Energiekrise: Ex-Ministerin Kneissl warnt vor „sehr gefährlichen Situation“

Wegen Morddrohungen und einem „de facto Berufsverbot“ hat Karin Kneissl Österreich verlassen. Der Politik wirft sie vor, aus der letzten Energiekrise nichts gelernt zu haben.
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Energiekrise: Ex-Ministerin Kneissl warnt vor „sehr gefährlichen Situation“

Bild: Ex-Außenministerin Karin Kneissl / Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres [CC BY 2.0], via Wikimedia Commons (Bild zugeschnitten)

Wegen Morddrohungen und einem „de facto Berufsverbot“ hat Karin Kneissl Österreich verlassen. Der Politik wirft sie vor, aus der letzten Energiekrise nichts gelernt zu haben.

Kartin Kneissl ist ausgewiesene Energieexpertin mit Schwerpunkt auf Öl und Gas und hat in diesem Bereich 14 Bücher und unzählige Artikel verfasst. Sie hat internationales Recht, Geopolitik und Energiewirtschaft seit 1995 an mehreren Universitäten unterrichtet. Von 2017 bis 2019 war sie parteilose Außenministerin auf FPÖ-Ticket in der türkis-blauen Regierung. Kürzlich gab sie RT Deutsch und der Asian Times ausführliche Interviews.

Aufgrund ihres pragmatischen Verhältnisses zu Russland wurde sie in Österreich schon lange vor dem Ukraine-Krieg zur Zielscheibe, erklärte sie. Wegen Anpöbelungen auf der Straße und fehlenden Aufträgen habe sie bereits im Herbst 2020 beschlossen, Wien zu verlassen. Ihre kurz zuvor erschienenen Bücher „Diplomatie, Macht, Geschichte“ und „Die Mobilitätswende“ seien „regelrecht boykottiert“ worden, sagte Kneissl gegenüber RT Deutsch. „Sie wurden in den Medien nicht rezensiert und auch nicht von Bibliotheken aufgenommen.“ Hinzu kamen mediale Verleumdungen und die Weigerung ihrer bisherigen Medienanwälte, sie weiterhin zu vertreten. Laut eigener Aussage habe sie „zig“ Morddrohungen erhalten. Beispielweise sei in ihrem Briefkasten die Botschaft „Die Russensau muss hängen“ gelandet.

Nachdem sie auch in Frankreich nicht Fuß fassen konnte, ist sie nun in den Libanon ausgewandert. Dort erhofft sie sich unter anderem mehr Redefreiheit. Ihrer Einschätzung nach greife in Europa ein „Schwarz-Weiß-Schema“ um sich.

„Europa wird irrelevanter“

Gegenüber der Asian Times gab sie einen düsteren Ausblick für ihren Heimatkontinent: „Nun, Europa wird immer irrelevanter. Demografisch gesehen und leider auch politisch irrelevant. Und derzeit schreibe ich ein Buch mit dem Arbeitstitel ‚Ein Requiem für Europa‘, denn das Europa, in dem ich aufgewachsen bin und dem ich mich verschrieben habe, gibt es nicht mehr.“ Die Energiekrise sei hausgemacht. Es gebe keine wirkliche Energiestrategie und die Politik sei zu einer Show verkommen. „Wir leben in einer Welt, in der die eigentliche Politik durch Kommunikation ersetzt wurde“, betonte die ehemalige Außenministerin.

Der Politik wirft sie vor, aus der vergangenen Energiekrise in den 2000er-Jahren nichts gelernt zu haben. Die Politik habe sich „mit dem Gesamtbild“ nicht auseinandergesetzt. „Viele Entscheidungsträger“ hätten nicht verstanden, dass man bei Öl und Gas in „viel längeren Zeiträumen kalkulieren“ müsse. Es sei allgemein bekannt gewesen, dass Rohstoffe aus der Russischen Föderation nicht einfach ersetzt werden können. „Das dauert eine Weile. Im Falle von Gas dauert es etwa drei bis fünf Jahre“, so Kneissl.

Ihrer Ansicht nach wäre Libyen als „idealer Gaslieferant“ eine Alternative gewesen. Doch dann seien 2011 die militärische Intervention unter französischer Führung und der darauffolgende Regimewechsel gekommen.

Gefährliche Energiekrise

Ihrer Einschätzung nach orientiere sich Russland schon seit langem nach Asien. Moskau und Peking befänden sich derzeit in der Endphase des Baus der ersten Pipeline, die Gas von Sibirien nach Schanghai leiten könne. „Es sieht nicht so aus, als ob Moskau in nächster Zeit isoliert sein wird, wenn es darum geht, neue Märkte für seine Energie zu finden“, so Kneissl. Sie habe den Eindruck, dass Europa Russland mehrbrauche als umgekehrt: „Wenn ich richtig liege, ist es dann wirklich im Interesse des alten Kontinents, Moskau als Feind zu behandeln und es weiter in die Arme Pekings zu treiben?“

Bereits als Außenministerin habe sie das Fehlen eines „echten geopolitischen Denkens“ bei ihrem Kollegen irritiert. „Und selbst wenn sie nicht in der Lage sind, geopolitisch zu denken, dann sollten sie zumindest jemanden in ihrem Stab haben, der dieses Verständnis hat“, meint Kneissl. Aber das sei nicht der Fall und deshalb ein naives Verhalten. „Und jetzt wird es zu einer sehr gefährlichen Situation, weil wir die Realität völlig außer Acht lassen, die geografische Realität, die Realität der Rohstoffe, das Grundkonzept der Diplomatie“, betonte sie.

Kneissl sieht eine gefährliche Mischung aus Ignoranz und Arroganz seitens der Europäer: „Wir glauben, die Welt könne nicht ohne uns, was schlicht nicht stimmt.“

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