China und der Aufbau der Neuen Seidenstraße

Spätestens mit der Finanzierung des Hauptquartiers der Afrikanischen Union in Addis Abeba hat China den Westen als Hegemon in Afrika abgelöst. Wie sich später herausstellte, wurde das Hauptquartier komplett abgehört. Der Politologe Tobias Fritschel erklärt, warum das die chinesisch-afrikanischen Beziehungen nicht nachhaltig beschädigt hat.

Analyse von
17.1.2024
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5 Minuten Lesezeit
China und der Aufbau der Neuen Seidenstraße

Der chinesische Präsident Xi Jinping bei einer Konferenz in San Francisco.

© IMAGO / ZUMA Wire

Man sollte nicht den Fehler machen, das chinesische Engagement in Afrika überzubewerten. Chinas strategischer Fokus liegt eindeutig auf der Neuen Seidenstraße, auf Eurasien. Chinas Herz schlägt für das Herzland. Seine Augen sind auf die Lösung der Korridorfrage gerichtet. Ziel ist es, eine Brücke zwischen Europa und Asien zu schlagen. Der russische Zweibundpartner, die arabischen Ölstaaten und europäische Länder wie Ungarn sind als Puzzleteile der Neuen Seidenstraße von herausragender Bedeutung.

Dennoch spielt Afrika in Chinas „Great Game“ eine Rolle. Der Kontinent ist vor allem wegen seines Rohstoffreichtums und des relativ geringen Engagements der USA interessant. Im Gegensatz zu den USA ist der produzierende Sektor in der chinesischen Wirtschaft besonders stark ausgeprägt. Die chinesische Wirtschaft ist „handfester“ und damit rohstoffhungriger als die schöngeistige Dienstleistungsgesellschaft New Yorks und des Silicon Valley. Mit dem Fokus auf Industrie, also auf „Hardware“ statt auf „Software“, ähnelt China eher der deutschen als der angelsächsischen Wirtschaft.

Im Idealfall werden Rohstoffe in Afrika abgebaut, über die Seidenstraße nach China transportiert, dort verarbeitet und schließlich in den Rest der Welt exportiert. China unterscheidet dabei nach Carl Schmitt, der an chinesischen Universitäten – anders als an deutschen – tatsächlich gelehrt wird, zwei Arten von Ländern: Gute Länder, die diesen Korridor ermöglichen und ihre Pipelines für russisches Gas und Warenströme aller Art öffnen. Und schlechte Länder, die diese Landverbindung blockieren und den Kreislauf des Herzbluts durch die Seidenstraße unterbrechen.

Ein Beispiel für ein gutes Land wäre Ungarn. Ein Beispiel für ein schlechtes Land ist die transatlantische Exklave Polen. Die gleiche Einteilung in gute und schlechte Länder nimmt China in Afrika vor. Grob lassen sich folgende drei Kategorien unterscheiden:

1.) Privilegierte Partner Chinas

Diese Länder nehmen eine klare strategische Haltung gegenüber China ein. Das Reich der Mitte belohnt dies mit hohen Investitionen, Handel und Krediten. An erster Stelle sind hier Äthiopien und Südafrika zu nennen. Äthiopien verfolgt eigene Aufstiegspläne, plant derzeit die Wiedereingliederung Eritreas und ist für China vor allem als panafrikanischer Koordinator wichtig. Noch wichtiger ist Südafrika, das in der BRICS-Liga mitspielt.

Beide Länder spielen nicht nur in der chinesischen Strategie eine herausragende Rolle. In Afrika erscheinen Äthiopien und Südafrika oft als primus inter pares – als Einäugiger unter Blinden. Äthiopien ist das einzige Land Afrikas, das nie kolonialisiert wurde. Spätestens seit Marcus Garvey erfüllt es eine panafrikanische Rolle. Kein Wunder, dass der chinesische Auslandssender CGTN Africa dem äthiopischen Kaiser Haile Selassie lobende Dokumentationen widmet. Südafrika ist dank seiner zwar schrumpfenden, aber wohlhabenden europäischen Diaspora das wirtschaftliche Powerhouse Afrikas.

2.) Solide Partner Chinas

Die starken chinesischen Partner erhalten von China bei weitem nicht die gleiche Unterstützung wie Äthiopien und Südafrika. Die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen sind jedoch bedeutend und gedeihen. Zu nennen sind hier Kenia, wo sich auch der Sitz von CGTN Africa befindet, aber auch Nigeria und Tansania. Ein weiterer wichtiger chinesischer Partner ist Angola, das vor allem wegen seines Erdöls von Bedeutung ist, sowie Sambia und Simbabwe. Sambia ist vor allem für Chinas Leitwährungsinitiative wichtig. Das Land der Mitte will die Dominanz des Petrodollars brechen. Rohstoffe sollen dann auch in Yuan gehandelt werden können. Als zweitgrößter Kupferproduzent Afrikas spielt Sambia dabei eine Vorreiterrolle.

3.) Unsichere Kantonisten

Die dritte Kategorie afrikanischer Länder kann als „unsichere Kantonisten“ bezeichnet werden. Einerseits handelt es sich um Länder, die für China von strategischer Bedeutung sind. Eine Zusammenarbeit wird jedoch durch die Präsenz ehemaliger Kolonialmächte verhindert. Zum anderen gibt es Länder, die gerne mit China kooperieren würden, zu denen das Reich der Mitte aber aufgrund von Instabilität oder undurchsichtiger Bündnispolitik auf Distanz gegangen ist.

