Freilich #32: Süchtig nach dem Kick

Ein Vierteljahrhundert voller Lügen: Die CDU und ihre Wahlversprechen

Die CDU verkauft sich als Partei der Stabilität, doch Kevin Dorow hält das für eine Illusion: Seit Jahrzehnten breche sie systematisch ihre Versprechen – der jüngste Fall bestätige ein politisches Muster des Verrats.

Kommentar von
22.3.2025
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4 Minuten Lesezeit
Ein Vierteljahrhundert voller Lügen: Die CDU und ihre Wahlversprechen

Seit Tagen werfen Beobachter der CDU in Bezug auf das Sondervermögen vor, ihr Wahlversprechen gebrochen zu haben.

© IMAGO / Political-Moments

Friedrich Merz und die CDU haben es wieder getan: Im Wahlkampf 2025 die Schuldenbremse als unantastbares Heiligtum gefeiert, nur um sie nach der Wahl mit einem 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen und Lockerungsfantasien zu zertrümmern. Die Basis kocht vor Wut, die Wähler fühlen sich auf die Schippe genommen – und das sollten sie auch. Doch wer glaubt, das sei ein einmaliger Verrat, hat die letzten Jahrzehnte verschlafen. Allen voran seit der Jahrtausendwende hat die CDU ihre Versprechen systematisch gebrochen, ihre Prinzipien verraten und ihre Wähler hintergangen. Dieses Ereignis ist kein Ausrutscher – es ist ein durchorchestriertes System. Ein Abriss der christdemokratischen Heuchelei seit 2000 zeigt: Die Schuldenbremse ist nur die neueste Leiche im Keller einer Partei, die an nichts mehr festhält, außer ihrer eigenen Macht.

Was nach der Wahl vergessen war

Merz’ Wahlkampf 2025 war ein Meisterwerk der Täuschung: Keine Reform, kein Kompromiss, nur die stählerne Disziplin einer Partei, die sich als Bastion der Vernunft verkauft – das war der Kurs der CDU noch vor wenigen Wochen. Doch kaum war die Wahl geschafft, kam der Hammer: Sondervermögen für Infrastruktur, Ausnahmen für die Bundeswehr – ein fiskalisches Freudenfest auf Pump. „Unter den Mitgliedern hier herrscht Fassungslosigkeit – die Wut kommt noch“, warnt Matthias Grahl, CDU-Schatzmeister in Sachsen. Merz’ Ausrede – „Ich habe Gespräche nie ausgeschlossen“ – ist eine Frechheit, die an Zynismus kaum zu überbieten ist. Ein Verrat mit Ansage. Aber Überraschung: Die CDU agiert seit Jahrzehnten nach diesen Mechanismen.

Energiewende, PKW-Maut und Euro-Rettung

Gehen wir zurück zu Angela Merkel: Im Wahlkampf 2005 versprach sie, die Atomkraft als „Brückentechnologie“ zu retten – ein klares „Nein“ zum rot-grünen Ausstiegswahn. „Wir brauchen die Kernenergie“, donnerte sie. Die Laufzeitverlängerung 2010 war der vermeintliche Beweis: Schwarz-Gelb hielt Wort. Doch dann kam Fukushima 2011, und Merkel knickte ein wie ein Kartenhaus. Der Atomausstieg bis 2022 wurde im Schnellverfahren durchgepeitscht – ein Bruch mit allem, was sie zuvor gepredigt hatte. Merkel versteckte sich hinter der „öffentlichen Meinung“, aber das war nichts weiter als eine Ausrede – es war pure Feigheit und Opportunismus, um die Grünen zu neutralisieren. Die Wähler, die auf Kontinuität gehofft hatten, blieben auf der Strecke.

2013 dann die nächste Schweinerei: „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben“, schwor Merkel im Wahlkampf. Keine neuen Abgaben, keine Belastungen – das war das CDU-Versprechen an die bürgerliche Klientel. Doch nach der Wahl kam die CSU mit ihrem Maut-Wahn, und Merkel faltete die Hände – und ihre Prinzipien gleich mit. 2015 kam die Pkw-Maut für Ausländer, ein bürokratischer Albtraum, den der EuGH 2019 kippte. „Ein klarer Wortbruch“, tobte die Basis. Die CDU opferte ihr Versprechen für den Unionsfrieden.

