Spionageskandal: Italienische Journalisten mit israelischer Software ausgespäht
Dutzende Menschen in mehreren europäischen Ländern, darunter Italien, sollen mit israelischer Spionagesoftware ausspioniert worden sein. Auch Journalisten sollen unter den Betroffenen sein. Die italienische Regierung gerät nun in Erklärungsnot.
Kritiker fordern eine rasche Aufklärung der Spionageaffäre.
© IMAGO / Pond5 ImagesRom/Brüssel. – Neue Enthüllungen zeigen, dass Journalisten, Aktivisten und NGOs in Europa mit israelischer Überwachungstechnologie ausspioniert wurden. Insgesamt sollen 90 Personen in 14 EU-Ländern betroffen sein, darunter sieben bestätigte Fälle in Italien, wie Euractiv berichtet. Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europaparlaments diskutierte den Fall vor wenigen Tagen in Anwesenheit von EU-Digitalkommissarin Henna Virkkunen.
Der italienische Europaabgeordnete Sandro Ruotolo (S&D) spricht in diesem Zusammenhang von einem schweren Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit in Europa. „Wir haben einen Brief an die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, geschickt, der von den Oppositionsparteien in Italien unterzeichnet wurde. Darin fordern wir die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses“, sagte er Euractiv. Es müsse geklärt werden, welche Länder ihre eigenen Bürger illegal überwacht hätten, aus welchen Gründen dies geschehen sei und wie die europäischen Bürger in Zukunft geschützt werden könnten.
Der „Paragon-Fall“ sorgt für Empörung
Der Skandal wurde durch Berichte von Francesco Cancellato, Direktor der italienischen Online-Zeitung Fanpage, und Luca Casarini, Direktor der NGO Mediterranea Saving Humans, aufgedeckt. Beide wurden von Meta gewarnt, dass sie das Ziel einer ausgeklügelten Spionageoperation seien.
Im Zentrum der Affäre steht die israelische Firma Paragon Solutions, die die Spionagesoftware Graphite entwickelt hat. Offiziell erklärt Paragon, dass die Software nur an „eine ausgewählte Gruppe globaler Demokratien, vor allem die USA und ihre Verbündeten“ verkauft werde. Laut der israelischen Zeitung Haaretz hatte das Unternehmen in Italien jedoch zwei Kunden: eine Strafverfolgungsbehörde und einen Geheimdienst.
Auch David Yambio, Sprecher der Initiative Refugees in Libya, wurde vor einem Spionageangriff gewarnt. „Es beginnt mit mir, einem Migranten ohne Stimme, ohne rechtlichen Schutz. Dann trifft es die italienischen Seenotretter, dann die Journalisten. Morgen könnte es ein Richter sein, dann jemand anderes“, warnte er. Die repressiven Strukturen, vor denen Migranten aus Afrika fliehen, würden sich nun auch in Europa zeigen, wenn auch in einer „raffinierteren, bürokratischeren Form“.
Widersprüchliche Aussagen aus Italien
Der Fall hat in der italienischen Politik für erhebliche Aufregung gesorgt. Während die britische Zeitung The Guardian am 6. Februar berichtete, Paragon habe den Vertrag mit der italienischen Regierung „aus reiner Vorsicht“ gekündigt, widersprach der Minister für parlamentarische Angelegenheiten, Luca Ciriani, dieser Darstellung. „In den letzten Tagen wurde kein einziger Vertrag gekündigt. Alle Systeme sind weiterhin voll einsatzfähig gegen jene, die die nationale Sicherheit bedrohen“, erklärte er am 12. Februar. Er versicherte auch, dass Graphite nie zur Überwachung von Journalisten oder Regierungskritikern eingesetzt worden sei.
Gleichzeitig kündigte er rechtliche Schritte gegen diejenigen an, die der Regierung vorwerfen, Journalisten ausspioniert zu haben. Unterstaatssekretär Alfredo Mantovano betonte, dass ein möglicher Missbrauch nicht Paragon angelastet werden könne, da das Unternehmen lediglich die Software zur Verfügung stelle. Die Angelegenheit sei Sache der Justiz. Drei Tage später berichtete die Nachrichtenagentur Ansa jedoch, dass Italien den Vertrag mit Paragon vorläufig ausgesetzt habe. Die Regierung warte die Untersuchungen des parlamentarischen Ausschusses zur Überwachung der Geheimdienste (COPASIR) und der nationalen Behörde für Cybersicherheit ab.
Der Europaabgeordnete Ruotolo kritisierte die widersprüchlichen Reaktionen der Regierung scharf: „Am Mittwoch sagte die Regierung das eine, am Freitag dann das Gegenteil. Erst bestritten sie eine Suspendierung, dann setzten sie die Spionagesoftware doch aus.“ Er forderte eine rasche Aufklärung der Affäre.