China hasst Instabilität. Diese wird aus chinesischer Sicht vor allem durch häufige Koalitionswechsel in parlamentarischen Demokratien verursacht. Harmonie und Investitionssicherheit sind den Chinesen besonders wichtig. Beides aber ist in Afrika Mangelware. Deshalb arbeitet China lieber mit autoritären Staatschefs mit langer Regierungszeit zusammen, die zwar kein gutes Image, aber oft mehr Stabilität bieten können als parlamentarische Eintagsfliegen oder Hasardeure.

Fallbeispiel Simbabwe

Bis vor kurzem war auch das weißenfeindliche Simbabwe mit seinem Diktator Mugabe so ein Fall. Das Land war ein alter Partner Chinas. Ein Partner aus einer Zeit, als das Land der Mitte noch auf international geächtete Schurkenstaaten zurückgreifen musste, weil sich vorerst keine besseren Optionen boten. Mugabe wehrte sich jedoch zunehmend gegen den chinesischen Einfluss im Land und biss damit die Hand, die ihn fütterte. Zudem weigerte er sich, die für eine rentable Bewirtschaftung der Farmen notwendigen weißen Farmer zurückzuholen. Deswegen hat China kurzerhand einen regime change durchgeführt und Mugabe durch seinen weißen- und vor allem chinafreundlicheren Parteifreund Emmerson Mnangagwa ersetzt. Seitdem kann Simbabwe wieder zu den soliden Partnern Chinas gezählt werden.

Hieraus kann man zwei Dinge lernen: Zum einen das Primat der Investitionssicherheit, auf das China gerade in Afrika besonders achtet. Dies führt zur pragmatischen Bevorzugung einer harmonischen weißenfreundlichen Politik. Wie sich das langfristig etwa auf Südafrika mit seinem offen genozidalen Julius Malema von den „Economic Freedom Fighters“ und die derzeit zumindest latent weißenfeindlichen ANC-Regierung auswirken wird, bleibt fraglich. Klar ist aber, dass China hier allein aufgrund der investitionsgefährdenden Sachschäden kein Interesse an Plünderungen haben kann.

Außerdem ist China durchaus von den globalen Innovationen weißer Pioniere aus Südafrika wie Elons Musk oder Mark Shuttleworth beeindruckt. Die Mugabe-Affäre verdeutlicht zudem: China kann regime change. Damit wurde das Monopol der USA auf dieses wichtige Politwerkzeug gewissermaßen gebrochen. Anders als etwa die USA im Nahen Osten hinterlässt China dabei keine ökonomischen Trümmerfelder und „failed states“. Im Gegenteil, nach einer chinesischen Intervention steht oft ein harmonischer und investitionssicherer Staat mit blühenden Landschaften da. So geht „good governance“!

Fallbeispiel Niger

Simbabwe stellt jedoch auch einen Sonderfall dar. Die meisten „Problembären“ sind eher ehemalige französische Kolonien mit anhaltender Präsenz Frankreichs. Hier wäre zum Beispiel Dschibuti zu nennen, wo China seinen ersten Militärstützpunkt errichtet hat. Aber auch Franzosen und Amerikaner sind dort mit Stützpunkten vertreten. Auch Niger – vor allem für die strategischen Ziele Russlands wichtig – ist so ein Fall. Fast der gesamte französische Strom ist Atomstrom. Fast das gesamte französische Uran kommt aus dem Niger. Die Energieunabhängigkeit Frankreichs wird also in der Sahelzone entschieden. Dort entscheidet sich auch, welche Position Emmanuel Macron in der Ukraine einnehmen kann. Sollte das Uran aus Niger versiegen, müsste sich Macron mit Putin an einen Tisch setzen, um russisches Gas und Öl zu kaufen.

Hier scheinen sich die Interessen von Russland und China, das ja durchaus an einer mit russischen Energieträgern geölten Seidenstraße interessiert ist, zu ergänzen. Beide Länder erscheinen daher als die größten Profiteure des Nigerputsches, bei dem die russische Söldnergruppe Wagner beteiligt war. Durch den Putsch wurden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: China erhält ein franzosenfreies Niger als neues Partnerland und Putin zwingt Macron in die Energieabhängigkeit zu Russland. Deutschland wäre in diesem Szenario der lachende Dritte: Billige Energie aus Russland würde die Deindustrialisierung verlangsamen und die von der Teuerung arg gebeutelten Bürger entlasten.

Fazit

Afrika ist für China vor allem wegen seines Rohstoffreichtums und der Leitwährungsinitiative von Bedeutung. China braucht Afrika, wenn es künftig einen Teil des globalen Rohstoffhandels in Yuan abwickeln will. Afrika ist zudem ein Baustein zur Schaffung einer Weltinsel durch den Bau einer afrikanisch-eurasischen Landbrücke. Carl Schmitt schrieb in Land und Meer, dass diese Landbrücke unabdingbar sei, um den Übergang von einer See- zur einer Landmacht, von der angelsächsischen Thalassokratie also zur eurasischen Tellurokratie, zu schaffen.


Zur Person:

Tobias Fritschel ist Politologe und freier Journalist. Er ist spezialisiert auf preußische Geschichte und Geopolitik.

Stellenausschreibugn - AfD Sachsen

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