Der Verfassungsschutz als politisches Werkzeug in Vollendung
Eigentlich wäre es die Aufgabe eines sogenannten deutschen Verfassungsschutzes, das Grundgesetz gegen seine tatsächlichen Feinde zu schützen. Stattdessen missbraucht man das ganze Konstrukt, um die Opposition schrittweise zu kriminalisieren.
Kommentar von Julian Schernthaner
„Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen!“ – Das waren die berühmten Worte eines großen Deutschen, die sich vor wenigen Tagen zum 499. Mal jährten. Worte eines Mannes, dessen Thesen für die damalige Zeit radikal erschienen. Aber auch Worte eines Mannes, dessen Ansichten ihm kurze Zeit später im Wormser Edikt die Reichsacht und das Verbot seiner Schriften einbrachten.
Ordnungsliebe und Freiheitsliebe als deutsche Tugenden
Auch wenn ich kein Nachfolger Luthers im Glauben bin – in meiner Familie ist einzig meine Großmutter evangelisch, der Rest ist katholisch, ich bin Heide – so sind es Worte von großer Symbolkraft, die nachwirken. Denn die ganze deutsche Geschichte ist eigentlich voll von mutigen Menschen, welche die Chuzpe hatten, unangenehme Wahrheiten auszusprechen oder neue Wege zu bestreiten. Manche landeten am Scheiterhaufen, andere mussten um ihr Leben würfeln, viele wurden verfolgt.
Und so liegt es vielleicht in der Natur der Sache, wenn der infolge seiner Ordnungsliebe zur Hörigkeit neigende Deutsche auf den genauso alten Freiheitsliebenden in seinem Herzen trifft. Richtungsstreite, öffentliche Fehden, bis hin zu Kleinkriegen und Aufständen – sie gehören zur Geschichte. Und in der Vermischung dieser lodernden Feuer ist es kein Wunder, wenn die Vehemenz, Andersdenkende zu bekriegen, nirgendwo größer ist als im Land der Dichter, Denker und Feldherren.
Verfassungsschutz als verlängerter Arm der Mächtigen
Einen neuen Feldherren, weil der alte nicht botmäßig genug war, leistete man sich vor anderthalb Jahren beim Verfassungsschutz. Seit dem Antritt des angeblich aus der „konservativen“ CDU stammenden Haldenwang, vergeht kein Monat ohne Finte gegen patriotische Gruppen, die ihre Ansichten friedlich äußern. Im Zweifelsfall werden sogar Aktionen, welche sich für das Grundgesetz einsetzen, als verfassungsfeindlich ausgelegt. Denn das Ziel war niemals die Objektivität.
Das Ziel war – nicht unähnlich der ebenso überzogenen Maßnahmen gegen die Studentenproteste 1968 – nämlich immer die Bewahrung der Hegemonie mittels eines Verfassungsschutzes als verlängertem Arm. Nicht umsonst ärgern sich Akteure, die das Overton-Fenster in die eine oder andere Richtung zerren wollen, schon seit Jahren über die politische Ausrichtung der Behörde. Nur: Fiel das früher noch fast paritätisch in alle Richtungen aus, ist das BfV heute hauptsächlicher Erfüllungsgehilfe im ominösen „Kampf gegen rechts“.
Beobachtungen auf politische Bestellung
Da passt gut ins Bild, dass man aus diesem Umstand gar keinen Hehl mehr macht. Ein hochrangiger SPD-Politiker jubilierte bei der Teilbeobachtung der einzigen wirklichen Oppositionspartei darüber, dass dafür der „unselige Maaßen“ – der alte Tugenden noch einigermaßen hoch hielt – gehen musste. Auf die Spitze trieb das Tätigwerden auf Bestellung kürzlich aber das angebliche Wechselspiel zwischen dem SPD-Mandatar Helge Lindh und Haldenwang.
Ja, sie erinnern sich richtig. Lindh ist derselbe rote Politiker, dem die linksextreme Antifa in der Vorwoche die Bürofront zerdepperte. Zwei Tage später versprach ihm dann der Verfassungsschutz-Chef hingegen offenbar eine härtere Gangart gegen die rechte Seite. Und gestern stellte sich heraus: Neuerdings ist das rechtsintellektuelle Institut für Staatspolitik (IfS) plötzlich ein Verdachtsfall der zum Gespött verkommenen Behörde. Wie bestellt, so geliefert?
Versprochen, gehalten. Vor 5 Tagen versprach #Haldenwang in meinem Büro weitere Konsequenz gegen #Rechtsextremismus. Seit heute ist die #Hetzfabrik „Institut für Staatspolitik“ von #Kubitschek Verdachtsfall. Es steht fest: Wir haben endlich wieder einen #Verfassungsschutz.
— Helge Lindh (@helgelindh) April 23, 2020
Salamitaktik, Katapulte und sonderbare Begründungen
Entlarvend ist dabei aber weniger der Umstand, dass die Beobachtung kam. Denn ein verlängerter Arm wird sein Schwert in bewährter Salamitaktik so führen, dass die Opposition scheibchenweise attackiert wird. Waren es zuerst die Identitären und die Junge Alternative, folgte daraufhin der Flügel. Jetzt ist das Schnellroda-Umfeld dran und jedes Mal sind angebliche Ähnlichkeiten und Verbindungen zu bereits auf diese Weise zum Leibhaftigen erklärten Gruppen das Katapult für die nächste Beobachtung.
Ebenso wenig brauchen wir uns vormachen, dass das eigentliche Ziel eine Beobachtung der Gesamt-AfD ist – wobei eine Zersplitterung des in den vergangenen Jahren immer zahlreicheren patriotischen Lagers den Mächtigen als positiver Kollateralschaden gilt. Aber wirklich himmelschreiend ist die Begründung: Das IfS versuche, „in den politischen Raum einzuwirken und seine ideologischen Ziele auf diese Weise durchzusetzen”. Dies trage „zur gesamtgesellschaftlichen Spaltung bei und begünstigt Radikalisierungstendenzen“.
Schummler spielen Trumpfkarte – Ruhe bewahren!
Lassen Sie das einmal sacken und lesen Sie es vielleicht noch zwei- oder dreimal. Das ist nicht nur starker Tobak, sondern eigentlich verdient so viel Ehrlichkeit eigentlich fast einen Orden. Die Inhaber der politisch-diskursiven Hoheit sind derart siegessicher, dass sie gar keine Scham mehr haben, der Rechtsstaatlichkeit und Lauterkeit zugunsten des Machterhalts den Mittelfinger zu zeigen. Endlich geben die Handelnden zu, dass sie nach keinen Spielregeln agieren, sondern mit offenen Karten schummeln.
Wie sollten Betroffene nun handeln? Simpel: Ruhe bewahren, sich nicht gegeneinander ausspielen lassen und auf keinen Fall glauben, dass man es den Handelnden recht macht, wenn man plötzlich von Standpunkten abrückt, die jahrelang unproblematisch waren – und es objektiv gesehen noch sind. Zumal, wie IfS-Leiter Lehnert im Tagesstimme-Interview richtig feststellte: „Das Schwert „Verfassungsschutz” wird immer stumpfer, weil sich mittlerweile herumgesprochen hat, dass es nicht zur Verteidigung des Grundgesetzes geführt wird, sondern um politische Konkurrenz auszuschalten.“
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