Freilich #32: Süchtig nach dem Kick

Deutsche Justiz am Limit: 933.000 offene Fälle bei Staatsanwaltschaften

Die Überlastung der Staatsanwaltschaften in Deutschland nimmt dramatische Ausmaße an. Im Jahr 2024 mussten mehr als 60 Tatverdächtige wegen überlanger Verfahrensdauer aus der Untersuchungshaft entlassen werden.

/
/
2 Minuten Lesezeit
Deutsche Justiz am Limit: 933.000 offene Fälle bei Staatsanwaltschaften

Bei den deutschen Staatsanwaltschaften stapeln sich die Akten. Der Richterbund fordert von der künftigen Regierung rasches Handeln. (Symbolbild)

© IMAGO / Funke Foto Services

Berlin. – Die Zahl der unerledigten Fälle bei den Staatsanwaltschaften in Deutschland hat im Jahr 2024 einen neuen Höchststand erreicht. Nach Angaben des Deutschen Richterbundes (DRB) stieg die Zahl der unerledigten Verfahren seit 2021 um fast 30 Prozent auf knapp 933.000. Besonders alarmierend: Mehr als 60 Tatverdächtige mussten wegen überlanger Verfahrensdauer aus der Untersuchungshaft entlassen werden.

Aktenberge wachsen weiter

Nach einer Erhebung der Deutschen Richterzeitung gingen im Jahr 2024 bundesweit über 5,3 Millionen neue Verfahren bei den Staatsanwaltschaften ein. Während die Fallzahlen in den meisten Bundesländern weiter anstiegen, verzeichnete nur Berlin einen leichten Rückgang. Dennoch bleiben die Aktenberge massiv: Spitzenreiter ist Nordrhein-Westfalen mit 255.245 unerledigten Verfahren, gefolgt von Hessen (107.901) und Bayern (83.433). Besonders dramatisch ist die Situation in Hamburg, wo sich die Zahl der unerledigten Verfahren seit 2021 auf 47.953 mehr als verdoppelt hat. In Sachsen stieg die Zahl um 54 Prozent auf 46.079 Fälle.

Personalmangel verschärft die Krise

Als Hauptursache für die Überlastung nennt der DRB den demografischen Wandel. In Sachsen werde bis 2030 fast jeder zweite Richter und Staatsanwalt in den Ruhestand gehen – ein Problem, das sich bundesweit bemerkbar mache. Der Wettbewerb um qualifizierte Juristen zwinge viele Bundesländer bereits dazu, die Einstellungsvoraussetzungen zu senken. Nordrhein-Westfalen etwa verlangt seit 2024 nur noch sieben Punkte im zweiten Staatsexamen, um freie Stellen zu besetzen. Bisher lag die Grenze bei 7,76 Punkten.

Über 60 Verdächtige aus Haft entlassen

Die Überlastung der Justiz hat konkrete Folgen: „Die Alarmsignale für einen überlasteten Rechtsstaat häufen sich“, warnte DRB-Geschäftsführer Sven Rebehn gegenüber der dpa. Nach seinen Angaben mussten Gerichte im Jahr 2024 bundesweit mehr als 60 dringend Tatverdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen, weil ihre Verfahren nicht schnell genug bearbeitet werden konnten. Besonders betroffen sei Sachsen mit 15 Entlassungen, gefolgt von Hessen mit elf Fällen.

Mit Blick auf die anstehenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD fordert der DRB schnelles Handeln. „Es ist offensichtlich, dass es jetzt ein Sofortprogramm braucht, damit die Strafjustiz nicht zum Flaschenhals bei der Kriminalitätsbekämpfung wird“, betonte Rebehn. Auch Frank Bornemann, Vorsitzender des Niedersächsischen Richterbundes, warnt vor dramatischen Folgen: „Wir sehen einen Stau bei den Staatsanwaltschaften; wenn dieser Stau beseitigt werden sollte, wird die Flutwelle bei den Gerichten ankommen.“ Er fordert eine massive Verstärkung der Strafkammern und sieht auch den Bund in der Pflicht. Wenn der Bundestag Gesetzesverschärfungen beschließe, könne es nicht allein Sache der Länder sein, mit Personal dafür zu sorgen, dass diese auch umgesetzt würden.

Kann FREILICH auf Ihre Unterstützung zählen?

FREILICH steht für mutigen, konservativ-freiheitlichen Journalismus, der in einer zunehmend gleichgeschalteten Medienlandschaft unverzichtbar ist. Wir berichten mutig über Themen, die oft zu kurz kommen, und geben einer konservativen Öffentlichkeit eine starke Stimme. Schon mit einer Spende ab 4 Euro helfen Sie uns, weiterhin kritisch und unabhängig zu arbeiten.

Helfen auch Sie mit, konservativen Journalismus zu stärken. Jeder Beitrag zählt!