Das Ende des europäischen Linkspopulismus

Vor rund zehn Jahren hatten die griechische Syriza und die spanische Podemos noch Grund zur Freude. Als linkspopulistische Parteien zählten sie zu den stärksten Kräften in ihren Ländern. Doch in den letzten Jahren hat sich das Blatt gewendet, wie Marvin Mergard in seiner Analyse für FREILICH zeigt.

Analyse von
15.12.2023
/
3 Minuten Lesezeit
Das Ende des europäischen Linkspopulismus

Der Syriza-Vorsitzende Stefanos Kasselakis.

© IMAGO / ZUMA Wire

Griechenland – Syriza

Eine der wichtigsten linkspopulistischen Parteien der 2010er-Jahre war die griechische Syriza. Ursprünglich als linkes Sammelbündnis gegründet, konstituierte sie sich 2012 als Partei und konnte in der Folge beachtliche Erfolge verbuchen. Während sie bis einschließlich der Parlamentswahlen 2009 nur maximal fünf Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte, stieg dieser Anteil bei den folgenden Wahlen stetig an.

Im Mai 2012 konnte sie ihr Wahlergebnis mit knapp 17 Prozent mehr als verdreifachen. Da eine Koalitionsbildung scheiterte, wurde bereits im Juni desselben Jahres erneut gewählt. Das Ergebnis: Syriza steigerte ihren Stimmenanteil um weitere zehn Prozentpunkte auf insgesamt 27 Prozent.

In der folgenden Euro- und Bankenkrise konnte Syriza mit einer klaren Gegenposition zu den diktierten Sparmaßnahmen und gegen die Troika, die in weiten Teilen der griechischen Bevölkerung virulent war, noch einmal zulegen.

Bei den Parlamentswahlen im Januar 2015 erreichte sie rund 36 Prozent und wurde damit erstmals stärkste Kraft im griechischen Parlament. Sie regiert seitdem bis 2019 in einer Querfrontkoalition mit der rechten Anexartitoi Ellines (ANEL).

Allerdings verlor sie nach und nach ihren Rückhalt in der Bevölkerung. In der Regierung musste sie Kompromisse eingehen und sich schließlich den wirtschaftlichen Vorgaben aus Brüssel beugen. Die einst starke, volksnahe linke Kraft wurde zum neuen Establishment. Das alte Establishment links der Mitte, die Sozialdemokraten der Panellinio Sosialistiko Kinima (kurz: PASOK), wurde durch den Erfolg der Syriza-Partei, die zeitweise einstellige Wahlergebnisse erzielen konnte, an den Rand gedrängt. Von der alten Größe von über 40 Prozent, die sie noch 2009 erreichen konnte, ist sie weit entfernt, stabilisiert sich aber nach aktuellen Umfragen bei rund 15 Prozent, während Syriza mit nur noch 12 bis 15 Prozent einen deutlichen Absturz hinnehmen muss.

Auch die Kommunisten, die seit den 1990-er Jahren maximale Wahlerfolge von rund acht Prozent erzielten, können vom aktuellen Abwärtstrend der Syriza profitieren. Auch sie kann laut einigen Meinungsforschungsinstituten auf rund zehn Prozent der Stimmen hoffen, teilweise sogar auf bis zu 13 Prozent.

Daneben gibt es zwei weitere linke Alternativen für unzufriedene Syriza-Anhänger. Zum einen gibt es die seit Juni dieses Jahres im Parlament vertretene Plefsi Eleftherias (PE), die sich anschickt, sich ebenfalls im linken Anti-Establishment-Duktus gegen die Missstände im Land zu positionieren.

Zum anderen gründete der ehemalige Finanzminister Yanis Varoufakis 2018 die Linkspartei „MeRA25“, die von 2019 bis 2023 im Parlament vertreten sein wird und in aktuellen Umfragen nur knapp unter der in Griechenland üblichen Drei-Prozent-Hürde liegt.

Allerdings sollte es nicht bei den bestehenden Konkurrenzparteien im linken Spektrum bleiben. Am 12. November dieses Jahres führten innerparteiliche Spannungen zu einer Austrittswelle. 45 Abgeordnete verließen die Syriza, darunter der ehemalige Wirtschaftsminister und zwei Parlamentsabgeordnete. Letztere traten auch aus der Syriza-Fraktion aus. Wenige Tage später trat auch der Europaabgeordnete Petros Kokkalis aus der Partei aus.

Ihre Austritte führten jedoch nicht zur endgültigen Parteilosigkeit. Anfang Dezember gründeten die zuvor partei- bzw. fraktionslosen Abgeordneten im Griechischen Parlament und der Syriza-Abtrünnige Europaabgeordnete die Néa Aristerá (NA) – die „Neue Linke“.

Da die Umfragewerte der neuen Linkspartei auch bei den nächsten Wahlen den Sprung über die Prozenthürde erwarten lassen, könnten künftig fünf Parteien links von der sozialdemokratischen PASOK im Parlament vertreten sein. Die völlige Zersplitterung der politischen Linken wäre damit besiegelt.

Damit zeichnet sich ein Debakel für die Zukunft der griechischen Linken und das Ende des dort einst erfolgreichen klassischen Linkspopulismus ab.

Spanien – Podemos

Die spanische Podemos kann auf eine ähnliche Erfolgsgeschichte wie die Syriza zurückblicken. Sie wurde im März 2014 gegründet und konnte bereits ein Jahr später mit einem Ergebnis von über 20 Prozent als drittstärkste Kraft ins spanische Nationalparlament einziehen. Seitdem mischt sie das politische Geschehen im Land kräftig auf.

Podemos konnte sich jedoch langfristig nicht durchsetzen und musste mit ansehen, wie sie ab 2019 bei jeder Wahl Stimmen verlor und der erfolgversprechende Populismus nun nicht mehr von linker, sondern von rechter Seite zu kommen scheint.

Bei den letzten Parlamentswahlen 2023 konnte Podemos nur im Wahlbündnis mit vielen anderen linken Parteien ein Ergebnis von rund zwölf Prozent erzielen. Von den 31 Mandaten, die das Bündnis „Sumar“ errang, entfielen nur fünf auf Podemos.

Am 7. Dezember verließ Podemos das linke Bündnis. Nach einer aktuellen Umfrage könnte die Sumar noch knapp zehn Prozent der Stimmen erreichen, die Podemos nur noch 2,6 Prozent. Damit steht auch die einst starke linkspopulistische Kraft in Spanien vor dem politischen Aus.

Ob Syriza oder Podemos – der von links kommende Widerstandsgeist war in Europa nur von kurzer Dauer und kein den ganzen Kontinent veränderndes Phänomen. Der stärkste Druck kommt jetzt von der politischen Rechten, und dieser Druck ist in ganz Europa spürbar.

Dennoch sollte die politische Rechte den raschen Aufstieg linkspopulistischer Größen nicht vergessen: Wenn soziale Unruhen entstehen, suchen die Menschen nach Repräsentanten, die ihre Ängste und Sorgen glaubwürdig aufgreifen und in ebenso glaubwürdige Politik umsetzen. Deshalb darf sich die politische Rechte nicht scheuen, auch die soziale Frage immer wieder neu aufzugreifen und zu beantworten. Denn wenn sie es nicht kann: Der nächste linkspopulistische Ausbruch ist immer möglich.


Zur Person:

Marvin Mergard, Jahrgang 1994, betreibt den Blog Vera Europa. Dort setzt er sich mit der politischen Rechten in Europa und der europapolitischen Lage aus rechter Perspektive auseinander.

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