Hertha BSC – intolerant und gegen die Vielfalt
Nicht einmal Fußballer und Trainer dürfen ihre Meinung sagen, wenn sie von der allein seligmachenden Gutmenschenideologie abweicht.
Die Geschichte ist bekannt. Zsolt Petry hat der ungarischen Zeitung „Magyar Nemzet“ ein Interview gegeben. Über weite Strecken ein Interview über Fußball. Worüber auch sonst?
Erst spät verwickelt ihn „Magyar Nemzet“ in ein Gespräch über die Initiative des ungarischen Fußball-Tormannes Péter Gulácsi. Er war öffentlich für das Adoptionsrecht homosexueller Paare eingetreten. Darauf angesprochen hat Petry seine gegenteilige Meinung vertreten und im Kontext der moralischen Lage Westeuropas auch die aktuelle Migrationspolitik kritisch gestreift.
Wenn Reizwörter fallen…
Die Folge tags darauf – Bedenkzeiten gibt es ja nicht mehr: die Fristlose. Zsolt Petry hat seinen Job bei Hertha BSC verloren. Im Westen ist das schon ganz normal. Wer das Interview gelesen hat, konnte diese Folge schon während des Lesens voraussagen.
Konnte das jeder voraussagen, der das gelesen hatte? Nicht wirklich. Nur jeder, der schon gelernt hat, was die neue deutsche und westeuropäische Gesinnungsdiktatur ausmacht und daher weiß, wie sie reagiert, wenn bestimmte Reizwörter fallen. Es folgt dann die (sprichwörtliche) standrechtliche Exekution – sofort, unverzüglich!
Wie hätte Hertha BSC anders reagieren können, Rückgrat und Kameradschaft vorausgesetzt?
Mögliche andere Reaktionen
Variante 1: Wären die Vollstrecker der deutschen Gesinnungsdiktatur bei Hertha BSC wenigstens ein bisschen von rechtsstaatlichem Denken beseelt, sie hätten sich das Interview genauer angesehen.
Hätten sie es getan und auch berücksichtigt, hätte ihr Urteil selbst im Rahmen der Gesinnungsdiktatur milder ausfallen können, etwa so (so träume ich):
„Zsolt! Bei uns gibt es ein Sprichwort: Schuster, bleib‘ bei deinem Leisten. Äußere dich nie wieder politisch, gesellschaftspolitisch oder in Fragen der Religion. Dazu bist Du zu prominent. Du ziehst uns da in Dinge rein, die wir nicht brauchen können. Spiele Fußball, trainiere die Mannschaft, bringe Deine Leistung!“ Nach außen hätte ein „Wir haben das intern geklärt“ genügt und man wäre zur Tagesordnung übergegangen.
Variante 2: Die Reaktion im Rahmen der Demokratie traue ich mich nicht träumen, das Aufwachen tut dann weh.
Sie lautete ja ganz anders und wäre gar nicht erst an Herrn Petry gerichtet, sondern direkt an die sensationslüsterne Presse ganz allgemein:
„Herr Petry leistet bei uns ausgezeichnete Arbeit. Wir sind froh, dass er bei uns ist. Welche private Meinung abseits vom Fußball er vertritt, ist alleine seine Sache. Schließlich leben wir in einem demokratischen Rechtsstaat. Gemäß unserer Charta ist jedermann anerkannt, egal welche Meinung und Weltanschauung er vertritt, solange er auch die anerkennt, die eine von ihm abweichende Meinung vertreten. Das tut Herr Petry. So war’s im Interview in ‚Magyar Nemzet‘ zu lesen. Somit ist alles in allerbester Ordnung. Wir danken Ihnen für Ihr freundliches Interesse.“
Liebe Leser: Weil das in unseren Medien nicht ganz vollständig berichtet wurde, zeige ich Ihnen ein paar Sätze, die auch im Interview zu lesen sind. Petry sagt:
„Die Mehrheit der ungarischen Gesellschaft stimmt der liberalen Meinung von Péter Gulácsi zu Regenbogenfamilien nicht zu. Deshalb haben viele begonnen, ihn zu kritisieren, obwohl: Das Äußern der Meinung ist moralisch nicht angreifbar!
