Der Bundeszwang: Letztes Mittel gegen eine AfD-Landesregierung?

In Bundesländern wie Sachsen und Thüringen erzielt die AfD in aktuellen Umfragen starke Ergebnisse. Den einen oder anderen Beobachter beunruhigt das. Ein Jurist erklärt nun, dass sich diese Sorgen reduzieren lassen, schließlich habe der Bund für solche Fälle ein „mächtiges Instrument“.

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Der Bundeszwang: Letztes Mittel gegen eine AfD-Landesregierung?

Insbesondere in Thüringen und Sachsen ist die AfD derzeit in den Umfragen sehr erfolgreich.

© IMAGO / Funke Foto Services

„In Anbetracht der jüngsten Erfolge der AfD, die sich seit Jahren kontinuierlich radikalisiert, wird derzeit über mögliche Szenarien intensiv nachgedacht“, erklärt der Jurist Christian Rath zu Beginn seines Textes für die Jura-Plattform LTO. „Wie können demokratische und rechtsstaatliche Institutionen vor Missbrauch und Blockade geschützt werden? Und wie könnte der Bund reagieren, wenn ein Bundesland wie Thüringen oder Sachsen beginnt, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen?“ Rath betont, dass der Bundeszwang nach Artikel 37 des Grundgesetzes ein mächtiges Instrument sein könnte, auch wenn er seit Gründung der Bundesrepublik 1949 noch nie angewendet wurde. „Die Diskussion über den Bundeszwang blieb bisher eher theoretisch, da Konflikte zwischen Bund und Ländern hauptsächlich über Verfassungsklagen gelöst wurden“, erklärt er.

Zwangsmaßnahmen gegen eine AfD-Landesregierung

Er verweist auf historische Ereignisse wie den Preußenschlag, bei dem 1932 eine autoritäre Reichsregierung das noch demokratisch regierte Land Preußen unter Reichsverwaltung stellte. „Die Konstellation könnte heute jedoch eher umgekehrt sein“, sagt Rath. „Der freiheitlich-rechtsstaatlich regierte Bund könnte den Bundeszwang nutzen, um ein auf autoritäre Abwege geratenes Land auf Kurs zu halten.“ Rath betont auch, dass ein Wahlsieg der AfD allein nicht ausreiche, um den Bundeszwang anzuwenden. „Es geht nicht darum, jede politische Änderung nach einem AfD-Wahlsieg in einem Bundesland zu blockieren“, erklärt er. „Ein Wahlsieg ist jedoch kein Freibrief, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen.“

Artikel 37 des Grundgesetzes legt die Voraussetzungen für den Bundeszwang fest. „Der Bundeszwang ist anwendbar, wenn ein Land Bundespflichten verletzt“, so Rath. „Seine Bedeutung geht jedoch weit über Föderalismus-Fragen hinaus. Es geht um das große Ganze: die Bewahrung des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates“. Als mögliche Anwendungsfälle des Bundeszwangs nennt Rath beispielsweise die Weigerung eines Landes, bestimmte Bundesgesetze umzusetzen, die Missachtung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts oder die Verletzung von Schutzpflichten aus dem Grundgesetz.

Hohe rechtliche Hürden

Rath erläutert, dass beim Bundeszwang „notwendige Maßnahmen“ ergriffen werden können, wie etwa die vorübergehende Übernahme der Staatsgewalt in den Ländern oder die Einsetzung eines Beauftragten, der die Staatsgewalt im Land übernimmt. „Weil es beim Bundeszwang um Zwang geht, braucht der Bund starke Zwangsmittel“, betont er. Allerdings gebe es klare Grenzen für die Anwendung des Bundeszwangs, unter anderem den Ausschluss des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren und von Maßnahmen gegen die Gerichte eines Landes.

Die Bundesregierung müsse den Bundeszwang nicht zwingend anwenden, sondern habe ein politisches Ermessen. „Bundeszwang wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn sich ein Land eindeutig und konfrontativ gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes stellt“, erklärt Rath.

Kann „Sorge für AfD-Siegen reduzieren“

Für die Anwendung des Bundeszwangs benötigt die Bundesregierung die Zustimmung des Bundesrates. „Die Zustimmung des Bundesrats bezieht sich nicht nur auf das 'Ob' des Bundeszwangs, sondern auch auf die einzelnen Maßnahmen“, so Rath. Er betont auch die Kontrollfunktion des Bundesverfassungsgerichts. „Das Bundesverfassungsgericht hat große Gestaltungsmöglichkeiten bei der Auslegung von Artikel 37 des Grundgesetzes“, so Rath. „Es wird darauf achten, wie groß die vom jeweiligen Land ausgehende Gefahr für die Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde ist.“

Insgesamt sei der Bundeszwang ein mächtiges Instrument, das aber mit Bedacht eingesetzt werden müsse. „Dass der Bund hiermit eine beeindruckend starke Reservefunktion hat, sollte die Sorge vor möglichen AfD-Wahlsiegen auf Landesebene etwas reduzieren“, so Rath abschließend.

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