Entlarvendes zweierlei Maß: Guter Aktivismus, böser Aktivismus

Nur, weil jemand etwas macht, das auch ein Anderer macht, ist es noch lange nicht dasselbe. In Zeiten wie diesen macht es nämlich vor allem einen Unterschied: Ob eine Protestaktion vonseiten einer Gruppe „konformistischer Rebellen“ produziert wird oder von wirklichen Oppositionellen. Einen klaren Geschmack dieser Weisheit konnte man diese Woche abbekommen.
Julian Schernthaner
Kommentar von
25.9.2021
/
5 Minuten Lesezeit
Entlarvendes zweierlei Maß: Guter Aktivismus, böser Aktivismus

Fotos: (C) Dennis Todorov / Greenpeace (red. Nutzung) // (C) Widerstand in Bewegung // Komposition: Tagesstimme

Nur, weil jemand etwas macht, das auch ein Anderer macht, ist es noch lange nicht dasselbe. In Zeiten wie diesen macht es nämlich vor allem einen Unterschied: Ob eine Protestaktion vonseiten einer Gruppe „konformistischer Rebellen“ produziert wird oder von wirklichen Oppositionellen. Einen klaren Geschmack dieser Weisheit konnte man diese Woche abbekommen.

Zwei Aktivistengruppen vollziehen am selben Tag eine aufsehenerregende Aktion. Die eine fiel in der Vergangenheit etwa dadurch auf, einen ganzen Kreisverkehr mit Farbe zuzuschütten. Diesmal besetzte sie einen ganzen Tag lang das Rathaus der Bundeshauptstadt. Zahlreiche Claquere in den Medien feiern sie als „Aktivisten“ und „Umweltschützer“, die Politik bekundet ihr Verständnis für die Aktion. Die andere protestiert gegen den Bau eines Migranten-Denkmals, wirft ein paar Flugblättern in ein Pastoralamt, zieht dann wieder von dannen. Das mediale Echo? Sogenannte „Rechtsextreme“ hätten eine kirchliche Einrichtung „gestürmt“ und „angegriffen“ und dabei „randaliert“.

Teufel an die Wand des Pastoralamts gemalt

Diese Einordnung kommt nicht etwa vonseiten unterschiedlicher Denkrichtungen, sondern aus ein und derselben Redaktion. Und das ist nicht einmal ein linksliberales Bobo-Blatt, sondern eines, das sich für einen „konservativen“ Boulevard hält und eigentlich (abseits des notorischen ÖVP-Spins) handwerklich oft gute Aufdecker-Arbeit leistet. Man könnte meinen, in Linz wäre ein mittlerer Anschlag passiert. Schuld sind die bösen Identitären, die schon ein Gottbeiuns sind, wenn sie nur atmen Die Rede ist von „Empörung und Entsetzen“, weil „ein Dutzend vermummter Männer“ dort eine Aktion lanciert hätten.

Wohlgemerkt in Corona-Zeiten, wo eine Verhüllung des Gesichts doch nach Maßgabe der Empörten zum guten Ton gehören sollte. Völlig ohne jede kritische Einordnung bringt man die Darstellung des Bischofs. Dieser ist der Ansicht, dass die Flugzettel-Aktion „nicht mehr als freie Meinungsäußerung zu betrachten“ sei. Er bekennt sich „nachdrücklich“ zur Errichtung eines Mahnmals, das aus den Geldern der Beitragszahler zum Gedenken an „jene, die auf der Flucht umgekommen sind“ erstehen soll.

Greenpeace-Dauerbesetzung ohne kritische Einordnung

Mit keinem Wort wird erwähnt, worum es bei der Aktion eigentlich ging. Ein Aktionsblog gibt Aufschluss: Die Errichtung des Gedenkorts sei „angesichts der importierten Migrantengewalt als einer der Hauptfolgen der Migrationskrise des Jahres 2015 blanker Hohn.“ Es symbolisiere „die Ignoranz und Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern dieser Gewalt“ und könne daher „nur als Schandmal bezeichnet werden“. Die Aktivisten verweisen auf den Fall Leonie und fordern stattdessen ein Denkmal für die Opfer importierter Gewalt. Sollte deren Verhinderung nicht eigentlich angeblich Regierungslinie sein?

Den Forderungen der Greenpeace-Aktivisten verschaffte man hingegen viel Raum. Man bringe den Protest „ins Zentrum der Macht“ und setze „ein klares Zeichen“, dass die Lobau bleibe. Es geht um den Bau des Lobau-Tunnels in Wien. Dieser soll eigentlich dafür sorgen, dass ein Naturschutzgebiet schonend untertunnelt wird, um dieses vor der Schnellstraße zu bewahren. Fast alle Parteien im Wiener Landtag sehen Vorteile, sogar ein von der grünen Ex-Vizestadtchefin beauftragtes Gutachten bestätigte die Alternativlosigkeit. Die NGO tut nun so, als ging es um die Zerstörung der wichtigen Au. Kritische Einordnung fehlt ebenso wie die obligate Behauptung der „Vermummung“ mittels ihrer Masken.

