Fuggerei: Älteste noch existierende Sozialsiedlung wird 500
Für eine Kaltmiete von 0,88 Euro im Jahr bekommen bedürftige katholische Augsburger einen Platz in der immer noch bestehenden Sozialsiedlung – der Fuggerei.
Augsburg. – Im August wird die älteste, heute noch existierende Sozialsiedlung der Welt 500 Jahre alt. Das besondere daran: Einige der festen Regeln gelten auch heute noch. So werden etwa heute wie damals ausschließlich bedürftige katholische Augsburger als Bewohner aufgenommen. Herkunft, Alter und Familienstand spielen dabei keine Rolle. Doch wohnen die Bewohner dort zur Gänze mietfrei? Nein. Sie zahlen eine Jahreskaltmiete in Höhe von 0,88 Euro – das entspricht dem damaligen Mietpreis von einem Rheinischen Gulden. Außerdem muss jeder Mieter die üblichen Nebenkosten von rund monatlich 85 Euro für Strom, Heizung, Wasser usw. übernehmen und täglich für Jakob Fugger und seine Familie drei Gebete sprechen: das Vaterunser, das Ave Maria und das Glaubensbekenntnis.
Infrastruktur immer wieder angepasst
„Dagegen sölle ain yedes Hawsvolckh alle Jar ain Gulden, zu Auffenthaltung der Gebew geben“ – ein Passus aus einem Stiftungsbrief aus dem Jahr 1521, der bis heute Gültigkeit hat. Gestiftet wurde die Siedlung, in der „würdige Arme“ ein Zuhause finden sollten, von Jakob Fugger, einem Augsburger Kaufmann, Bankier und Berbauunternehmer, der den Beinamen „der Reiche“ trug. In den damals 52 Häusern der Fuggerei wohnten meist ganze Familien. Viele Bewohner arbeiteten in ihren Wohnungen. Handwerker und Tagelöhner hatten dort ihre Werkstätten, man betrieb Handel oder ein kleines Gewerbe.
Die Infrakstruktur der Stadt in der Stadt hat sich immer wieder gewandelt und wurde an die Anforderungen der jeweiligen Zeit angepasst. Mitte des 17. Jahrhunderts etwa wurde für einige Zeit eine Schule eingerichtet, um Kinder nach katholischen Glaubenssätzen zu erziehen. Während des Zweiten Weltkriegs wurde ein Bunker gebaut, in dem während der Bombennacht vom 25. auf den 26. Februar 1944 insgesamt 200 Fuggereibewohner Rettung fanden und der heute als Bunkermuseum eine Ausstellung beherbergt. Die Fuggerei ist die meistbesuchte Sehenswürdigkeit der Stadt Augsburg. Deshalb finden sich dort mittlerweile auch ein Biergarten und ein Verkaufsshop für Touristen. Eine eigene Kirche hat die Fuggerei auch. Sie steht dort seit 1582 und liegt direkt gegenüber vom Haus des Administrators. Ihr Pfarrer, für den jeder Haushalt noch einmal 88 Cent im Jahr zu entrichten hat, wohnt gleich daneben.
Aus Augsburg, katholisch, bedürftig
Heute wohnen insgesamt 150 Menschen in den 67 Häusern. Für sie besteht die Möglichkeit, sich ehrenamtlich oder gegen ein geringes Entgelt in der Siedlung zu engagieren. Nachtwächter zum Beispiel sorgen dafür, dass Bewohner, die nach 22 Uhr nach Hause kommen oder noch ausgehen möchten, nicht vor dem dann geschlossenen Tor stehen. Für das Kommen und Gehen nach 22 Uhr muss der Nachtwächter 50 Cent kassieren, nach Mitternacht einen Euro. Dieses Geld dürfen sie dann auch gleich behalten.
Eine Wohnung in der Fuggerei zu bekommen ist allerdings gar nicht so einfach. Da leistbarer Wohnraum in Augsburg nicht in ausreichendem Maß vorhanden ist, erfreut sich das Erfolgsmodell der Fuggerei großer Beliebtheit. Jedoch müssen drei Grundvoraussetzungen erfüllt sein, um überhaupt erst an der Bedürftigkeitsprüfung, die von Sozialpädagogin Doris Herzog durchgeführt wird, teilnehmen zu dürfen. Man muss man seit mehreren Jahren in Augsburg wohnhaft, katholisch und bedürftig sein. Letzteres wird durch das Amt für Soziale Leistungen geprüft. Falls Herzog eine Empfehlung ausspricht, der intensive Gespräche mit den Bewerbern vorangeganen sind, folgt die Zeit des Wartens. Diese kann zwischen drei und fünf Jahre betragen. Danach bedürfe es noch der Zustimmung des Administrators der Fuggerei und der Vertreter der drei Familienlinien der Fugger. Erst dann kann eine Wohnung in der ältesten, heute noch existierenden Sozialsiedlung der Welt bezogen werden.
Mehr Infos gibt es hier: www.fugger.de