Bandenkriminalität: Deutsche Polizei fürchtet „österreichische Zustände“
Für Aufregung in Deutschland sorgt derzeit ein Artikel, in dem der Osteuropa-Experte Markus Wehner den Anstieg der organisierten Kriminalität in Deutschland thematisiert. Besonders stark vertreten seien dabei Personen aus der russischen Teilrepublik Tschetschenien.
Wie der Korrespondent der FAZ schreibt, kämpft die deutsche Polizei seit geraumer Zeit mit der wachsenden Bandenkriminalität straffälliger Tschetschenen. In den vergangenen Jahren wuchs die Gemeinschaft der Einwanderer aus der nordkaukasischen Republik auf etwa 50.000 Menschen an. Bei ihrem Asylgesuch geben sie häufig eine angebliche Verfolgung durch den autoritär regierenden Präsidenten Ramsan Kadyrow an.
Ein führender Vertreter der tschetschenischen Diaspora gab einst sogar in einem Fernseh-Interview zu, dass diese Behauptung oftmals ein Vorwand sei, um Personen aus dem Kaukasus gezielt einzuschleusen. Obwohl die Anerkennungsquote bei vier bis sieben Prozent liegt, werden viele nicht in die Heimat abgeschoben – Rückführungen in die Russische Föderation sind eine Seltenheit.
Berlin: Rauschgifthandel in tschetschenischer Hand
Michael Nagel, im Bundeskriminalamt für die Auswertung des Bereichs schwere organisierte Kriminalität zuständig, ortet dabei eine Veränderung im Vorgehen krimineller Migranten aus Tschetschenien:
„Früher fielen Kriminelle aus Tschetschenien vor allem dadurch auf, dass sie für andere Gruppierungen tätig waren. Heute wollen sie nicht mehr nur Dienstleister sein, sondern dringen aggressiv auf kriminelle Geschäftsfelder vor.“
Dabei würden gemäß FAZ-Korrespondent Markus Wehner die Gruppierungen besonders in Berlin den Rauschgifthandel dominieren, sie hätten dort „ganze Verteilerringe übernommen“. Außerdem fielen sie bei schweren Eigentumsdelikten auf. Die Banden würden „konsequent auf Gewalteskalation setzen“. Dabei käme es auch zur Zusammenarbeit mit arabischen und türkischen Clans.
Hohes Gewaltpotenzial
Beispielhaft für diese Entwicklung erwähnt der FAZ-Artikel dabei einen Angriff auf einer Bar im Berliner Bezirk Wedding im Mai 2017 an. Damals griffen ein Verband von mutmaßlich in der Gruppe „Guerrilla Nation Vaynach“ organisierten tschetschenischen Rockern das Lokal „Classic“ mit Sturmgewehren und Maschinenpistolen an. Dabei gaben sie 37 Schüsse ab, Hintergrund der Aktion waren Querelen in der Dealerszene.
Ein anderes Mal eskalierte ein Streit zwischen einem tschetschenischen Jungen und einem syrischen Mädchen in einem Asylheim in Hamburg-Fischbek. Nur schwer konnte die Polizei eine daraus entstehende Massenschlägerei unter Beteiligung von drei Dutzend mit Schlagwerkzeugen bewaffneten schlichten. Viele Tschetschenen hätte darüber hinaus Kampferfahrung aus den Bürgerkriegen im Kaukasus und Kenntnisse in diversen Kampfsportarten. Vielorts sei auch die Türsteherszene fest in tschetschenischer Hand und beschädige dort den Ruf der Sicherheitsbranche.
Häufig Verbindungen zum politischen Islam
Die Arbeit der Polizei sei in diesem Umfeld nur sehr erschwert möglich. Selten gäbe es Kronzeugen, das Einschleusen verdeckter Ermittler sei beinahe unmöglich. Brisant: Tschetschenen machen auch einen hohen Anteil der islamistischen Gefährder in Berlin und Brandenburg aus, einige kämpften in Syrien und im Irak für ISIS. Viele davon hätten in der Fussilet-Moschee in Berlin-Moabit das Gebet besucht. Dort verkehrte auch Anis Amri, der Attentäter des Anschlags auf einen Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz. Der Wechsel zwischen organisierter Kriminalität und politischem Islam sei dabei fliegend.
Wiener Erfahrungen sollen bei Bekämpfung helfen
Bemerkenswert ist, dass die deutsche Polizei die Situation in Wien als mahnendes Beispiel sieht. Dort kam es vor etwa zehn Jahren zu einem rasanten Anstieg von tschetschenischen Jugendbanden. Auch dort stiegen Tschetschenen in den organisierten Rauschgifthandel ein, die Zustände waren nur schwer in den Griff zu bekommen. Die deutschen Behörden wollen nun aus den Erfahrungswerten der Bekämpfung der organisierten Kriminalität in Österreich lernen. Man wolle deshalb frühzeitig intervenieren, damit sich kriminelle Vereinigungen nicht „dauerhaft in Deutschland etablieren“ könnten. Das Gefahrenpotential der Tätergruppen aus dem Nordkaukasus sei nicht zu unterschätzen.