„Konservative“ ÖVP errichtet absurde Brandmauer…

Man ist also in Österreich dabei angelangt, dass vermeintliche „Konservative“ den linken Aktivismus als lohnenswertes Beiwerk sehen – und den rechten Aktivismus als Werk des Teufels. Und genau auf diese Art erzählt auch die Volkspartei die Geschichte. Die Kanzler-Partei, die sich gerne als Hardliner bei der Migration gibt (aber trotzdem für Grenzen sorgt, die löchrig wie Schweizer Käse sind) ließ die Symbole der völlig legalen rechten Aktivistengruppe nämlich verbieten. Diese finden sich nun auf der Liste, auf der auch jene des Islamischen Staats finden.

Dort finden sie sich, obwohl eine FREILICH-Studie einst nachwies, dass die Identitären und die ÖVP in allen (!) Themenkomplexen, wo sie sich schneiden, faktisch dieselbe Rhetorik, dieselben Inhalten und dieselben Forderungen haben. Aber Kurz will die Migrationskritik monopolisieren – und da kann er keine anderen Akteure brauchen. Nicht die Freiheitlichen und schon gar nicht die Identitären, denen jede Parteiräson egal sein kann. Bestenfalls unterstellt man diesen beiden noch ein Näheverhältnis – das dann entweder auf (auch von der ÖVP vertretenen) inhaltlichen Schnittmengen aufbaut oder dem Umstand, dass die FPÖ das Spiel durchschaut und auf Rechtsstaatlichkeit statt Beliebigkeit pocht.

…und hilft beim Verschieben des Diskurses

Die Kurz-Partei glaubt in dieser Sache, ihre eigenen Schafe ins Trockene zu bringen – und macht doch die Arbeit der Linken. Sie kommt nicht einen Moment auf die Idee, dass diese Linken auch die ÖVP am Liebsten als eine Art „Wegbereiterin des Faschismus“ sähe. Denn das antifaschistische Narrativ braucht seine Faschisten und notfalls erschafft man sich diese selbst. Im ewigen Glauben an das Hufeisen finden Scheinkonservative in ÖVP, CDU & Co. das dann auch noch gut. Sie geben vor, „jeden Extremismus“ zu bekämpfen. In der Realität sind sie dann aber nur im ominösen „Kampf gegen rechts“ wirklich präsent.

Dort ist dann jeder ein „Extremist“, der nicht in den Kram passt. Entscheiden dürfen das im Ernstfall von Kommunisten mitgegründete Privatvereine, denen man bald Einblick in geheime Akten des Innen- und Justizministeriums gewährt. Gegen Islamisten gibt es Schein-Aktionen. Man kauft dem politischen Islam jede Beschwichtigung ab, entkernt eine ohnehin unvollständige Islam-Karte auf Zuruf und hält jahrelang die schützende Hand über ein ominöses Saudi-Zentrum in Wien. Die im Gegensatz zu den programmatisch gewaltfreien Identitären tatsächlich extremistische Antifa ist ihnen egal. Maßnahmen gegen Linksextremismus kommen im türkis-grünen Regierungsprogramm mit keinem Wort vor.

Türkiser Anspruch auf Alleindeutung

Letztendlich geht es der ÖVP und ihrem publizistischen Vorfeld aber auch gar nicht darum, irgendeinen „Extremismus“ zu bekämpfen, sondern sich gegen jeglichen Widerspruch zu wehren. Dies zeigt auch ein aktuelles Posting der ÖVP in Oberösterreich. Man schießt dort FPÖ-Chef Kickl frontal an, unterstellt ihm, dessen Stil kennzeichne sich durch „Hetzen und Spalten“, durch „Verschwörungswahn“ und durch „rechtsextreme Identitäre“. Den eigenen Landeshauptmann Thomas Stelzer, der sich als erster Politiker im Vorjahr mehrfach für eine Impfpflicht aussprach hält man hingegen, für jemanden, der die Menschen „zusammenführt“.

Kein Problem hat die ÖVP mit „Hetzen und Spalten“, wenn ihre Parteigranden einen „Sturm“ auf ihr Parteigebäude, das Parlament oder einen Versicherungsturm erfinden. Gegen Kritiker hält sie „die Flex“ bereit. Sie kritisiert keine Berater in ihrem Umfeld, wenn diese haltlose Gerüchte über Mitbewerber in die Welt setzen und rudert auch von ihren Corona-Panikankündigungen nicht zurück, wenn diese sich nicht bewahrheiten. Es soll einfach niemand die türkise „Message Control“ anzweifeln – und jeder, der dabei reinpfuscht, soll auf die ein oder andere Weise aus der öffentlichen Geltung verschwinden. Koste es, was es wolle.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
Über den Autor
Julian Schernthaner

Julian Schernthaner

Der studierte Sprachwissenschafter wurde 1988 in Innsbruck geboren und lebte sieben Jahre in Großbritannien. Vor kurzem verlegte er seinen Lebensmittelpunkt ins malerische Innviertel, dessen Hügel, Wiesen und Wälder er gerne bewandert.

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