Bruch mit der regelbasierten Weltordnung: Trumps Kampfansage an die Globalisten in Davos
Trump tritt gegenüber westlichen Partnern ebenso konfrontativ auf wie gegenüber östlichen Rivalen. Das Recht des Stärkeren kehrt zurück, und damit die Kriegsgefahr. Deutschland und Europa sind auf diese neue Zeit schlecht vorbereitet.
Mit einer beispiellosen Flut von Dekreten hat Präsident Donald Trump in den vergangenen Tagen den angekündigten Kurswechsel der USA eingeleitet und beim Weltwirtschaftsforum in Davos eine klare Kampfansage an die Globalisten gerichtet. Trump stellt nun alles infrage, was mal als „zivilisatorischer Fortschritt“ im Westen galt: Einwanderung, Supranationalität, Gleichstellung und Klimaschutz.
Vor allem ist deutlich geworden, dass der neue Präsident die US-Politik nicht mehr durch internationale Verträge oder zwischenstaatliche Vereinbarungen mit anderen Staaten einschränken lassen will. In mehreren Proklamationen kündigte er an, aus dem Pariser Weltklimaabkommen, der Weltgesundheitsorganisation und dem globalen Steuerabkommen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung austreten zu wollen. Auch erneuerbare Energien will Trump nicht nur nicht mehr fördern, sondern aktiv verhindern. In einem seiner Dekrete hat er den Bundesbehörden untersagt, Anträge für bestehende oder neue Windkraftanlagen vor der Küste oder an Land zu genehmigen oder zu verlängern. Im Gegenzug will der neue Präsident deutlich mehr Öl fördern lassen, auch in Alaska und vor Küsten, die Joe Biden noch zu Schutzgebieten erklärt hatte.
Trump droht der ganzen Welt mit Zöllen
Im Wahlkampf waren Importzölle eines der zentralen Themen von Donald Trump. Über deren Höhe hatte er vor der Wahl sehr unterschiedliche Zahlen genannt. Trump erwägt, Zölle gegen Kanada und Mexiko zu verhängen. Der US-Präsident hat das Handelsdefizit mit der EU beklagt und mit Zöllen gedroht. Kurz vor seiner Vereidigung drängte er die EU, mehr Öl und Gas aus den USA zu importieren. „Sonst wird es Zölle ohne Ende geben“, schrieb er damals in seinem Online-Sprachrohr Truth Social. Bereits in Trumps erster Amtszeit war es zu einem heftigen Handelsstreit zwischen den USA und der EU gekommen. Damals hatte Trump 2018 Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte verhängt, die EU reagierte mit Vergeltungszöllen auf US-Produkte wie Bourbon-Whiskey, Harley-Davidson-Motorräder und Jeans.
Der kommende Handelskrieg wird sich vor allem zwischen China und den USA abspielen. Der neue US-Präsident Donald Trump hat China kürzlich mit Strafzöllen in Höhe von zehn Prozent gedroht – und dies mit der Rolle Pekings bei der Fentanyl-Epidemie in den USA begründet. „Wir sprechen über einen Zoll von zehn Prozent auf China, weil das Land Fentanyl nach Mexiko und Kanada liefert“ und das synthetisch hergestellte Opioid von dort in die USA gelangt.
Im Moment freut sich die chinesische Führung über Trumps Umgang mit TikTok, seine Feindseligkeit gegenüber Verbündeten und die Tatsache, dass es bisher keine Zölle auf chinesische Waren gibt. Der neue Präsident hat nicht gleich am ersten Tag neue Zölle auf chinesische Waren verhängt, wie einige in Peking befürchtet hatten. Die chinesische Währung hat nicht an Wert verloren. Im Vergleich zu den von Trump im Wahlkampf angedrohten Zöllen in Höhe von 60 Prozent sind die angedrohten Zölle in Höhe von zehn Prozent überschaubar.
Trump will nun damit beginnen, das gesamte Zollsystem in den USA zu reformieren; konkret beschlossen ist noch nichts. Mit der Proklamation der „America First Trade Policy“ hat er zunächst seinen Minister und seinen Handelsbeauftragten beauftragt, ihm bis zum 1. April Vorschläge zu unterbreiten, wie das Handelsdefizit minimiert werden kann. Nach Ablauf dieser Frist ist die Einführung von Zöllen gegen China möglich.
Trump umschmeichelt ultrakonservative Monarchen in Saudi-Arabien
Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos zeigte Trump seine Entschlossenheit, die wirtschaftlichen Interessen der USA mit unerbittlicher Härte durchzusetzen und internationale Krisen auf ungewöhnliche Weise zu lösen. Trump ist kein „Davos Man“, der am WEF die „Vorteile“ einer integrierten Weltwirtschaft predigt. Die universelle Moral, die den politischen Kosmos des Wertewestens prägte, hat längst ihre Anziehungskraft verloren. Der „Mann von Davos“, der mit wohlgesetzten Worten für die Globalisierung plädierte, gilt heute eher als nackter Kaiser. Gefragt ist jetzt sein Antipode, wie Trump.
