Experte warnt: „Dutzende Dschihadisten könnten über Ukraine ins Land gelangt sein“

Peter Neumann warnt davor, dass dschihadistische Kämpfer aus Zentralasien als Flüchtlinge über die Ukraine nach Deutschland gelangt sein könnten und damit eine neue Bedrohung darstellen. Ein Blick auf frühere Anschläge zeigt, dass die Täter meist auf anderen Wegen nach Deutschland gekommen sind.

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Experte warnt: „Dutzende Dschihadisten könnten über Ukraine ins Land gelangt sein“

Neumann warnt, dass der IS diese neuen Netzwerke nutzt, um größere Anschläge in Europa zu planen.

© IMAGO / ZUMA Press Wire

In einem Interview mit Zeit Online schildert der Terrorismusexperte Peter Neumann eine alarmierende Entwicklung in Europa. Neumann hebt hervor, dass Deutschland mittlerweile eine wichtige Basis für den „Islamischen Staat" (IS) darstellt und warnt vor einer neuen Welle des dschihadistischen Terrorismus. Dabei verweist er auf eine Reihe gescheiterter und erfolgreicher Anschläge, die sich in den letzten Monaten in Europa ereigneten. „Nach einigen Jahren der relativen Ruhe gab es in den vergangenen zehn Monaten 23 versuchte Anschläge und sieben durchgeführte“, erklärt Neumann. Er führt dies auf die Terroroffensive der Hamas und den Gazakrieg nach dem 7. Oktober 2023 zurück.

Über Ukraine nach Deutschland

Besondere Sorge bereitet Neumann die Präsenz von dschihadistischen Kämpfern aus Zentralasien, die als Flüchtlinge aus der Ukraine nach Deutschland gekommen seien. Der Ukrainekrieg habe, neben dem chaotischen Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan 2021, eine geopolitische Wende eingeleitet. „Infolge der russischen Invasion kamen 1,2 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland, ohne dass genau geprüft wurde, um wen es sich im Einzelnen handelte“, betont Neumann. Dabei seien vermutlich auch „einige Dutzend zentralasiatische Dschihadisten“ ins Land gelangt, die Verbindungen zum IS haben.

Neumann warnt, dass der IS diese neuen Netzwerke nutzt, um größere Anschläge in Europa zu planen. So habe es Pläne gegeben, unter anderem das Nato-Hauptquartier in Brüssel oder den Kölner Dom anzugreifen. Besonders in Nordrhein-Westfalen hätten sich dschihadistische Gefährder angesiedelt, die unter dem Deckmantel der Flüchtlingswelle aus der Ukraine eingereist seien.

Radikalisierung in Sozialen Medien

Der Experte betont, dass der IS in den Sozialen Medien eine gezielte Radikalisierungskampagne fährt. Diese richtet sich häufig an junge Menschen und fordert sie zu Anschlägen auf – unabhängig von der Komplexität der Angriffsart. „Es sei egal, ob man die Ungläubigen erschieße, sie enthaupte, mit dem Auto überfahre oder ihnen ein Messer in den Leib ramme“, zitiert Neumann eine Propaganda-Botschaft des IS.

Angesichts der Herausforderungen fordert Neumann von den Sicherheitsbehörden eine intensivere Überwachung der virtuellen Räume, in denen Radikalisierung stattfindet, und warnt vor den Risiken unzureichender Migrationskontrollen. „Etwa 70 Prozent aller islamistischen Attentäter der vergangenen zehn Jahre in Deutschland waren Flüchtlinge oder Asylbewerber“, so Neumann. Er plädiert für schnellere und geregeltere Asylverfahren, um psychologische Anfälligkeiten und damit verbundene Gewaltbereitschaft zu minimieren.

Frühere Attentäter kamen nicht über Ukraine

Ein Blick auf die islamistisch motivierten Anschläge in Deutschland seit 2015 zeigt, dass die späteren Täter entweder in Deutschland geboren wurden oder zu einem großen Teil über die Balkanroute nach Deutschland gekommen sind. Die damals 15-jährige Safia S., die 2016 bei einer Personenkontrolle im Hauptbahnhof Hannover einen Bundespolizisten mit einem Messer lebensgefährlich verletzte, wurde 2000 in Hannover geboren und war bereits als Kind Teil der salafistischen Szene.

Der Attentäter von Würzburg, der 2016 in einem Regionalzug bei Würzburg mit einer Axt auf Fahrgäste losging und mehrere Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzte, reiste 2015 ohne Papiere über Ungarn und Österreich nach Deutschland ein. Im selben Jahr hatte sich ein anderer Attentäter in Ansbach in die Luft gesprengt und 15 Menschen verletzt. Er war 2013 illegal über die Türkei nach Bulgarien eingereist und hatte dort Asyl beantragt. Ein Jahr später reiste er von Bulgarien nach Österreich, wo er aufgegriffen wurde und zunächst Asyl beantragte, dann aber nach Deutschland weiterreiste.

Mehrere Stationen bis zur Ankunft in Deutschland

Auch das Attentat vom Breitscheidplatz ist vielen noch in Erinnerung. Der Attentäter Anis Amri, der bei seiner Tat elf Menschen tötete und mehr als 50 zum Teil schwer verletzte, kam mit dem Boot nach Lampedusa, hielt sich einige Jahre, auch in Haft, in Italien auf, reiste nach seiner Freilassung in die Schweiz und kam von dort 2015 nach Deutschland.

Der islamistische Attentäter, der 2017 in einem Supermarkt einen Mann tötete und mehrere Menschen schwer verletzte, reiste zunächst über die Türkei und Griechenland nach Norwegen. Dort beantragte er Asyl, das ihm jedoch verweigert wurde; später versuchte er es in Schweden und Spanien, wo er ebenfalls abgelehnt wurde. Nach einem weiteren erfolglosen Versuch in Norwegen reiste er 2015 nach Deutschland.

Anschläge in Dresden und Duisburg

Im Jahr 2020 ereignete sich in Dresden ein islamistischer Anschlag. Dort griff ein Mann zwei homosexuelle Touristen mit einem Messer an. Ein 55-jähriger Krefelder stirbt später im Krankenhaus. Sein 53-jähriger Begleiter aus Köln überlebt schwer verletzt. Der damals vorbestrafte 20-jährige Syrer galt als Gefährder und war 2015 aus der Türkei über das Mittelmeer, Griechenland und die Balkanroute nach Deutschland gekommen.

Rund zwei Jahre später, im April 2022, tötete der Syrer Maan D. in der Duisburger Altstadt einen Passanten mit zahlreichen Messerstichen, entkam zunächst und stach neun Tage später in einem Fitnessstudio wahllos auf mehrere Männer ein und verletzte sie zum Teil lebensgefährlich. Er verließ Syrien 2015 und gelangte über die Balkanroute und Österreich nach Deutschland.

Die jüngsten islamistischen Attentate

Einer der jüngsten islamistischen Anschläge war der in Mannheim im Mai 2024, bei dem der aus Afghanistan stammende Sulaiman A. mehrere Menschen verletzte und nach einem Handgemenge auf den Polizisten Rouven L. einstach. Dieser erlag zwei Tage später seinen schweren Verletzungen. Der Täter war nach Behördenangaben 2013 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen.

Bei dem jüngsten Anschlag in Solingen hatte Issa al Hasan auf einem Stadtfest drei Menschen getötet und acht weitere zum Teil lebensgefährlich verletzt. Er reiste im Dezember 2022 mit drei Begleitern illegal über die Balkanroute nach Deutschland ein und stellte einen Asylantrag.

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