Die Euro-Krise war ein weiterer Tiefpunkt: 2009 versprach Merkel keine Haftung für die Schulden anderer. Die CDU inszenierte sich als Bollwerk gegen eine Transferunion, die deutsche Steuerzahler ausbluten lässt. Doch ab 2010 flossen die Rettungspakete nach Griechenland, der Europäische Stabilitätsmechanismus wurde geboren – genau das, was sie zuvor verteufelt hatte. Merkel sprach von „europäischer Verantwortung“, aber es war simpler: Sie wollte den Euro retten, selbst wenn es ihre Glaubwürdigkeit zerriss. Die Basis schluckte es – wie immer.

Die Migrationskrise, das Corona-Sondervermögen

2015 dann der große „humanitäre“ Schwenk. Die CDU hatte sich jahrelang als Partei der inneren Sicherheit profiliert, mit harten Tönen zu Asyl und Grenzen. Doch als die Migrationskrise kam, öffnete Merkel die Tore und rief „Wir schaffen das“. Keine Obergrenze, keine Kontrolle – ein Bruch mit allem, was die Partei zuvor vertreten hatte. Merkel verkaufte das als moralische Pflicht, aber es war Kalkül: Sie sollte als hypermoralische Weltretterin glänzen. Die demografischen sowie innenpolitischen Folgen dürften unser Land sowie den Rest Europas auch in Jahrzehnten noch beschäftigen.

2021, mitten in der sogenannten Corona-„Pandemie“, kam der nächste Schlag: Die Schuldenbremse, seit 2009 im Grundgesetz, war für die CDU sakrosankt – bis sie es nicht mehr war. Merkel und Finanzminister Olaf Scholz – damals wie auch bald wieder als kleiner Koalitionspartner – zauberten ein 130-Milliarden-Euro-Paket aus dem Hut, finanziert durch Schulden. „Eine Ausnahme“, so hieß es. Doch die Ausnahme wurde zur Regel: 2021 folgte ein 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr durch die Ampel initiiert – natürlich von der CDU mitgetragen – erneut an der Schuldenbremse vorbei. Die CDU rechtfertigte das mit „außergewöhnlichen Umständen“, aber die Wahrheit ist: Prinzipien sind für diese Partei nur so lange heilig, wie sie bequem sind.

Eine Partei ohne Seele

Seit langem zeigt die CDU ein klares Muster: Im Wahlkampf werden Prinzipien hochgehalten – fiskalische Disziplin, Sicherheit, Marktwirtschaft –, nur um sie nach der Wahl für Macht zu opfern. Energiewende, Maut, Euro-Rettung, Migrationspolitik, Corona-Schulden – jedes Mal dasselbe Spiel. Die Partei verkauft sich als verlässlich, agiert in Wahrheit jedoch als ein Chamäleon, das seine Farben wechselt, sobald die Umstände es verlangen. Die Austrittswelle 2025 – „höher als üblich“, klagte jüngst Generalsekretär Carsten Linnemann – ist kein Wunder, sondern die Quittung für Jahrzehnte der Lügen.

Die Schuldenbremse 2025 ist kein Einzelfall, sondern der Höhepunkt einer lange andauernden Schande. Die CDU bricht ihre Versprechen nicht aus Versehen – sie tut es, weil es ihr Naturell ist. Von Merkels Atom-Schwenk bis Merz’ Schuldenorgie: Diese Partei steht für nichts außer sich selbst. Wer ihr noch vertraut, verdient den Verrat, der zwangsläufig kommt.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Kevin Dorow

Kevin Dorow wurde 1998 in Norddeutschland geboren. Er absolvierte ein Volontariat bei der Verlagsgruppe Lesen & Schenken und schreibt seitdem für verschiedene konservative Publikationen. Politisch engagiert er sich in der AfD.

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