Auftakt im Identitären-Prozess: „Der Vorwurf der Hetze ist völlig daneben“

Der Identitären Bewegung wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Die Verteidigung kritisiert, dass es bei der Anklage darum gehe, die Identitären „mundtot“ zu machen und finanziell zu „ruinieren“.
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Auftakt im Identitären-Prozess: „Der Vorwurf der Hetze ist völlig daneben“

Bild: Facebook Identitäre Bewegung Österreich / Logo „Der Prozess: Die Tagesstimmte / Collage: Die Tagesstimme

Der Identitären Bewegung wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Die Verteidigung kritisiert, dass es bei der Anklage darum gehe, die Identitären „mundtot“ zu machen und finanziell zu „ruinieren“.

Am Mittwochvormittag startete am Grazer Landesgericht für Strafsachen der Prozess gegen 17 Aktivisten und Sympathisanten der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ). In seinem mehr als einstündigen Eröffnungsplädoyer warf der Staatsanwalt den Identitären die „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ nach  § 278 StGB vor; weiters Verhetzung, Sachbeschädigung sowie Nötigung in einem Fall.

Aufstachelung zum Hass

Nach Überzeugung der Anklage würde die IBÖ mit ihren Aktionen „zum Hass gegen bestimmte Gruppen aufstacheln“ und bewusst Migranten und Muslime in der öffentlichen Meinung herabsetzen. Zudem verwies die Staatsanwaltschaft darauf, dass die Identitären „gut organisiert“ seien und eine strenge „hierarchische“ Führungsstruktur besitzen würde, die sich in Bundes-, Landes- und Bezirkungsleitung untergliedere.

Neben ihrem Aktivismus hätte die IBÖ auch Merchandise betrieben. Mit dem Jahr 2015 habe sich die Identitäre Bewegung schließlich radikalisiert.

„Es wird schon viel zu lange weggeschaut“

Im Mittelpunkt der Anklage stehen vor allem die Aktionen am Dach der Grünen-Parteizentrale in Graz, am Dach der türkischen Botschaft in Wien und an der Universität Klagenfurt. Im Jahr 2016 hatten identitäre Aktivisten in Graz ein Transparent mit der Aufschrift „Islamisierung tötet“ am Dach der Grünen ausgebreitet und es mit roter Farbe überschüttet. Auf der türkischen Botschaft entrollten die Identitären später ein Banner, auf dem „Erdogan, hol deine Türken ham“ zu lesen war. An der Uni Klagenfurt habe man eine Lehrveranstaltung mit Transparent und Megafon gestört. Mehrere Personen waren dabei als Burkaträgerinnen verkleidet.

Ein weiterer Fall, der das Gericht in diesem Verfahren beschäftigt, spielte sich in der Oststeiermark ab. Dort sollen an einem Lokal zweier türkischstämmiger Familien Sticker der Identitären geklebt worden sein.

„Es wird schon viel zu lange weggeschaut von solcher Hetze“, kritisierte der Ankläger in seinem Plädoyer.

„Der Vorwurf der Hetze ist völlig daneben“

Der Verteidiger der Identitären wies im Anschluss die Vorwürfe der Anklage zurück und betonte das „hohe Gut der Meinungsfreiheit“. Die Formulierung „Islamisierung tötet“ am Transparent sei eine Chiffre wie jegliche Art von Protest. Beispielsweise habe selbst der Papst „Wirtschaft tötet“ geschrieben, betonte der Anwalt. Es sei falsch, dass die IBÖ mit ihrer Formulierung behaupte, dass jeder Muslim ein Mörder sei.

Und auch zur Aktion am Dach der türkischen Botschaft führte der Verteidiger aus, dass der Spruch „Erdogan, hol deine Türken ham“ sich nicht gegen alle Türken, sondern gegen den türkischen Premier Recep Tayip Erdoğan richte. Eine ähnliche Kritik hätten auch Politiker wie Bundeskanzler Sebastian Kurz oder Efgani Dönmez geäußert. „Der Vorwurf der Hetze ist völlig daneben“, kritisierte die Verteidigung.

Die verkleideten Burkaträgerinnen bei der Aktion an der Uni Klagenfurt wiederum seien laut Angaben des Anwalts als Symbol für den politischen Islam anzusehen.

IBÖ „mundtot machen“

Auch für den Anklagepunkt der Sachbeschädigung zeigte der Verteidiger Unverständnis. Auf den Hinweis des Staatsanwalts, dass Lack und Sprühkreide bei Identitären gefunden worden war, entgegnete der Anwalt: „Da müssten Sie auch kleine Mädchen, die mit den Kreidemarkierungen Himmel und Hölle gespielt haben, beschuldigen, eine kriminelle Vereinigung zu sein.“

Nach Ansicht der Verteidigung gehe es darum, die IBÖ „mundtot“ zu machen und finanziell zu „ruinieren“.

Befragung von Martin Sellner

Als erster Angeklagter wurde schließlich der Mitbegründer und Co-Leiter der IBÖ, Martin Sellner, vom Richter befragt. In der Befragung erklärte Sellner, wie es zur Gründung der Identitären Bewegung kam und welche Ziele sie verfolgten. Dabei betonte der Co-Leiter, dass die IBÖ immer „gewaltfrei gehandelt“ habe. Es gehe den Identitären darum,  eine „ehrliche und angstfreie Debatte“ zu ermöglichen und Patriotismus in die Gesellschaft zu tragen. Als Vorbild für ihren Aktivismus nannte Sellner die Umweltschutzorganisation Greenpeace.

Thema war auch Sellners politische Vergangenheit und sein Kontakt zum Personenkreis rund um Gottfried Küssel. Der IB-Co-Leiter bestätigte zwar, dass er in seiner Jugend in diesen Kreisen verkehrte, betonte aber, dass er sich davon gelöst habe.

Nach Angaben Sellners habe die IBÖ derzeit rund 300 Aktivisten, die an Aktionen oder Veranstaltungen teilnehmen. Dazu würden mehrere hundert finanzielle Unterstützer hinzukommen.

Die weiteren Verhandlungstage sind: 6. Juli, 9.–12. Juli, 16.–20. Juli, 23.–27. Juli sowie 30.–31. Juli, jeweils von 9 bis 15 Uhr.


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