EU-Beratungen über vorübergehenden Schutz und Arbeitserlaubnis für Flüchtlinge
Am Donnerstag wollen die EU-Innenminister über das Inkraftsetzen einer EU-Richtlinie beraten, durch die ankommende Flüchtlinge ohne langwieriges Asylverfahren unverzüglich vorübergehenden Schutz erhalten würden.
Wien/Berlin/Brüssel. – Bereits seit einigen Tagen kommen in Österreich Ukraine-Flüchtlinge an, die Schutz vor dem Krieg in ihrem Land suchen. Für 90 Tage innerhalb von 180 Tagen können sie sich hier aus touristischen Gründen aufhalten, wie es im Fremdenrecht heißt. Wie es danach aufenthaltsrechtlich für sie weitergeht, wird am Donnerstag auf EU-Ebene besprochen.
Gemeinsame Mindeststandards
Die Innenminister der Mitgliedsstaaten werden darüber beraten, ob die EU-Richtlinie für den Fall eines „Massenzustroms“ von Vertriebenen in Kraft gesetzt werden soll. Das wäre mit der Zustimmung einer Mehrheit der EU-Staaten möglich. Den Ukraine-Flüchtlingen würde dadurch ohne langwieriges Asylverfahren unverzüglich vorübergehender Schutz gewährt. Dabei müssten EU-weit gemeinsame Mindeststandards eingehalten werden. Dazu gehört etwa eine Arbeitserlaubnis sowie Zugang zu Sozialhilfe, medizinischer Versorgung, Bildung für Minderjährige und unter bestimmten Bedingungen auch die Möglichkeit zur Familienzusammenführung. Die Richtlinie von 2001 ist eine Folge der Kriege in den 1990er-Jahren im ehemaligen Jugoslawien. Bisher wurde sie aber noch nie angewandt.
Österreich wird wohl zustimmen
Aus dem Innenministerium hieß es, dass Österreich dem Schritt wohl zustimmen werde, wie der Standard berichtete. Ein Grund dafür sei die im vergangenen Jahr gestiegene Zahl von Asylanträgen, deren Bearbeitung das heimische Asylsystem fordere. Denn wie Statistiken zeigen, sind die Asylzahlen 2021 deutlich gestiegen, konkret um 161 Prozent (DIE TAGESSTIMME berichtete). Insgesamt handelt es sich bei den Zahlen um den höchsten Wert seit 2016 und den vierthöchsten der vergangenen sechzig Jahre.
Ukrainische Flüchtlinge auch in Deutschland
Auch in Deutschland kommen bereits viele Flüchtlinge aus der Ukraine an. Am Dienstagabend waren es rund 1.300, wie die FAZ berichtet. Sie kamen mit mehreren Zügen aus Polen am Berliner Hauptbahnhof an. Die Deutsche Bahn ermöglicht Flüchtlingen mit ukrainischem Pass oder Personalausweis seit Sonntag, kostenlos alle Fernzüge aus Polen in Richtung Deutschland zu nutzen.
Bisher seien rund 5.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland registriert worden, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Dienstagabend in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“. Auch sie sprach sich dafür aus, die Regelung für den Fall eines „massenhaften Zustroms“ von Menschen schnell in Kraft zu setzen. „Die Rechtsgrundlage, die nach den Balkan-Kriegen geschaffen wurde, wenden wir erstmals an. Am Donnerstag wollen wir dies formell im Rat der EU-Innenminister beschließen“, sagte die SPD-Politikerin der Rheinischen Post.
Papiere in Kiew verloren
Dass aber nicht ausschließlich ukrainische Kriegsflüchtlinge versuchen in den Westen zu gelangen, sondern auch viele Menschen afrikanischer Herkunft, zeigen die zahlreichen Bilder und Videos in sozialen Netzwerken, aber auch Berichterstattungen von vor Ort. Unsere Reporter, die sich aktuell in der Ukraine befinden, berichteten etwa von Nigerianern, die nach Ungarn ausreisen wollen. Sie wüssten allerdings nicht, ob ihnen der Grenzübertritt gestattet werde, da sie ihre Papiere in Kiew verloren hätten (Mehr dazu hier).