Mit Schwarz-Rot-Gold in eine deutsche Republik – Zum Jubiläum der Nationalfarben

Am 9. März 1848 erklärte der Bundestag des Deutschen Bundes die Farben Schwarz-Rot-Gold zu seinen Bundesfarben und versuchte damit, die revolutionäre Stimmung, die sich längst gegen ihn gewendet hatte, einzudämmen – doch wem gehören diese Farben?

Kommentar von
8.3.2025
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Mit Schwarz-Rot-Gold in eine deutsche Republik – Zum Jubiläum der Nationalfarben
© IMAGO / photothek

Mit Artikel 22 des Grundgesetzes sind die Farben der Flagge der Bundesrepublik Deutschland eindeutig geregelt. Sie sind das vorläufig letzte Kapitel einer Geschichte, die vor mehr als 200 Jahren begann und bis heute die Gemüter spaltet. Wer hat das Recht, die Farben als sein Erbe zu bezeichnen? Waren es die linken Parteien der Weimarer Republik, die sich als die ersten wahren Hüter der Demokratie und ihrer Werte verstanden, oder waren es schon die Abgeordneten des Paulskirchenparlaments, ohne die so viele Institutionen und Traditionen heutiger Volksvertretungen undenkbar wären? Wie viel ist dran an den Sehnsüchten nach der Größe des mittelalterlichen Reiches, dass in seiner Heraldik ebenfalls den deutschen Dreifarb führte? Waren es die Uniformen des Lützowschen Freikorps oder die Farben der studentischen Landsmannschaften, die sich 1815 in Jena zur Urburschenschaft zusammenschlossen und ihre Farben zu Schwarz-Rot-Gold vereinten?

Die Antwort liegt in der Mitte, und wie so oft in der Geschichte ist nichts so eindeutig, wie es auf den ersten Blick scheint. Doch die Beweggründe, die den Bundestag des stets unbeliebten Deutschen Bundes in Frankfurt am Main im März 1848 dazu veranlassten, diese Farben zu seinen heraldischen Insignien zu erklären, liegen auf der Hand. Denn nicht nur radikaldemokratische Bewegungen wie die protestantisch geprägten Burschenschaften, sondern auch viele andere national gesinnte Schichten standen dem losen Staatenbund von Holstein bis Trient feindlich gegenüber. Aber auch die deutschen Fürsten sägten an dem Ast, auf dem der Deutsche Bund und damit das gesamte System des österreichischen Ministers von Metternich saßen. Einerseits war ihnen die mangelnde Reformfähigkeit des Bundes ein Dorn im Auge, andererseits wollte niemand, allen voran Österreich und Preußen, Macht an eine Institution abtreten, die er nicht vollständig kontrollieren konnte.

Farben im Widerstand

Seit dem Wartburgfest 1817 und dem Hambacher Fest 1832 versammelten sich immer mehr Menschen hinter den Farben, die sie mit dem Freiheitskampf gegen Napoleon und dem Ende der starren Ständegesellschaft identifizierten. Vor allem die führenden Köpfe der burschenschaftlichen Bewegung hatten oft Seite an Seite bei den Lützower Jägern gedient – ohne Rücksicht auf Geburtsgrenzen. Ihr Bestreben, die liberalen Ideen einer vom Volk getragenen Gemeinschaft jenseits der Dynastien unter den deutschen Akademikern zu verbreiten, wurde durch die Zensurgesetze der Reaktionszeit noch verstärkt. Dabei hatten Ereignisse wie der Frankfurter Wachensturm von 1833 gezeigt, dass die liberale Nationalbewegung durchaus bereit war, ihre Ziele mit Gewalt durchzusetzen. Misstraute man in Frankfurt und noch mehr in Wien ohnehin dem eigenen Volk, so steigerte sich die Spannung mit der Februarrevolution 1848 in Frankreich, als die Revolutionäre dem „Bürgerkönig“ Louis-Philippe von Orléans gewaltsam ein Ende bereiteten.

