Fußball-WM in Katar – Der totale Realitätsverlust

Seit der Fußballweltmeisterschaft, welche diesjährig im Gastgeberland Katar stattfindet, überschlägt sich die Bundesrepublik vor Empörung.
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25.11.2022
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3 Minuten Lesezeit
Fußball-WM in Katar – Der totale Realitätsverlust

Samira Kley

Seit der Fußballweltmeisterschaft, welche diesjährig im Gastgeberland Katar stattfindet, überschlägt sich die Bundesrepublik vor Empörung.

So werden die strikten Restriktionen gegenüber Frauen im urkonservativen Wüstenstaat medial ausgeschlachtet, doch seit dem deutschen Lesben – und Schwulenverband (LSVD) klar wurde, dass Homosexuelle zur WM genauso unerwünscht sind, wie unehelicher Geschlechtsverkehr, wird der Aufschrei der hiesigen Öffentlichkeit immer lauter. Botschafter der WM, Khalid Salman, machte mit diversen Äußerungen über schwule Männer Schlagzeilen. Homosexualität sei ein „geistiger Schaden“ und „haram“. Außerdem habe Salman Angst, Kinder könnten Schwule sehen, was sie, seiner Meinung nach, dazu verleiten würde Dinge zu lernen, die nicht gut seien.

In Gänze boykottieren müsse man die Weltmeisterschaft, so Bundesvorstandsmitglied des LSVD Alfonso Pantisano. Dabei fühlen sich gerade einmal 7,4 % der Deutschen der LGBT-Szene zugehörig. Brechen wir diese Menge auf die schwul-lesbischen oder transsexuellen Fußballfans herunter und schauen, wer von diesen Personen tatsächlich zur Weltmeisterschaft nach Katar reisen würde, könnten wir die Diskussion um Diskriminierung höchstwahrscheinlich beenden. Doch wie so oft sucht Otto Normalverbraucher die emotionalisierte Debatte und ist an den harten Fakten eher nicht interessiert.

Reisegruppe Regenbogen unterwegs im Vielfaltsflieger

Anstatt den Konflikt zu entschärfen und sich auf den Sport zu besinnen, springt die Nationalelf um Manuel Neuer, der verbotenerweise 2021 in einem Spiel gegen Ungarn eine Regenbogenkapitänsbinde trug, auf den Empörungszug auf und gießt Öl ins Feuer.

Mit dem sogenannten Vielfaltsflieger, eine Lufthansa-Maschine mit der Aufschrift „diversity wins“, wollten sich unsere Spitzenfußballer auf in das Gastgeberland machen. Sitten und Bräuche eines anderen Landes akzeptieren? Fehlanzeige! Das haben die Deutschen in der überwiegenden Mehrheit noch nie draufgehabt. Wer allerdings glaubt, Deutschland stünde allein mit dieser Art des „Protestes“ sollte nach Großbritannien schauen, denn die britische Nationalmannschaft ist mit einem in Regenbogenfarben lackierten Flugzeug angereist.

Mutig und widerständig haben sich unsere Fußballer mit ihrem Protestflug gebrüstet, bis kürzlich die Wahrheit ans Licht kam: die Spieler sind mit dem Vielfaltsflieger nur bis nach Maskat geflogen und dort in eine herkömmliche Maschine ohne Diversity-Lackierung umgestiegen. Der angebliche Grund: Nachhaltigkeit. Der Flug sei nun doch ein herkömmlicher Charterflug gewesen, bei dem die Nationalelf nur in Maskat aussteigen und der Flieger dann weiter nach Dubai fliegen sollte. Für die Weiterreise nach Doha hat man einen Linienflug von Oman-Air genutzt.