Péter hat nichts anderes getan, als zu seinen Grundsätzen zu stehen. Er kann und soll daher grundsätzlich nicht dafür verurteilt werden, nur, weil er seine Meinung geäußert hat!
Eine andere Frage ist, ob die Leute seiner Position zustimmen oder nicht.
Als Athlet würde ich mich an seiner Stelle auf den Fußball konzentrieren und keine Position zu öffentlichen, sozialpolitischen Themen formulieren. Ich würde die Arbeit machen, die mein Verein und die ungarische Nationalmannschaft von mir erwarten.“
Meine Meinung, liebe Leser?
a/ Zsolt Petry redet mustergültig demokratisch und tolerant. Demokratisch, d.h. jeder soll seine Meinung, welche auch immer, frei äußern dürfen. Tolerant kommt vom lateinischen dulden, erdulden. Petry verteidigt entschlossen die Äußerung einer Meinung, die er inhaltlich total ablehnt. Aber er duldet sie, ganz selbstverständlich. Genau das ist tolerant. Hertha BSC hat einen vorbildhaften Toleranten hinausgekickt.
Bitte immer vor Augen zu haben: Wenn ich einer Meinung ohnehin zustimme oder wenn sie mir schlicht egal ist, dann hat das mit Toleranz nicht das Geringste zu tun.
b/ Petrys letzter Satz, Fußballer sollten sich lieber gar nicht politisch äußern, sondern sich auf den Fußball konzentrieren, zeigt, dass er schon richtig ahnt, wohin das sonst führen kann (ich ergänze: zumal in einer Gesinnungsdiktatur).
Und schon einen Absatz weiter kommentiert er auch noch die Migrationspolitik, als hätte er das zuvor Gesagte schon ganz vergessen. Mehr brauchst man nicht in Deutschland, wo die Toleranz gnadenlos herrscht! Mehr braucht man nicht in den Fußballvereinen wie Hertha BSC, die sich ihr genauso unterworfen haben wie den zwei deutschen Diktaturen des 20. Jahrhunderts. Und wie es die Kulturbetriebe, Universitäten, Schulen, Vereine aller Art und als Vorreiter sogar die deutschen Amtskirchen tun.
Lernen aus der Geschichte? Das ist die hohlste Phrase, die es gibt. So wie „Nie wieder Faschismus“ und „Wehret den Anfängen“ nichts als hohle Phrasen sind. Nichts wert. Gar nichts.
Für Menschenrechte?
Der Kommentar von Miklós Novák in „Magyar Nemzet“ vom 7. April 2021 schließt mit einem Aufruf an den Tormann Péter Gulácsi, über den Petry indirekt gestolpert war.
Miklós Novák: „‘Treten wir auf gegen den Hass! Lasst uns toleranter sein und offener!‘ – So schloss der Torhüter Nummer eins der ungarischen Nationalmannschaft vor gut einem Monat seine Gedanken.
Nun, der Augenblick ist gekommen, lieber Péter! Trete dem Hass entgegen! Sei tolerant und offen! Schütze Deinen Landsmann und Sportkameraden, der nichts anderes getan hat, als nur eine der Nuancen der Vielfalt zu beschreiben.“
Péter Gulácsi wird sich in Schweigen hüllen. Warum auch sollte es in der Diktatur des 21.Jahrhunderts anders sein als im 20. Jahrhundert?
PS: Liebe Fußballer: Bitte verschont uns wenigstens mit Eurer heldenhaften Heiligkeit. Mit Leiberln aufzutreten, auf die Ihr „Menschenrechte“ schreibt – um dann laut zu schweigen, wenn einer von Euch vom Fußballklub Hertha BSC gefeuert wird, nur weil er eine andere Meinung vertreten hat, als die neue Gesinnungsdiktatur es will, ist feige und unkameradschaftlich.
Angesichts dessen, was Ihr alle verdient, kann man das menschlich nachvollziehen. Aber bitte verschont uns dann wenigstens mit Menschenrechtsgelaber und Toleranzgeschwafel und Weltoffenheitsgeschwurbel. Bitte, danke!