Diese Erinnerung an die Grenzen der eigenen Herrschaft mochten die europäischen Monarchen der Zeit gerne ignorieren, den Abgeordneten des Bundestags wurde sie durch die zahlreichen Teilrevolutionen wie in Baden sehr plastisch vor Augen geführt. Es ging den Menschen nicht mehr um eine Reform des Systems, sondern um seine restlose Beseitigung. Dieser Druck der Städte, Universitäten und Fabriken gleichermaßen forderte ein prominentes Opfer: Fürst von Metternich wurde bereits am 13. März zum Rücktritt gezwungen, er verließ Österreich und kehrte erst einige Jahre später in die Habsburgermonarchie zurück. Dass die Revolution 1848/49 scheiterte, war keine Selbstverständlichkeit, so konstatiert auch der Historiker Thomas Nipperdey:

„Es ist die Vielzahl der Probleme und ihrer Unlösbarkeiten gewesen, die zum Scheitern der Revolution geführt hat. Man wollte einen Staat gründen und eine Verfassung durchsetzen, beides zugleich, und das angesichts gravierender sozialer Spannungen.“

Zugleich war die Revolution ein Bruch mit der restaurativen Ordnung, der nicht repariert werden konnte. Ohne sie hätte es zum Beispiel in Preußen weder eine Verfassung noch den revolutionären Schock gegeben, der notwendig war, um auch die junge Generation für die deutsche Frage zu sensibilisieren. So ist die Revolution von 1848 nicht nur für die Demokratie, sondern auch für die Entwicklung eines deutschen Nationalstaates von grundlegender Bedeutung.

An ihren Farben sollt ihr sie erkennen!

Und Schwarz-Rot-Gold? Während der Märzrevolution wehte diese Fahne auf Beschluss des Bundestages auf allen Bundesfestungen des Reiches. Auch Kaiser Ferdinand I. von Österreich zeigte sich am 10. März mit einer deutschen Trikolore am Fenster der Hofburg – die Farben entwickelten einen gesamtdeutschen Geltungsanspruch. Kein Wunder, dass sich auch die Nationalversammlung in der Paulskirche ihrer bediente, schließlich war ihr erster Präsident Heinrich von Gagern Burschenschafter aus Jena. Nach dem Ende der Revolution führten die Armeen des Deutschen Bundes die Farben der Revolution weiter, was aus heutiger Sicht unglücklich ist, denn mit dem vernichtenden Sieg der Preußen über das Bundesheer im Bruderkrieg 1866 hatte auch Schwarz-Rot-Gold seine Legitimation als Symbol der Anhänger der deutschen Idee verloren.

In Österreich hingegen behielten die Farben ihre Popularität und galten teils als Zeichen gesamtdeutscher Bestrebungen, teils als Abwehrsymbol gegen den Panslawismus der Donaumonarchie. Schwarz-Rot-Gold konnte nach der Revolution keinen lagerübergreifenden Konsens auslösen, zu stark war die Ablehnung des „Schwarz-Rot-Senfs“ durch radikalkonservative und monarchistische Kreise. Das gilt zum Teil bis heute, da Systemkritik von links wie von rechts mit den Symbolen verbunden oder gar verwechselt wird. Die Ära Merkel hat aber auch eine generelle Scheu liberalkonservativer Kreise vor den Nationalfarben geprägt, ein Vakuum, das von jungen rechten Bewegungen und Parteien wie der AfD dankbar angenommen wurde. So weht heute wieder vermehrt Schwarz-Rot-Gold von Flensburg bis Klagenfurt. Aus welchen Motiven auch immer sie gestiftet, von welchen Bewegungen sie einst beansprucht und von welchen Irrlichtern sie missbraucht wurden, die deutschen Nationalfarben gehören heute denen, die sie ergreifen und mit starkem Arm in die Höhe halten.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor

Mike Gutsing

Mike Gutsing, Jahrgang 1999, hat Geschichte studiert und lebt in Mitteldeutschland. Das besondere Interesse des Korporierten gilt der deutschen Geschichte und Kultur.

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