Rückkehrwelle: Syrer verlassen in Scharen die Türkei in Richtung Heimat
Viele Syrer kehren aus der Türkei in ihre Heimat zurück, doch die unsichere Lage in Syrien wirft Fragen auf. Experten sehen in der Rückkehrwelle keinen dauerhaften Trend.
Ankara/Damaskus. – Am Grenzübergang Cilvegözü zwischen der Türkei und Syrien warten Hunderte Syrer auf ihre Rückkehr in die Heimat. Unter ihnen ist auch der 24-jährige Halit Resid aus der westtürkischen Stadt Cerkezköy. „Wir laden jetzt gleich auf“, sagt er und zeigt auf einen Lastwagen, der die Reisenden und ihr Gepäck transportieren soll. „Und dann geht es ab in die Heimat!“, zitiert ihn der Tagesspiegel. Resid erzählt, dass er seit sieben Jahren nicht mehr in Syrien war. „Gestern haben sie mich angerufen aus Homs und gesagt, dass die Opposition die Kontrolle über die Stadt hat und ich kommen kann.“ Er habe sich sofort auf den Weg gemacht, um über Idlib und Afrin nach Homs zu gelangen. Dort wolle er den zerstörten Hof seiner Eltern wieder aufbauen und Ziegen züchten. „Für mich wird es dort genug zu tun geben.“
Euphorie bei Rückkehrern
Die Rückkehr nach Syrien wird von vielen als Wendepunkt empfunden. „Endlich sind wir frei und können zurückkehren“, erklärt ein weiteren Mann der Agentur DHA. Er forderte insbesondere die syrische Jugend auf, heimzukehren. Ähnlich äußerte sich ein Mann aus Bursa, der mit seiner Familie auf dem Weg nach Aleppo war. Ohne die Jugend könne der Wiederaufbau nicht gelingen. „Das ist schließlich unsere Heimat.“ Andere, wie der 23-jährige Raid, sehen die Rückkehr mit gemischten Gefühlen. „Für mich beginnt jetzt ein neues Leben“, sagt er. „Meine Familie hat nichts mehr in Syrien, wir müssen von null anfangen.“
Unsicherheit und Realismus in der Türkei
Trotz der optimistischen Stimmung bleiben Experten skeptisch. Murat Erdogan, Migrationsforscher aus der Türkei, betont gegenüber dem Nordkurier: „Nach meinen Umfragen wollen 89 Prozent aller Türken, dass die Syrer heimgehen. Einige werden jetzt auch gehen, vor allem wenn sie Schwierigkeiten haben in der Türkei. Oder wenn sie in Syrien noch Besitz haben. Aber für die Mehrheit der Syrer ist es zu früh, überhaupt davon zu reden.“ Die zerstörte Infrastruktur, die wirtschaftliche Unsicherheit und die unklaren Machtverhältnisse in Syrien seien große Hindernisse. „Syrien sieht heute ganz anders aus als vor zehn Tagen – wer weiß, wie es in zehn Tagen dort aussieht oder in ein paar Monaten?“
Selbst unter günstigen Bedingungen rechnet Erdogan nicht mit einer Massenrückkehr. „Wir haben in der Türkei nach offiziellen Zahlen drei Millionen Syrer, davon werden maximal, aber wirklich maximal eine Million zurückgehen.“ Auch eine Rückkehr syrischer Flüchtlinge aus europäischen Ländern sieht Erdogan kritisch. Das halte er für „eine komplette Fantasie“. „Sehen Sie sich die Türken in Deutschland an, die sind seit 60 Jahren da. Wenn man mit ihnen redet, sagen sie immer ja, wir wollen nach Hause in die Türkei - aber niemand kommt. Die kommen nur für den Urlaub. Das ist nicht realistisch. Dass die Syrer aus Deutschland oder überhaupt aus europäischen Ländern nach Syrien zurückkehren, ist wirklich reine Fantasie. Das wird nicht geschehen, jedenfalls nicht freiwillig.“
Politische Implikationen
Die Rückkehrwelle wird auch von der türkischen Regierung begrüßt. Außenminister Hakan Fidan sagte: „Millionen Syrer werden jetzt ehrenhaft heimkehren können.“ Doch Erdogan sieht die Prioritäten anders. „Die drängendste Frage für die Türkei ist jetzt die Position der syrischen Kurden und der Amerikaner zur kurdischen Herrschaft über Nordsyrien.“ Eine systematische Organisation der Rückkehr sei zwar möglich, aber angesichts der wirtschaftlichen Lage der Türkei eine enorme Herausforderung. Die Situation bleibt fragil. Während sich die Grenzübergänge mit Rückkehrern füllen, ist unklar, wie nachhaltig dieser Trend ist und welche langfristigen Perspektiven sich in Syrien entwickeln werden.