Trump inszenierte sich beim jüngsten Treffen in Davos als Heilsbringer, der zu den versammelten Repräsentanten der Weltgemeinschaft spricht. Er sprach von einem „goldenen Zeitalter“, das in diesen Tagen für die USA angebrochen sei. Sein Vorgänger Biden habe die Kontrolle über Schulden, Inflation und Migration völlig verloren. Weltweit seien die Preise als Folge von Bidens Politik „durch die Decke gegangen“.
Der Präsident beklagte sich insbesondere über das Verhalten der Europäischen Union, die sich wirtschaftlich sehr unfair gegenüber den USA verhalten habe. Allein Saudi-Arabien habe bereits 600 Milliarden Dollar an Investitionen in den USA angekündigt. Trump habe die Führung in Riad gebeten, diese Summe auf eine Billion aufzurunden.
Den Krieg in der Ukraine wolle Trump durch niedrigere Ölpreise beenden. Er habe mit dem Kronprinzen von Saudi-Arabien gesprochen und ihn und die OPEC gebeten, für niedrigere Ölpreise zu sorgen, sagte er in seiner Rede in Davos. Die Absurdität der Idee, er könne den Krieg in der Ukraine mit einem einfachen Machtwort beenden, ist dem US-Präsidenten offensichtlich klar geworden. Bemerkenswert ist allerdings seine Idee, Russland mit niedrigeren Ölpreisen zum Einlenken zu bewegen. Offenbar geht Trump davon aus, dass ein niedrigerer Ölpreis den wirtschaftlichen Druck auf Russland so erhöht, dass es den Krieg nicht mehr finanzieren kann. Das heißt, er will den Krieg nicht über das Völkerrecht und die internationalen Regeln lösen, sondern über das Recht des Stärkeren. Der Verfall des Ölpreises in den 1980er Jahren gilt auch als eine wesentliche Ursache für den Niedergang der wirtschaftlich überforderten Sowjetunion, die auf Devisen aus dem Ölexport angewiesen war.
Trumps Lieblingspräsident
Eine Herzensangelegenheit von Donald Trump ist es in diesen Tagen, einem weitgehend unbekannten Präsidenten der US-Geschichte zu Prominenz zu verhelfen. McKinley regierte von 1897 bis 1901 inmitten des sogenannten Goldenen Zeitalters der USA, das von starkem Bevölkerungswachstum, Produktivitätssteigerungen und Wirtschaftswachstum geprägt war. McKinley setzte auf hohe Zölle und niedrige Steuern. Noch bevor er Präsident wurde, drängte er den Kongress, ein Gesetz zu verabschieden, das die Zölle auf 50 Prozent erhöhte – ein Niveau, das selbst Trumps Pläne übertrifft. McKinley machte die USA zur Weltmacht. Unter seiner Ägide wurde Hawaii annektiert, er besiegte die spanischen Flotten in einem kurzen Krieg und zwang das Land, Puerto Rico und Guam abzutreten und die Philippinen aufzugeben. Wenn Trump imperiale Tagträume wie die Annexion Grönlands oder des Panamakanals hegt, könnte ihn McKinley inspiriert haben. Das Wochenmagazin The Economist bezeichnet Trump inzwischen als imperialistischen Präsidenten, der das Projekt von 1897 wiederbeleben wolle.
Die Neue Welt und das Schicksal Europas
Trump will ein entfesseltes Amerika, frei von Normen, politischer Korrektheit und Bürokratie. Dass Trump nicht internationale Regeln, sondern US-Interessen zum Maßstab seiner Politik macht und territoriale Ansprüche erhebt, läutet eine neue Ära der Weltpolitik ein. Die Jahrzehnte der westlichen Integration nach dem Zweiten Weltkrieg, in denen die sogenannte regelbasierte Ordnung des Westens als Orientierung diente, scheinen zu Ende zu gehen. Trump tritt gegenüber westlichen Partnern ebenso konfrontativ auf wie gegenüber östlichen Rivalen.
Die Zeichen stehen wieder auf Machtkampf und Kräftemessen. Das Recht des Stärkeren kehrt zurück und mit ihm die Kriegsgefahr. Deutschland und Europa sind auf diese neue Zeit schlecht vorbereitet. Die Bundesregierung ist nervös, Olaf Scholz bangt um sein politisches Überleben. Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz spricht sich dafür aus, dem US-Präsidenten einen neuen Anlauf für ein Freihandelsabkommen anzubieten. Ob Trump auf den Vorschlag von Merz eingeht, bleibt vorerst unklar. Auch die Rechtspopulisten in Deutschland sind derzeit der US-Oligarchie auf den Leim gegangen und lassen sich davon begeistern, dass ein Amerikaner wie Elon Musk die Deutschen von der „Schuld der Vergangenheit“ befreit hat. Europa befindet sich in einer erbärmlichen Lage, umzingelt von den imperialistischen Plänen der USA im Westen und Chinas und Russlands im Osten, ohne einen Plan für ein Gleichgewicht der Beziehungen zwischen Ost und West zu haben.