Präsidentschaftswahl in Brasilien: Die Linke kommt wieder an die Macht
Bei der Präsidentschaftsstichwahl in Brasilien hatte der linke Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva knapp gewonnen. Er kam auf 50,9 Prozent der Stimmen. Der rechte Amtsinhaber Jair Bolsonaro erhielt demnach 49,1 Prozent.
Lula war bereits von 2003 bis 2011 Präsident von Brasilien. Er stammt aus der Arbeiterbewegung im Nordosten, war in früheren Zeiten Präsident der Metallarbeiter-Gewerkschaft und dirigierte den Widerstand der Gewerkschaften gegen die Militärdiktatur. Anfang der 1980er-Jahre war er Mitbegründer der Arbeiterpartei. Lula selbst wurde wegen Korruption und Geldwäsche verurteilt und durfte deshalb nicht als Kandidat an der Präsidentschaftswahl 2018 teilnehmen. Im November 2019 wurde er nach 580 Tagen Haft aus dem Gefängnis entlassen. 2016 wurde das Amt von Dilma Rousseff, die derselben Partei wie Lula angehört, vom Senat wegen eines Verstoßes bei der Führung der Staatsfinanzen suspendiert.
Der Ex-Militär und langjährige Abgeordnete unterschiedlicher Parteien Bolsonaro wurde 2018 ins Präsidentenamt gewählt. Seine Positionen sind rechtsgerichtet und konservativ: mit seinen Mottos „Gott, Vaterland und Familie“ und ‚Brasilien über alles, Gott über alle‘ setzt er auf traditionelle Werte. Er spricht sich für das Waffenrecht und gegen die Gender-Ideologie in den Schulen und den Covid-Maßnahmen aus. „Wir sind ein Land, das […] sich nicht mit dem Kommunismus anderswo in der Welt verbünden will.“ Zu den Vorschlägen seiner Regierung gehörte auch die „Entpolitisierung“ der Schulen. Die Lehrer sollten sich neutral verhalten und das kritische Denken der Schüler fördern, anstatt sie zu ideologisieren. In Bezug auf die Wirtschaft wurde unter anderem vorgeschlagen, Exportprodukte höher zu bewerten und die Privatisierung zu fördern. Die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland wurden trotz des Krieges fortgesetzt.
Mögliche Wahlmanipulationen
Es ist auch wichtig, den Unterschied der Wahlergebnisse in den einzelnen Regionen hervorzuheben. Im Süden des Landes, insbesondere im Bundesstaat Santa Catarina, hat Bolsonaro seine meisten Anhänger. Der Süden ist die Region mit der höchsten Lebensqualität im Land. Die dort ansässige deutschstämmige Minderheit unterstützt überwiegend Bolsonaro. Lulas größte Unterstützerbasis befindet sich im armen Nordosten des Landes und unter den Menschen mit geringen Einkommen.
Im Wahlkampf gab es immer wieder Hinweise auf mögliche Wahlmanipulation zuungunsten Bolsonaros. Seine Werbung wurde nicht an die Medien weitergeleitet, und die Medien sprachen sich stets für Lula und gegen die Regierung Bolsonaros aus. Aus Protest gegen das Ergebnis der Präsidentenwahl haben seine Anhänger mehr als 200 Straßensperren im Land errichtet. Demzufolge betrafen die Blockaden wichtige Verkehrsachsen wie eine Stadtautobahn in der Wirtschaftsmetropole Cotia und eine Verbindungsstraße zwischen Rio de Janeiro und São Paulo.
Zur Person:
Die Autorin ist Brasiliendeutsche und betreibt auf Telegram den Kanal „Brasiliendeutsche für Deutschland“.