Weltmeisterschaft der Korruption

Wenn man sich die Vorgeschichte zur WM-Vergabe nach Katar anschaut, könnte man zu dem Schluss kommen, dass der Schrei nach Diversity reine Augenwischerei ist. Denn nachweislich ist die FIFA in zahlreiche Korruptionsskandale im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft verwickelt. Das Gastgeberland wird durch die Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees gewählt. Zwei Mitglieder schieden schon vor der Wahl aus. Dabei handelte es sich um Delegierte aus Nigeria und Tahiti, welche beim versuchten Stimmenkauf erwischt worden sind.

Ebenfalls bestechlich waren Jack Warner aus Trinidad und Tobago, der 1,5 Millionen Euro für seine Stimme erhalten hat, Nicolas Leoz als Vertreter aus Paraguay mit 1 Millionen Dollar, der Ivorer Jacques Anouma und der aus Kamerun stammende Issa Hayatou mit 1,5 Millionen Dollar, Ricardo Teixeira aus Brasilien, sowie Julio Grondona aus Argentinien.

Weitere Stimmen wurden höchstwahrscheinlich verschleiert erkauft. So wurden hohe Geldsummen aus Katar, in der Zeit um die WM-Vergabe, in das Unternehmen des Zyprers Mario Lefkartis, ebenfalls Exekutivmitglied, investiert. Weiter wurde der Sohn von Frankreichs Delegiertem Michel Platini, kurz nachdem dieser seine Stimme an Katar vergeben hatte, Chef der Qatar Sport Investment (QSI). Die QSI ist Eigentümer von Paris Saint-Germain.

Bestochen wurden alle wahrscheinlich durch einen Mann: dem international bekannten katarischen Fußballfunktionär Mohamed bin Hammam. Er war von 1996 – 2012 Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees. Seinem Amt als Präsident der asiatischen Fußball-Konförderation wurde er aufgrund von Bestechungsvorwürfen enthoben.

Katastrophale Arbeitsbedingungen

Nicht weniger schockierend sind die Todesfälle von aus Südostasien stammenden Arbeitsmigranten in Katar, seit dem Beginn der Baumaßnahmen für die WM. Das Land ließ für rund 185 Milliarden Euro neue Stadien, Straßen, Shoppingmalls und Hotels bauen. Laut dem Guardian sollen dabei bisher ca. 6500 Arbeiter ums Leben gekommen sein. Viele von Ihnen sind an Herzversagen gestorben, da ihnen während der Arbeit bei Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius die Wasseraufnahme und Pausen verweigert worden waren.

Diese realen Menschenrechtsverletzungen und die Bestechungsgelder sollten Grund genug sein, um Katar zumindest äußerst kritisch zu betrachten. Sich über das islamisch geprägte Land allerdings wegen seiner kulturellen Gepflogenheiten derartig despektierlich zu äußern, täuscht über die tatsächliche Problematik hinweg und bestätigt nur den Hochmut der woken Gesellschaft, denn anderen Sitten in kulturell fremden Ländern keinen Respekt entgegenzubringen, rührt daher, dass uns der Respekt vor der eigenen Nation schon lange abhandengekommen ist.

Katarer sind überwiegend sunnitische Wahhabiten, die einen fundamentalistisch-traditionellen Islam vertreten, in dem Homosexualität oder Freizügigkeit große Sünden darstellen und laut islamischem Gesetz hart bestraft werden. Gang und gäbe in den Emiraten, in denen viele Deutsche jährlich Urlaube verbringen und normales Gedankengut von vielen Muslimen, die seit 2015 unaufhörlich in unser Land strömen. Deshalb sollten wir erst einmal vor der eigenen Tür kehren, bevor wir versuchen uns über Andere moralisch zu erheben.


Zur Person:

Samira Kley, geboren 1994, publizierte in den vergangenen Jahren in einigen konservativen Medien. Die Mutter zweier Kinder interessiert sich vor allem für die Themen Islam, Migration und Frauen- bzw. Familienpolitik. Kley ist Aktivistin beim Frauenkollektiv Lukreta.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der Freilich-Redaktion.
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