcourage / Und wisst ihr was? – Das ist für‘n Arsch!

Das bunte Bündnis, tolerant, zivil und breit. / Wir finden‘s in jeder Stadt.
Gekämpft wird dort für Moral und Menschlichkeit. / Ein jeder dabei wer nen Namen hat:
Linke, Gewerkschaft, Kirchenvertreter / Karrieristen und Volksverräter.
Der Flüchtling und der Muselmann / die muss man integrieren.
Ob man das auch bezahlen kann / hat nicht zu interessieren.
Wenn Deutsche verarmen, ist doch egal. /So weiß es die linksgrüne Hypermoral.
Und das nennt sich dann Zivilcourage, / Und wisst ihr was? – das ist für‘n Arsch.

Für alle die zu uns einwandern / fordern die heil´ge Solidarität.
Die Opfer bringen dann die Andern / S´ ist bequemer so und tut nicht weh.
Mutig geben sie vor zu sein / woll´n aber nichts riskieren.
Sie glauben an ihre Heuchelein / denn geschickt sind sie im Lavieren.
Bunte Vielfalt statt braunem Brei / Hauptsach´ die Stadt ist Nazifrei.
Und das nennt sich dann Zivilcourage/ Und wisst ihr was? – Das ist für‘n Arsch!

Dort wohnt ein AfDler und Rassist / So wissen‘s Büttel und Denuzianten.
Und geben Namen und Adress / schnell weiter an die Antifanten.
Dem schlägt man dann die Fresse ein / In unsrer Stadt darf der nicht sein!
Hundedreck im Briefkastenschlitz / bei Nacht und Nebel, was für ein Witz.
Im Kampf gegen Rechts ist alles erlaubt / Hier geht es um Demokratie und Werte.
Deutschland verrecke, schreien sie laut / wie eine Hornochsen-Herde.
Und das nennt sich dann Zivilcourage! / Und wisst ihr was?! – Das ist für‘n Arsch!

Und die Moral von der Geschicht?
Nun steck das Messer dir im Bauch / denn so ist‘s im Orient der Brauch.
Rufen alle mit Applaus: / ,, NA-ZIS RAUS !!!“


Weiterlesen: 

Speyer: Migrationskritische Texte sorgen bei Poetry Slam für Aufsehen (28.9-2018)


Aktualisiert (28.09.2018 16:40): Wir beriefen uns zwischenzeitlich auf Angaben aus dem Umfeld der Bundestagsabgeordneten, wonach Mutter und Tochter über Nachnamensgleichheit verfügen würden. Dies stellte sich mittlerweile als falsch heraus, wir haben den Artikel entsprechend angepasst. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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